Wie verändert uns die Pandemie auf längere Sicht, was wird anders sein als im vorpandemischen Leben?
AILEEN MOECK: Ich weiß nicht, ob sich so viel ändern wird. Es könnte sein, dass sich die Leute, sobald die Lockdowns vorbei sind, wieder ins Normale stürzen werden. Wir werden aber unseren Tag auch über Corona hinaus neu strukturieren. Viele Leute arbeiten von zu Hause aus. Bliebe es dabei, hätte das Auswirkungen. Dann würden sich die Innenstädte verändern. Ich glaube, wir werden mehr Coworking Spaces und weniger Büros haben, dadurch würde sich das Stadtbild verändern. E-Commerce gefällt uns zwar gut, aber viele Menschen erkennen den Wert von Innenstädten und kleinen Geschäften. Dadurch könnte eine Wiederbelebung von Innenstädten stattfinden.

Unser Arbeits- und Konsumleben ist virtuell geworden. Wird das so bleiben?
Ich glaube schon, dass wir aus vielen positiven Aspekten heraus wieder eine gewisse Zeit in Büros verbringen wollen. Ob es das klassische Büro ist, wie wir es kennen, ist was anderes – eher in eine Art von Space. Einfach, weil sich der Mensch den Austausch und die Resonanz wünscht, sich gerne bei einem Kaffee unterhält. Und das kannst du online nicht haben. Wir werden möglicherweise ein Arbeitsleben mit einem auf zwei, drei Tagen verkürzten, effizienten Homeoffice haben – wo man nicht mehr acht, sondern fünf oder sechs produktive Stunden vor dem Rechner sitzt und mehr Zeit für die Familie und Hobbys hat. Und dann zwei Tage im Büro verbringt. Das gilt aber natürlich nur für die klassische Bürowelt, es gibt viele andere Berufe, die nicht den Luxus haben, Dinge im Homeoffice machen zu können. Wie können die auch teilhaben an der Neugestaltung von Arbeits- und Lebenszeit? Aber der Kern bleibt: Es ist zu hinterfragen, ob wir wirklich acht oder zehn Stunden am Tag arbeiten müssen.

Sie sagten, es werde keine Rückkehr in unser altes Leben geben – und meinten das positiv. Abertausende, die ihren Arbeitsplatz verloren haben, wünschen sich, in ihr altes Leben zurückzukehren.
Das hat etwas mit Resilienz zu tun. Natürlich ist es für ganz viele gerade existenziell schwierig, da sieht man wenig Mut und positive Seiten an der Krise. Es gibt aber Situationen im Leben, in denen die Schicksalsmomente neue Wege für uns eröffnen. Es ist ganz wichtig, dass der Staat die nötigen Instrumente bereitstellt, damit sich die Menschen nicht verloren fühlen.

Viele rufen den Staat um Hilfe, der jetzt eine dominante Rolle einnimmt. Wird das bleiben?
Es zeigt sich ja, dass es ganz gut ist, in der Pandemie nicht nur eine freie Marktwirtschaft zu haben, sondern auch den Staat als eine Art Puffer im Hintergrund. Dass wir das Gesellschaftliche mehr wertschätzen. Vorher fragten sich viele, wieso zahlt man überhaupt Steuern. Jetzt weiß man am Ende des Tages steht eine Institution hinter mir, die mich im Notfall retten würde. Wir sollten viel mehr wertschätzen, welch wertvolle Institution wir im Staat haben. Das ist in Europa nicht selbstverständlich.

Sie nannten Corona ein „Zukunftsbeben“. Was wird eigentlich aus dem Klimawandel?
Die Klimakrise ist ja nicht weg. Im Moment sind die Unternehmen die in einer guten Startposition, die schon vor zwei Jahren ihre Transformation eingeleitet haben – damit meine ich nicht nur die digitale, sondern die Wertetransformation.

Wie wird sich das Reiseverhalten ändern – und was bedeutet das für den Tourismus?
Ganz viele Firmen haben gemerkt, dass viele Reisen total unnötig sind. Viele fordern ja ein Verbot von Inlandsflügen. Vorher dachte man nicht, dass das geht – jetzt freundet man sich damit an. Viele Menschen haben erkannt, dass man in der eigenen Umgebung schön reisen kann. Das Grundbedürfnis weiter wegzufahren, steht im Widerspruch zur Klimakrise. Da braucht es Innovationen wie Elektroflugzeuge. Wir werden Reisen weiter brauchen, um die Globalität verstehen zu können, in der wir leben. Ja, wir schätzen das Regionale und Lokale mehr – gleichzeitig ist das Bedürfnis, die Welt zu erkunden und neue Einflüsse zu bekommen, auch da. Reisen bekommt eine andere Qualität – ob da Massentourismus noch eine Rolle spielen wird, ist fraglich.

Wie schwierig ist es, bei all den negativen Nachrichten mit Zuversicht in die Zukunft zu sehen?
Ich konsumiere gerade wenig Nachrichten, weil ich merke, dass mich das runtergezogen hat. Wir müssen wieder mehr Ruhe reinbringen, diese Flut an Echtzeitnachrichten ist ein Problem. Natürlich ist es wichtig zu zeigen, die Krise existiert. Wir müssen aber auch positive Bilder setzen: Beispiele zeigen, wie es geht.

Viele sprechen von der Generation Corona: Jugendliche, denen die Coronakrise schwer zusetzt. Glauben Sie an deren Comeback?
Corona wird Kinder, die jetzt aufwachsen, prägen. Viele Kinder wachsen damit auf, dass es normal ist, eine Maske zu tragen, Abstand zu halten, niemanden anzufassen und keinen Austausch mit Gleichaltrigen zu haben. Das ist schon ein Problem. Die Frage ist: Können wir das abfangen, damit die Kinder Kinder bleiben können, obwohl sie keine Möglichkeit haben, ihr Kindsein auszuleben? Es gibt keine Balance mehr, keine Hobbys – kein Sport, keine Kunst, keine Partys, keine Klassenfahrten. Die Reibungsfläche, die junge Menschen bräuchten, gibt es nicht.

Was macht das mit Kindern und Jugendlichen?
Es macht sie noch ängstlicher, es macht sie zu jungen Erwachsenen, obwohl sie Teenager sein sollten. Wir müssen schauen, dass wir für sie wieder eine Art Leichtigkeit schaffen.

Werden wir weniger mobil sein?
Wir werden anders mobil sein. Wenn jetzt mehr Menschen aufs Land ziehen, müssen wir den Öffentlichen Verkehr wiederaufbauen, gesperrte Bahnlinien müssen wieder in Betrieb genommen werden. Dafür ist das in der Stadt nicht mehr so ein Thema, weil ich nicht mehr fünf Mal in der Woche ins Büro muss und mir Dinge liefern lasse. In der Stadt gibt es hingegen andere Bedürfnisse, wenn man am Wochenende rauswill.

Mit welchen Gefühlen, Erwartungen, Hoffnungen und Sorgen gehen Sie in die dieser aufgewühlten Zeit in die nächsten Wochen und Monate?
Ich finde es total schön, dass wir endlich einmal einen Diskurs darüber haben, was Arbeit in der Pflege und der Betreuung bedeutet. Dass wir endlich merken, der Mensch ist keine Maschine. Dass wir uns mehr erlauben, schwach und Mensch zu sein. Ich hoffe, dass viel mehr Menschen wieder mehr Lust auf Kunst und Natur bekommen, Themen, denen wir zuvor nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt haben. Gleichzeitig habe ich die Sorge, wie hoch die Verschuldung steigt, wie viele Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren. Sorgen macht mir auch die Polarisierung, das allgemeine Kommunikationsklima - vor allem auf Social Media.