Die in den vergangenen Wochen gesunkene Kurzarbeits-Zahl in Österreich ist zuletzt wieder angestiegen. Aktuell sind 454.171 Personen in Kurzarbeit, gab Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) am Dienstag bekannt. Vor einer Woche waren es lediglich 403.382 Menschen gewesen. Der leichte Anstieg sei zu erwarten gewesen, weil Betriebe noch rückwirkend Verlängerungsanträge stellen können, hieß es.

Bis zur vergangenen Woche hatte sich die Kurzarbeit binnen sieben Tagen fast halbiert. Im Vergleich zum Höhepunkt der Krise beträgt der Rückgang bis zum heutigen Tag immerhin rund 900.000 Personen. Die Nachfrage nach Verlängerung der Kurzarbeit ist nach wie vor nicht sehr hoch, derzeit liegen rund 35.000 Verlängerungsanträge vor. Mehr als ein Drittel der Verlängerungsanträge kommen aus dem Bereich der Warenproduktion, also hauptsächlich der Industrie, und nur noch rund 15 Prozent aus dem Handel; am Höhepunkt der Krise waren die beiden Bereiche etwa gleich stark vertreten.

438.421 Menschen ohne Job

Ohne Job sind in Österreich aktuell 438.421 Menschen, etwas weniger als vorige Woche. Davon sind 390.541 Personen arbeitslos gemeldet, und 47.880 Personen befinden sich in Schulung. Die Arbeitslosenzahlen seien binnen einer Woche um rund 3700 zurückgegangen, damals waren 442.089 Menschen ohne Job vermeldet worden. Gegenüber dem Höhepunkt der Krise sei die Arbeitslosenzahl um rund 146.000 Personen gesunken, so die Ministerin. Eine große Herausforderung sei nach wie vor bei der Jugendbeschäftigung gegeben, aktuell seien 64.370 unter 25-Jährige in Arbeitslosigkeit oder Schulung.

Ministerin Aschbacher im Interview:

Sie werden immer wieder scharf kritisiert – haben Sie sich bereits daran gewöhnt?
CHRISTINE ASCHBACHER: Ich komme aus einem sehr Feedback-orientierten Bereich, der Unternehmensberatung, und bin für konstruktive Kritik sehr dankbar. Mit nicht-konstruktiver Kritik muss man lernen umzugehen.

Nach dem coronabedingten Rekordwert Mitte April sinkt die Arbeitslosigkeit wieder. Wann wird die Kurve wieder ansteigen?
Die Prognosen sind sehr volatil. Die saisonale Arbeitslosigkeit werden wir auch dieses Jahr wieder sehen, zudem gibt es andere Effekte, verursacht durch die Weltwirtschaftskrise. Oberste Priorität bleibt die Gesundheit der Menschen. Aus dem arbeitsmarktpolitischen Dialog wurde mit der Gesundheitskrise ein Trialog.

Wird der Peak mit 588.000 Arbeitslosen den Höchststand 2020 markieren oder fürchten Sie einen stärkeren Anstieg im Winter?
In manchen Branchen treten Effekte zeitverzögert ein, etwa in Teilen der Industrie. Daher kann man Entwicklungen nicht über einen Kamm scheren. Wir werden sehen, wie das Rettungspaket aus den 38 Milliarden Euro wirkt, in dem die Kurzarbeit integriert ist, aber auch, wie die 12 Milliarden an zusätzlichen Investitionen wirken werden.

Wann wird man wieder an den Beschäftigungsrekord vom Februar 2020 anknüpfen können?
Wir haben jetzt 50.000 Menschen mehr in Arbeitslosigkeit als vor der Krise. Prognosen zufolge könnte die Beschäftigung Mitte oder Ende nächsten Jahres auf Vorkrisenniveau zurückkehren. Ich bin da sehr zurückhaltend.

Viele fürchten, die Masken wurden zu früh abgelegt. Das gefährde auch viele Arbeitsplätze.
Von unserem Urinstinkt als Menschen haben wir es nicht gelernt, Abstand einzuhalten, deswegen fällt uns das auch so schwer. Wir tun alles, um mit dem Virus so gut wie möglich in einem „neuen Normal“ weiterarbeiten zu können.

Wie ist der Stand der Verhandlungen zur Kurzarbeit für die Zeit ab dem Herbst?
Wir sind in intensiven Verhandlungen mit den Sozialpartnern. Es geht um ein Modell, das unterstützt, wo es notwendig ist.

Soll die Kurzarbeit branchenspezifisch begrenzt werden?
Ich sehe eine Eingrenzung auf Branchen als sehr herausfordernd. Kurzarbeit sollte für alle, auch egal welcher Größe, möglich sein. Die Hälfte der Betriebe, die in Kurzarbeit ist, hat weniger als zehn Mitarbeiter.

Was soll sich dann ändern?
Es ist wichtig, genau hinzuschauen. Wir dulden keinen Missbrauch. Es gibt keine Möglichkeit, Kurzarbeit in Anspruch zu nehmen, wenn es nicht notwendig ist.

Missbrauch liegt schon dann vor, wenn ich Kurzarbeitshilfen ohne dringende Notwendigkeit in Anspruch nehme?
Wir handeln mit Steuergeld, Kurzarbeit sollte daher treffsicher sein. Es war zu Beginn der Krise wichtig, schnell zu unterstützen. Wir merken nun, die Unternehmen waren sehr vorsichtig: Sie haben bis zu doppelt so viele Ausfallstunden bewilligt bekommen, wie sie tatsächlich in Anspruch nehmen – nur die tatsächlich in Anspruch genommenen Ausfallstunden werden auch ausbezahlt.

Woran wollen Sie Treffsicherheit konkret festmachen?
Wir wollen helfen, wo Umsatzeinbußen aufgrund wirtschaftlicher Betroffenheit nachvollziehbar sind.

Ändern sich auch die Rahmenbedingungen für Kurzarbeit?
Wir möchten, dass es so unbürokratisch wie möglich ist. Wir wollen die Kurzarbeit mit Weiterbildungsmaßnahmen verknüpfen, damit wenig ausgelastete Unternehmen die Zeit zur Weiterbildung und Schulung der Mitarbeiter nutzen können.

Ende August läuft die Kurzarbeit für Unternehmen aus, die schon mit 1. März gestartet sind. Wann wollen Sie denn fertig sein?
Wir arbeiten auf Hochtouren, damit es für die Unternehmen Planungssicherheit gibt.

Wie nehmen Unternehmen den Lehrlingsbonus der Regierung seit 1. Juli in Anspruch?
Aktuell ist dieser für über 600 Lehrstellen beantragt worden.

Wird das AMS-Personal angesichts der stark steigenden Aufgaben aufgestockt?
Das AMS-Personal hat Herausragendes geleistet ...

... trotzdem werden Arbeitsplätze gekürzt.
Nein, wir haben die letztes Jahr beschlossene Kürzung von 150 Mitarbeitern gestoppt. In Höchstzeiten hatten wir in der Krise über 600 externe Arbeitskräfte zur Unterstützung, jetzt sind es über 400.

Soll der Personalstand des AMS dauerhaft angehoben werden?
Wir schauen uns das gerade an. Das AMS ist versorgungskritisch – das gilt auch für die teilweise 20 Jahre alte IT, die in dieser Krise an ihre Grenzen gekommen ist.

Soll die Arbeitszeit gekürzt werden, wie es SPÖ und ÖGB fordern?
Die Arbeitszeit wird in den Kollektivverträgen vereinbart, das können die Sozialpartner in den einzelnen Branchen verhandeln. Man kann über alles sprechen. Es ist dennoch nicht die richtige Zeit für eine Arbeitszeit-Debatte.

Unternehmer klagen, sie finden im Tourismus keine Mitarbeiter. Sind die Zumutbarkeitsbestimmungen zu locker?
Gerade beim Tourismus ist mein Appell, dass Jugendliche, die keine Betreuungspflichten haben und noch stark verwurzelt sind, in die Betriebe gehen.

Es bleibt beim Appell?
Es gibt international gesehen Länder, die strengere Vorschriften haben. Wir wollen Anreize setzen, um Menschen in Beschäftigung zu bringen.