Durch Corona sind die Emissionen zurückgegangen. Kommen Corona und Klima gemeinsam aus der Krise?
SONJA PETERSON:Die Entwicklung ist nicht nachhaltig. Wir müssen die Ziele weiterhin erreichen, nur eben ohne Lockdowns, Konsumreduktionen oder Betriebsschließungen.

Ein Parallelslalom?
Es existieren tatsächlich unschöne Gemeinsamkeiten zwischen Klimakrise und Coronakrise. Bei beiden wird zu kurzfristig gedacht. Bei beiden fehlen Krisenpläne, obwohl nicht nur die Klimaproblematik, sondern auch die Gefahr von Pandemien seit Langem bekannt ist. Bei beiden helfen nationale Maßnahmen alleine nicht. Einen Unterschied gibt es jedoch: Gegen den Klimawandel gibt es keinen Impfstoff. Tiefgreifende Änderungen sind notwendig.

Sonja Peterson (48) ist Klimaökonomin am Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Peterson studierte Wirtschaftsmathematik an der Universität Hamburg und – als Fulbright-Stipendiatin – Volkswirtschaft in den USA
Sonja Peterson (48) ist Klimaökonomin am Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Peterson studierte Wirtschaftsmathematik an der Universität Hamburg und – als Fulbright-Stipendiatin – Volkswirtschaft in den USA © IFW/KK

Wie kann ein nachhaltiger wirtschaftlicher Wiederaufbau nach Corona gelingen?
Konjunkturhilfen für die Wirtschaft sollten gleichzeitig den klimafreundlichen Umbau erleichtern. Obwohl es gerade aus vielen Branchen tönt: „Wir sind eh schon so belastet.“ Eine erneute Abwrackprämie etwa, die erfreulicherweise nicht beschlossen wurde, wäre falsch gewesen. Die Chance, die Coronamittel in umweltfreundliche Technologien zu stecken, darf nicht vertan werden.

Welche meinen Sie konkret?
Viele Investitionen sind hilfreich für Klima, Konjunktur und Jobs: der Ausbau erneuerbarer Energien, die energetische Gebäudesanierung. Oder Investitionen in klimafreundliche Mobilität mit mehr Schienenverkehr, mehr öffentlichem Nahverkehr, mehr E-Ladestationen. Auch Wasserstofftechnologien finde ich sinnvoll.

Welche wirtschaftlichen Lenkungselemente wirken am besten gegen die Erderwärmung?
Ich interessiere mich dafür, wie man mit Kräften des Marktes Emissionen senkt. Die Bepreisung von CO₂ sollte zentraler Baustein sein. Sie lenkt automatisch Investitionen, technologische Entwicklungen und Konsumentscheidungen in emissionssparende Richtungen. Flankierend braucht es Maßnahmen wie Infrastrukturinvestitionen und Förderung von Forschung, Entwicklung und Anwendung emissionssparender Technologien.

Kann man die Bepreisung über das Europäische Emissionshandelssystem hinaus erweitern? Können Preise ökologisch „wahr“ sein?
In Deutschland wurde die CO₂-Bepreisung bereits auf den Transportsektor, in dem die Emissionen zuletzt gestiegen sind, sowie den Wärmesektor ausgeweitet. Das ist jetzt auch für Europa im Gespräch und ein sinnvoller Weg. Was die Wahrheit von Preisen angeht: Wenn man durch einen Emissionshandel ein politisch gesetztes Ziel erreicht, dann bildet sich auf dem Zertifikatemarkt der für dieses Ziel adäquate Preis.

Kann man nicht auch direkt bepreisen?
Es ist auch möglich, eine Steuer auf den CO₂-Gehalt zu setzen. Es muss aber für die Erreichung gesetzter Emissionsziele womöglich nachgeschärft werden. Etwas zu bepreisen hat immer dann Sinn, wenn ein Gut zu exzessiv genutzt wird.

Kann man auch Luft oder Wasser bepreisen?
Wasser ist ein knappes Gut, für das wir bereits zum Teil bezahlen. Aber es gibt Reformbedarf. Bei Luft ergibt es Sinn, wie es auch für CO₂ der Fall ist, den Schadstoffeintrag zu bepreisen.

Ist es im Interesse von Wirtschaft bzw. Unternehmen, Klimaziele einzuhalten?
Die Wirtschaft ist gut beraten, Klimaziele ernst zu nehmen, sonst können Geschäftsmodelle hinfällig werden. Ich nenne hier die deutsche Automobilindustrie. Sie hat die Dekarbonisierung lange nicht allzu ernst genommen, sie beinahe verschlafen. Zwar hat sie dazugelernt, aber spät. Die Politik hat der Sparte durch zögerliche klimapolitische Signale einen Bärendienst erwiesen.

Stichwort Dekarbonisierung, also Umstellung einer Wirtschaftsweise in Richtung weniger Kohlenstoff: Werden einzelne Geschäftsfelder wegbrechen?
Ja, das werden sie. Aber neue werden dazukommen.

Ist Kreislaufwirtschaft eine Vision?
Ein wichtiges Ziel. Die Wegwerfgesellschaft ist überholt. Wir leben auf einem endlichen Planeten.

Welcher Konsument steigt auf ein E-Auto um, wenn der Benziner billiger ist? Wer tauscht die Ölheizung gegen eine Wärmepumpe aus, wenn das Geld fehlt?
Das ist eine Frage der Erwartungshaltung, konkret unserer Preiserwartung für fossile Energie. Hier sind langfristige Ansagen der Politik gefragt, starke politische Signale.

Woran forschen Sie gerade?
In der EU wird aktuell ein CO₂-Grenzausgleich diskutiert. Dabei geht es um eine Bepreisung der CO₂-Gehalte von Importen aus Ländern mit weniger starker Klimapolitik. Das soll eine Abwanderung von CO₂-intensiven Industriezweigen in diese Staaten verhindern. Aktuell beschäftigte ich mich mit der Ausgestaltung eines solchen Mechanismus.