Fußballspiele über Livestream zu empfangen ist keine Hexerei – nahezu jedes Mobilgerät ist dazu in der Lage. Die wenigsten wissen, dass der Grundstein fürs Streamen in Österreich - in Klagenfurt - gelegt wurde. Seit den früheren 2000er-Jahren forscht man dort zu diesem Thema. Hier wurde vor 19 Jahren der weltweite Codierungsstandard AVC verabschiedet. Hier wird auch der Streaming-Standard MPEG-Dash maßgeblich entwickelt. Derzeit wird die fünfte Ausgabe vorbereitet.

Bedeutender Treiber hinter der Forschung zu Videostreaming ist Christian Timmerer, dem als Professor am Institut für Informationstechnologie und Mitgründer sowie Chief Innovation Officer des weltweit tätigen Videosoftware-Spezialisten Bitmovin der Brückenschlag zwischen Theorie und Praxis gelingt. „Wer Youtube oder Netflix schaut, profitiert von den Standards, die wir maßgeblich mitentwickelt haben.“

Im vor fast zwei Jahren eingerichteten Christian Doppler-Labor Athena, das Bitmovin und die Uni Klagenfurt gemeinsam betreiben, arbeiten 17 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus neun Ländern an neuen Methoden für Transport und Wiedergabe von Live- und On-Demand-Videos im Internet. Bei geringeren Speicher- und Vertriebskosten soll die Qualität der Videoerlebnisse steigen. Die Einrichtung, die von einem Pilot- zu einem regulären CD-Labor hochgestuft wurde, erforscht die Zukunft des Streamings.

"Mittendrin statt nur dabei beim Fußball"

Das Zauberwort lautet dabei „Immersive Media Experience“: „Mittendrin statt nur dabei“, bringt Timmerer das Konzept auf den Punkt. Dabei geht es um die Schaffung virtueller Realitäten, etwa im Fußball, wo aus externen Zuschauern welche werden, die das Spiel aus allen Blickwinkeln betrachten können. „Mit dem Ziel, virtuell am Seitenrand oder im Mittelkreis zu stehen und den Spielern hautnah zuzusehen.“ Um das umzusetzen, brauche es eine Vielzahl von Kameras, die Spielszenen erfassen, codieren und übertragen. „Die dafür nötigen Datenraten steigen von 20 oder 40 Mbit für eine Spielübertragung auf Gigabit – und das je Spieler.“

"Noch stecken wir in den Kinderschuhen"

Man stecke bei dieser Technologie noch in den Kinderschuhen, „aber es sollte schon bald möglich sein, Spiel und Spieler von allen Seiten zu betrachten.“ Vorerst bei aufgezeichneten Ereignissen, für Liveerlebnisse wird es länger dauern, bis man die Milliarden von Bildpunkten, die einen einzelnen Spieler wiedergeben, in Echtzeit komprimieren und übertragen kann. „Letztlich kann man dafür eine Science-Fiction -Terminologie verwenden: Es geht Richtung holographischer Inhalte, wie man es aus dem Raumschiff Enterprise kennt.“

"15 Mal mehr Livestream-Volumen"

Bereits jetzt sind rund 60 Prozent aller Internet-Daten, Videos. „Das Datenvolumen für Livestreams wird in den kommenden Jahren um das 15-Fache steigen“, sagt Timmerer. Damit wachsen auch die Herausforderungen: Etwa das Spannungsfeld aus höherer Auflösung und Liveberichterstattung. Die sprunghaft steigende Nutzung von Livestreams während der EM wird somit auch zu einem Treiber für die Forschung: „Livestreams sind weder trivial noch leicht skalierbar – neue Technologien müssen die Probleme lösen und neue Erlebnisse ermöglichen Live ist eben live“, meint Timmerer.