Wie finden Sie die 16-jährige Klimaaktivistin Greta Thunberg?
RAINER SEELE: Ich habe sie nie persönlich kennengelernt.

Würden Sie sie einladen?
Warum denn nicht?

Wo ich hinsteuern will, ist Ihnen natürlich bewusst.
Ich weiche Ihnen rhetorisch noch ein bisschen aus.

Könnten Sie Greta Thunberg und Tausenden Schülern erklären, wofür eine OMV in 20, 30 Jahren noch gut sein soll?
Ich würde sagen, wenn man sich ein Mosaik anschaut, darf man nie nur einen Stein betrachten, sondern muss sehen, wie er ins Gesamtbild passt. Ich bin Vater von drei Kindern. Die sind schon älter, aber die diskutieren auch mit mir, ich nehme das ernst. Ein Teil des Mosaiks ist, wie weit akzeptieren wir Einschränkungen und welche Strategien bringen uns geringere Umweltbelastungen.

Was heißt das für die OMV?
Wir leisten einen Beitrag zur CO2-Reduktion, wenn Stromerzeugung aus Kohle auf Erdgas umgestellt wird. Das hat das Potenzial, CO2-Emissionen um 50 Prozent zu senken. Wir setzen uns dafür ein, dass statt mit Heizöl mit Gas geheizt wird. Wir müssen aber nicht immer nur das Thema Ausstoß anschauen. Wir könnten die globale Erwärmung verringern, wenn wir noch einmal den Regenwald anpflanzen würden.

Das Gegenteil passiert.
Dann sollten wir uns für das Thema Wälder starkmachen.

Ist das nicht eine Phase, in der sich die OMV neu erfinden muss?
Unsere Wurzeln müssen wir behalten, um den großen Baum robust weiterzuentwickeln. Die OMV braucht Evolution, nicht Revolution. Weniger Öl, mehr Gas, weniger Öl verbrennen, mehr Öl zu Hochleistungschemikalien veredeln. Beim Plastik-Recycling werden wir uns wesentlich stärker engagieren. Öl sollten wir mehrfach nutzen, bevor wir es verbrennen.

Die vor einem Jahr präsentierte Strategie ist zu 80 Prozent durch.
Mit 80 Prozent kann ich sehr gut leben.

Und was kommt dann? 2020?
So weit kann ich nicht vorausschauen. Also, das können Sie jetzt nicht von mir erwarten, dass ich hier philosophiere.

Vor einem Jahr haben Sie Investitionen von zehn Milliarden Euro angekündigt, sechs Milliarden sind ausgegeben. War Ihnen schon damals klar, dass Sie innerhalb so kurzer Zeit so viel kaufen?
Nein, den großen Teil der Projekte kannten wir zu dem Zeitpunkt noch nicht. Russland natürlich schon, da verhandeln wir jetzt gerade den Preis. Jedenfalls haben wir die Ziele, die wir mit dem Akquisitionsbudget kommuniziert haben, erreicht, ohne dass wir die vollen zehn Milliarden ausgeben mussten. Der Einstieg in Malaysia hat sich überraschend ergeben durch ein Screening der Region, die wollten eigentlich an die Börse. Wir sind entscheidungsschnell, weil wir wissen, wo wir hinwollen.

Sie wollen vor allem „Cash in der Tesch“, also salopp gesagt, dass möglichst schnell viel Geld hereinsprudelt, für Investitionen oder Dividenden, mit denen Sie die Aktionäre bei Laune halten.
Dass wir einen sehr hohen Cashflow haben, ist im Vergleich zum Wettbewerb ein super OMV-Merkmal. Wir haben gerade die Strategie verfolgt, wo wir uns Cash gekauft haben. Mit jedem Zukauf haben wir uns gestärkt. Besonders mit der Beteiligung an der Raffinerie in Abu Dhabi, immerhin der viertgrößten der Welt. Das ist eine Beteiligung an einem laufenden Geschäft, von der wir sofort positive Beiträge bekommen, und zwar in den Wachstumsmärkten Mittlerer Osten und Asien.

Raffinerien in Europa sind uninteressant?
Unsere eigenen nicht. Die anderen schon.

Warum?
Unsere Raffinerien sind längst viel besser aufgestellt. Die in Burghausen macht ja kaum noch Benzin. Wir bauen da jetzt einen großen Cracker, wo am Ende Ethylenpropylen herauskommt. Das ist zum Beispiel ein Basisprodukt für Kunststoffe. Der eigentliche Raffineriemarkt ist in Europa durch Überkapazitäten geprägt. Das wird noch schlimmer, weil sich die Automobilindustrie mehr und mehr auf E-Mobilität festlegt.

Mit welchen Marktentwicklungen rechnen Sie heuer?
Da bin ich sehr verhalten in der Aussage. Das Bild hat sich schon in den ersten Monaten deutlich verändert. Wir selbst werden unsere Produktion jedenfalls stark steigern. Auch unsere Förderung in Libyen läuft wieder.

Wenn der Handelsstreit USA–China beigelegt wird ...
... dann steigt der Ölpreis.

Werden Sie in Norwegen, in der Barentssee Öl fördern?
Dazu haben für noch keine endgültige Entscheidung getroffen.

Noch einmal zum Plastik und der kleinen Re-Oil-Anlage in Schwechat: Was kostet so wiedergewonnenes Öl aus Plastik im Vergleich zu den sieben Dollar, womit die OMV sonst ein Barrel Öl produziert?
Da sind Kosten nicht im Vordergrund, sondern die Forschung. Plastik ist ja nicht gleich Plastik. Eine Kernfrage ist, wie viel von welcher Sorte können wir einsetzen, damit wenig Müll und viel flüssiges, synthetisches Rohöl herauskommt. Manche Kunststoffe sind für diese Prozesse echtes Gift. Die andere Kernfrage ist, wie weit bekämen wir denn einen Premium-Preis für recycelten Kunststoff. Vielleicht haben wir ja aber bald eine Entwicklung, wo sehr viele Kunden darauf achten, was Greta Thunberg uns da erzählt.