Wer von sich behauptet, so etwas – vermeintlich – Alltägliches wie die Schraube neu erfunden zu haben, könnte durchaus Skeptiker auf den Plan rufen. Der findige Steirer Gerhard Oliver Hubmann hat da einen entscheidenden Vorteil: Er kann andere für sich sprechen lassen.

„Ingenieurbüro für Maschinenbau erfindet Schraube neu“ – so lautete vor wenigen Wochen eine der Begründungen, die ihm und seinem Team von Avvio den höchsten Preis für Ingenieursleistungen in Österreich einbrachten: den Staatspreis, der vom Wirtschaftsministerium und der ACA (Austrian Consultants Association) verliehen wird. „Genial einfach – einfach genial“, so der Jury-Befund. Hubmann habe mit der „Niedrigenergieschraube ,Made in Austria‘ gezeigt, dass es möglich ist, selbst in einer scheinbar einfachen Technologie eine weltweit führende Innovation zu schaffen, neue Märkte zu erschließen und dabei auch einen Beitrag zu Umwelt und Arbeitssicherheit zu leisten“.

„Wie bringe ich Schrauben möglichst einfach ins Holz?"

Was steckt hinter dieser Hymne auf eine Schraube? Zuerst einmal eine fast fünf Jahre andauernde Entwicklungsarbeit. Die erste Handskizze zu Hubmanns Schraube stammt aus dem Jahr 2004, er hat sie bis heute aufbewahrt. Angetrieben wurde er von einer letztlich profan anmutenden Frage: „Wie bringe ich eine Schraube möglichst einfach ins Holz, wie reduziere ich die Fläche und damit die Reibung?“ Klingt einfach, war es aber nicht. Heute sorgt seine patentierte „TENZ Holzschraube“ für Aufsehen in der Branche, damals war er vor allem mit der Fraktion des Zuschnitts, „das wird nie was, das geht nicht“, konfrontiert. Er ließ sich nicht abbringen, kooperierte u. a. mit Forschern der Technischen Universitäten Graz und Karlsruhe.

Walter Painsi, Präsident der ACA Austrian Consultants Association mit  Staatspreisgewinner Gerhard Hubmann und  Sektionschef Ulrich Schuh
Walter Painsi, Präsident der ACA Austrian Consultants Association mit Staatspreisgewinner Gerhard Hubmann und Sektionschef Ulrich Schuh © Klaus Prokop

Das Design „seiner“ Schraube ist so gestaltet, dass sie die Holzfaser aufdrückt, also verdrängt und nicht schneidet oder fräst. Das Ergebnis: Sie benötigt nur die Hälfte des Drehmoments einer gewöhnlichen Holzschraube, die Innovation firmiert daher auch unter dem Label „Niedrigenergieschraube“. Die Erhebungen der Schraube sind zueinander so versetzt, dass sich beim Einschrauben eine „oszillierende Bewegung“ ergibt – daher kommt auch der Name „TENZ“, die Schraube die gewissermaßen ins Holz tanzt. Mit dem halbierten Drehmoment gehen viele Vorteile einher: Es muss nicht mehr vorgebohrt werden, der Akku der Bohrmaschinen, aber auch die Handgelenke des Monteurs werden geschont. Selbst als motorisch minder begabter Heimwerker-Laie stellt man beim Selbsttest blitzschnell fest, dass sich diese Schraube ohne jegliche Anstrengung oder Bohrmaschinen-K.o. verschrauben lässt.

Gerhard Oliver Hubmann

Dem technischen Durchbruch soll nun auch der wirtschaftliche folgen. Und hier bahnt sich für Hubmann ein Coup an. Läuft alles wie geplant, wird die steirische Innovation gegen Jahresende in der weltgrößten Baumarktkette, Home Depot, in den USA gelistet werden. Dabei geht es um 2200 Baumärkte in Nordamerika. Die TENZ-Schraube soll als sogenannte „integrated brand“ in das Eigenmarkensortiment aufgenommen werden. Das heißt, dass auf jeder Schraubenpackung der Zusatz „TENZ inside“ angebracht ist.

Neue Niederlassung

Für Italien, Deutschland und die Schweiz gibt es ebenfalls bereits namhafte Vertriebspartner. Dem Wachstum wird man in Graz auch mit einer neuen Niederlassung Rechnung tragen – heuer ist die Übersiedelung von Puntigam nach Messendorf geplant. Auch die Mitarbeiterzahl steigt, derzeit werden u. a. Holzbautechniker und ein Marketing-Experte gesucht.

Was Hubmann früh erkannt hat: Das technologische Know-how ist das eine, der Aufbau einer Weltmarke – so lautet sein erklärtes Ziel – noch einmal etwas anderes. Daher wird auch viel Wert auf die Inszenierung der Schrauben gelegt, „die im Premium-Segment positioniert sind“. Für die Verpackung hat man sich die Profis von „A&R carton“ aus Graz an Bord geholt, die für die kunstvolle TENZ-Schachtel im Vorjahr prompt den Deutschen Verpackungspreis gewonnen haben. Das steirische Software-Start-up „CodeFlügel“ hat wiederum eine App rund um die Schraube programmiert, die das Verschrauben mittels „Augmented Reality“ auch virtuell erlebbar macht. „Das hat kein anderer in der Branche“, betont Hubmann. Ein Selbstzweck sei das nicht, vielmehr ein Garant dafür, dass sich potenzielle Kunden auf Fachmessen, wo Hunderte Hersteller um Aufmerksamkeit buhlen, mit Sicherheit an die „tanzende Schraube“ zurückerinnern.

Tenz Schraube

Doch wie wird man eigentlich zum Schrauben-Revoluzzer? Hubmanns Vater arbeitete einst für eine der letzten österreichischen Schraubenfabriken und betätigte sich nach deren Schließung als Importeur. Hubmann selbst hat die HTL absolviert, dann vorerst aber einen völlig anderen Weg eingeschlagen, Wirtschaft studiert und in ganz anderen Branchen u. a. für Konzernriesen wie „Philip Morris“ gearbeitet. „Diese Zeit hat mir sehr dabei geholfen, große Konzerne zu verstehen. Die Technik hat mich aber nie losgelassen.“ Er übernahm den Schraubenimport des Vaters, baute ihn zur Europa-Gesellschaft des taiwanesischen Branchenriesen Din Ling aus. Seine Gesellschaft Avvio verfügt neben der Entwicklung auch über Prüflabors.