Das Plus in der Steiermark fällt fast dreimal so hoch aus wie der Bundesschnitt: Mit exakt 4962 Lehranfänger verzeichnet die Steiermark einen Zuwachs von 9,1 Prozent. Das ist aus mehreren Blickwinkeln eine bemerkenswerte Entwicklung. Zum einen, weil das steirische Wachstum so deutlich über jenem von ganz Österreich liegt (plus 3,5 Prozent). Auf der anderen Seite aber auch deshalb, weil die vergangenen Jahre einer Talfahrt glichen – was primär demografisch begründbar ist.

So ist die die Gesamtzahl der 15-Jährigen in der Steiermark in den vergangenen 40 Jahren um 48,9 Prozent (von 22.096 auf 11.300) gesunken, allein in den letzten zehn Jahren betrug das Minus 21,1 Prozent. Nun also die Trendwende. Entscheiden sich im Vorjahr 41,6 Prozent der 15-Jährigen für eine duale Ausbildung, wird sich die Zahl heuer in Richtung 45 Prozent bewegen. Die Gesamtzahl der Lehrlinge legte in den vergangenen zwölf Monaten steiermarkweit übrigens von 14.085 auf 14.459 um 2,7 Prozent zu.

"Jede Menge Aufstiegschancen"

Von einer „ganz besonderen Freude“, spricht Wirtschaftskammerpräsident Josef Herk, der diese Entwicklung auch auf die zahlreichen Initiativen der jüngeren Vergangenheit zurückführt – vom Talentcenter bis hin zur Austragung der Berufs-EM EuroSkills 2020 in Graz. Aufgrund des akuten Fachkräftemangels – in der Steiermark fehlen laut WK aktuell rund 25.000 Fachkräfte – hätten Unternehmen noch stärker die Bedeutung der eigenen Ausbildung erkannt, so Herk. Auch die Zahl der Ausbildungsbetriebe legte leicht auf 4964 zu. "Eine Lehre bietet ein breites Spektrum beruflicher Möglichkeiten und jede Menge Aufstiegschancen", so Herk.

Industrie-Spartenobmann Max Oberhumer, Spartenobmann Gewerbe und Handwerk Hermann Talowski, Spartenobmann Transport und Verkehr Alfred Ferstl, WKO Steiermark Präsident Josef Herk, Handels-Spartenobmann Gerhard Wohlmuth sowie Tourismus-Spartenobmann Franz Perhab (v.l.)
Industrie-Spartenobmann Max Oberhumer, Spartenobmann Gewerbe und Handwerk Hermann Talowski, Spartenobmann Transport und Verkehr Alfred Ferstl, WKO Steiermark Präsident Josef Herk, Handels-Spartenobmann Gerhard Wohlmuth sowie Tourismus-Spartenobmann Franz Perhab (v.l.) © WK/Fischer

Die Industrie verbucht ein Plus von 15,6 Prozent auf 732. Neo-Spartenobmann Max Oberhumerbetont: „Es wurde auch massiv in die Ausbildungsqualität investiert, in den vergangenen fünf Jahren ist die Zahl der berufsbezogenen Qualifizierungsmaßnahmen um 51 Prozent auf bis dato 5238 im heurigen Jahr gestiegen.“

Zuwächse bei den Lehranfängern verbuchen nahezu alle Sparten. Im Gewerbe und Handwerk legte die Zahl um 7,6 Prozent auf 2097 zu. Um Ausbildungsbetrieben mehr Wertschätzung entgegenzubringen, regt Spartenobmann Hermann Talowski einen "Lehrlingsbonus" an. Diesen werde Frohnleiten, wo Talowski als Stadtrat fungiert, nun einführen. "Hier wird künftig jeder Ausbildungsbetrieb von der Kommune einen Euro pro Lehrling und Ausbildungstag bekommen. Ich sehe das nicht als zusätzliche Förderung, sondern viel mehr als Wertschätzung all jenen Betrieben gegenüber, die vor Ort für Ausbildung sorgen", so Talowski.

Auch in der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft, die in den vergangenen Jahren teils schmerzliche Rückgänge zu verbuchen hatte, zeigt der Pfeil – mit 18,2 Prozent auf 469 – stark nach oben. Obmann Franz Perhab ist zuversichtlich, dass das „nach dem jahrelangen Marsch durch die Wüste keine Eintagsfliege ist“.

Zuwächse gibt’s auch im Handel (plus 4,2 Prozent auf 725 Lehranfänger). „Der steirische Handel ist ein wichtiger und stabiler Arbeitgeber, dem die Ausbildung unserer Jugend sehr am Herzen liegt. Aus diesem Grund unterstützen wir als Sparte auch aktiv die Nachwuchsarbeit", so Handelsobmann Gerhard Wohlmuth.

Ein Plus verzeichnet auch die Sparte „Transport und Verkehr“. „In unseren Branchen werden zwar traditionell weniger Lehrlinge ausgebildet, nichtsdestotrotz haben wir intensive Bemühungen gestartet diesen Bereich auszweiten", so Spartenobmann Alfred Ferstl.

Herks Conclusio: „Die Lehre in Österreich hat kein Imageproblem, sie ist ein international anerkanntes Erfolgsmodell.“ Er orte im Vergleich zum gänzlich durch öffentliche Hand finanzierten Schulsystem aber noch immer „eine bildungspolitische Diskriminierung der Lehre“.

Herk verweist auch darauf, dass der Lehrstellenzuwachs durchaus noch größer sein könnte. Denn aktuell stehen 1400 im AMS gemeldeten offenen Lehrstellen "nur 1231 Lehrstellensuchende gegenüber". Die Praxis zeige, dass "bei weitem nicht alle Lehrstellen dem AMS gemeldet werden, "wodurch von einer weitaus höheren Bewerberlücke auszugehen ist". Herk spricht von "Hunderten Lehrstellen, die derzeit nicht besetzt werden können".

"Kein Verständnis"

"Kein Verständnis" zeigt man in der steirischen Wirtschaftskammer für das Vorgehen der Bundesregierung bei Asylwerbern, die eine Lehre absolvieren. Entgegen zuvor in Aussicht gestellter "Lösungen" werden jugendliche Asylwerber bei einem negativen Asylbescheid nun doch auch während ihrer Ausbildung abgeschoben. Die Entscheidung, nun doch keine Sonderregelungen für Asylwerber in einer Lehrausbildung zu schaffen, kam vom Innenministerium.