EZB-Chefvolkswirt Peter Praet sagte 6. Juni in Berlin, zu dem stärkeren Preisdruck trage auch der Wirtschaftsaufschwung in den Staaten der Währungsunion bei, der sich in höheren Löhnen bemerkbar mache. "Dies stärkt unser Vertrauen, dass die Inflation mittelfristig ein Niveau von unter, aber nahe zwei Prozent erreichen wird." Vor diesem Hintergrund, so ließ Praet durchsickern, werde sich der EZB-Rat nun damit befassen, ob die billionenschweren Anleihenkäufe dieses Jahr auslaufen sollten.

Bisher ist unklar, wie es ab Oktober mit den vor allem in Deutschland umstrittenen Transaktionen weitergeht, mit denen die EZB für eine höhere Inflation sorgen will. Der niederländische Notenbankchef Klaas Knot ist angesichts des gestiegenen Preisdrucks dafür, sich bald von den massiven Geldspritzen zu verabschieden: "Ich bin mir mit den meisten Experten einig, dass es sinnvoll wäre, das Ende des Anleihen-Programms rasch zu verkünden", sagte er im niederländischen Parlament.

"Ich werde hier nichts vorwegnehmen"

Praet ließ allerdings offen, ob es nächste Woche bei der Zinssitzung der Europäischen Zentralbank bei einer Diskussion bleiben wird oder die Weichen für den Ausstieg schon gestellt werden: "Ich werde hier nichts vorwegnehmen", so der Vertraute von EZB-Chef Mario Draghi. Experten rätselten zuletzt, ob die EZB ihre Entscheidung noch bis Ende Juli hinausschieben wird - auch mit Blick auf die jüngsten Marktturbulenzen in Italien.

Diese Bedenken griff der geschäftsführende slowenische Notenbankchef Primoz Dolenc auf: Er betonte in Ljubljana, der EZB könnten "Ungleichgewichte in einigen Staaten wie etwa Italien" Kopfzerbrechen bereiten. Allerdings müsse man sich über das Wachstum in Europa trotz der jüngsten konjunkturellen Abkühlung keine Sorgen machen.

Der lange Weg zur Normalisierung

Der deutsche Bundesbankchef Jens Weidmann machte unterdessen deutlich, dass er Erwartungen von Finanzinvestoren für "plausibel" hält, wonach das EZB-Anleihenprogramm noch dieses Jahr beendet wird. Dies wäre aus seiner Sicht nur der erste Schritt auf dem Weg zu einer Normalisierung nach Jahren einer "sehr expansiven Geldpolitik". Die EZB dürfe dabei aber keine Turbulenzen an den Märkten auslösen: "Die Herausforderung für uns wird es sein, diesen Prozess angemessen in unserer Kommunikation zu begleiten." Laut Weidmann ist zu erwarten, dass sich die Inflation schrittweise auf ein Niveau zubewegt, das mit der EZB-Definition von Preisstabilität vereinbar ist.

Die Notenbank strebt mittelfristig eine Inflation von knapp zwei Prozent an, da sie dieses Niveau als ideal für die Wirtschaft ansieht. Im Mai kletterte die Teuerungsrate auf 1,9 Prozent, nachdem sie im April noch auf 1,2 Prozent gefallen war. Die EZB pumpt seit rund drei Jahren über den Kauf von Wertpapieren viel Geld ins Finanzsystem. Das Programm soll noch bis mindestens Ende September fortgesetzt werden und dann ein Volumen von 2,55 Billionen Euro erreichen.