Die Gaspipeline Nord Stream 2 belastet das Verhältnis zwischen Deutschland und den USA seit Jahren.Nun ist beiden Seiten eine Einigung in dem Streit gelungen. In deren Zentrum steht Beistand für die Ukraine - wo man dennoch alles andere als glücklich ist. Die Einigung zwischen den USA und Deutschland im Streit um die Ostsee-Pipeline ist in der Ukraine und in Polen auf Kritik gestoßen. Russland beklagt einen "feindlichen Ton" der USA in der gemeinsamen Erklärung.

Die beiden Länder warnten in einer gemeinsamen Mitteilung ihrer Außenministerien, die Vereinbarung im Konflikt um das deutsch-russische Projekt habe eine "politische, militärische und energietechnische Bedrohung für die Ukraine und Mitteleuropa geschaffen". Zugleich erhöhe sie das Potenzial, dass Russland die Sicherheitslage in Europa weiter destabilisiere. Die bisherigen Vorschläge reichten nicht, "um die Bedrohungen durch Nord Stream 2 wirksam einzudämmen".

Durchbruch verkündet

Im jahrelangen Streit um die deutsch-russische Ostsee-Pipeline hatten Berlin und Washington am Mittwoch einen Durchbruch verkündet. Beide Länder veröffentlichten eine gemeinsame Erklärung, in der der Ukraine Unterstützung zugesagt wird. Die beinahe fertiggestellte Ostsee-Pipeline soll russisches Gas nach Deutschland bringen - unter Umgehung der Ukraine, die auf die Einnahmen aus dem Gas-Transit angewiesen ist. Die USA hatten Nord Stream 2 jahrelang massiv kritisiert und sind weiterhin gegen das Projekt, wollen nun aber auf weitere Sanktionen verzichten. An der Finanzierung der Pipeline ist neben anderen Konzernen auch die österreichische OMV beteiligt.

Russland warnte vor "Waffe Energie"

In der gemeinsamen Erklärung wird Russland davor gewarnt, Energie als politische "Waffe" einzusetzen oder weitere aggressive Handlungen gegen die Ukraine zu begehen. Andernfalls werde Deutschland auf nationaler Ebene handeln und in der Europäischen Union auf effektive Maßnahmen einschließlich Sanktionen drängen. Ziel wäre es dann demnach, die russischen Kapazitäten für Exporte nach Europa im Energiesektor, auch bei Gas, zu beschränken - beziehungsweise effektive Maßnahmen auf anderen wirtschaftlich relevanten Gebieten.

Deutschland verpflichtet sich außerdem unter anderem dazu, alle Einflussmöglichkeiten zu nutzen, um eine Verlängerung des 2024 auslaufenden Gastransitabkommens der Ukraine mit Russland um bis zu zehn Jahre zu ermöglichen. Dafür soll ein Sondergesandter ernannt werden. Die Verhandlungen sollen so bald wie möglich beginnen, spätestens aber am 1. September. Die Vereinigten Staaten wollen diese Bemühungen uneingeschränkt unterstützen.

Deutschland sagt zudem technische Unterstützung beim Anschluss des ukrainischen Stromnetzes an das europäische Stromnetz zu. Die Ukraine soll darin unterstützt werden, unabhängiger von russischem Gas zu werden. Deutschland will einen "Grünen Fonds" einrichten und verwalten, mit dem die Energiewende, die Energieeffizienz und die Energiesicherheit der Ukraine gefördert werden sollen.

Deutsche stehen "an der Seite der Ukraine"

Der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD) zeigte sich erleichtert, mit den USA eine "konstruktive Lösung" gefunden zu haben. "Wir stehen als transatlantische Partner fest an der Seite der Ukraine", erklärte Maas. Der Transatlantik-Koordinator der deutschen Regierung, Peter Beyer, sagte am Mittwochabend (Ortszeit) in Washington: "Es ist ein guter Tag für die transatlantischen Beziehungen, für die deutsch-amerikanische Freundschaft."

Der Durchbruch bei dem größten Konfliktpunkt soll auch helfen, den angestrebten Neustart in den deutsch-amerikanischen Beziehungen nach den schwierigen Jahren unter dem früheren US-Präsidenten Donald Trump zu erleichtern. "Die Einigung zeigt auch, dass Deutschland und die USA wieder eng zusammengerückt sind", sagte der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU).

Russland hat nach der Einigung zwischen den USA und Deutschland zur umstrittenen Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 einen "feindlichen Ton" in dem Dokument beklagt. "Wir haben nie unsere Energieressourcen als Werkzeug politischen Drucks eingesetzt", teilte der Botschafter des Landes in Washington, Anatoli Antonow, am Donnerstag in der US-Hauptstadt mit. Russland dränge niemandem seine Gaslieferungen auf. Der Diplomat kritisierte, die amerikanisch-deutsche Vereinbarung zu Nord Stream 2 vom Mittwoch beinhalte "politische Angriffe" gegen sein Land.

Der Kreml hatte nach einem Telefonat des russischen Präsidenten Wladimir Putin und der deutschen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zwar mitgeteilt, dass Russland zufrieden sei, dass die Arbeiten an der fast fertigen Pipeline nun beendet werden können. Der russische Botschafter wies nun aber die Vorwürfe gegen Russland in der Vereinbarung entschieden zurück. Sie widersprächen auch dem Kern des Gipfels von Putin und US-Präsident Joe Biden im Juni in Genf.

"Die Versuche, uns als Aggressor hinzustellen und als Land, das böswillige Handlungen vollzieht, sind schon lange die Visitenkarte einer Russophobie", sagte Antonow. Zugleich wies er die Androhung neuer einseitiger Sanktionen gegen Russland als "unzulässig" zurück. Russland hatte im Streit um die Pipeline immer wieder damit geworben, seit Jahrzehnten zuverlässiger Gaslieferant zu sein. Wegen der auch von den USA befeuerten Debatte um eine hohe Abhängigkeit Europas von russischem Gas orientiert sich das Land seit Jahren zunehmend auf den asiatischen Raum und verkauft etwa an China große Energiemengen.

Wie die Betreiberfirma Mitte Juli erläutert hatte, soll die Ostsee-Pipeline in einigen Wochen fertiggestellt sein. "Wir gehen davon aus, dass die Bauarbeiten Ende August beendet sind", hatte der Vorstandschef der Nord Stream 2 AG, Matthias Warnig, dem "Handelsblatt" gesagt. Mittlerweile seien 98 Prozent der Pipeline fertiggestellt. Ziel sei es, die Erdgasleitung noch in diesem Jahr in Betrieb zu nehmen.

In den USA seit Jahren Widerstand

US-Präsident Joe Biden und Kanzlerin Angela Merkel hatten am vergangenen Donnerstag in Washington einen Neustart in den deutsch-amerikanischen Beziehungen beschworen, nach schwierigen Jahren unter Bidens Vorgänger Trump. In den USA gibt es seit Jahren parteiübergreifend Widerstand gegen Nord Stream 2. Die Einigung dürfte im Kongress daher auf starken Widerstand stoßen. Dort lehnen viele Republikaner das Projekt ab und fordern Sanktionen, genauso wie einige von Bidens Demokraten.

Kritiker sehen in der Pipeline ein geopolitisches Projekt Russlands, das die Energiesicherheit Europas gefährde. Sie bemängeln außerdem, dass die Pipeline der Ukraine schaden könnte. Kiew ist auf Milliardeneinnahmen aus dem russischen Gastransit angewiesen. Befürworter der Pipeline wiederum werfen den USA vor, nur ihr eigenes, teureres Gas in Europa absetzen zu wollen.