Die Coronavirus-Pandemie bringt Österreich einen historischen Einbruch der Wirtschaft, ein ebenso historisch hohes Budgetdefizit und auch historisch hohe Arbeitslosenzahlen. Das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) prognostiziert für heuer einen Einbruch der Wirtschaft von 5,25 Prozent bis 7,5 Prozent. Das Budgetdefizit wird sich demnach auf 7,5 bis 10 Prozent belaufen.

Die Arbeitslosenquote soll auf 8,75 bis 9,1 Prozent steigen. Die Zahl der Beschäftigten geht 2020 um 1,75 bis 2,5 Prozent zurück, so Wifo-Leiter Christoph Badelt und -Prognosechef Josef Baumgartner am Donnerstag im Zuge der neuesten Langfristprognose ihres Instituts. Die höheren Einbrüche beschreiben jeweils ein besonders pessimistisches Szenario mit einem besonders starken Rückgang der internationalen Konjunktur.

Für am wahrscheinlichsten hält das Wifo einen BIP-Rückgang von mehr als 5,0 Prozent. Damit würde der Einbruch wegen der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2009 (minus 3,8 Prozent) deutlich übertroffen werden. Das bis jetzt höchste Budgetdefizit in den bisherigen Aufzeichnungen seit 1954 hatte es im Jahr des EU-Beitritts Österreichs 1995 gegeben. Damals betrug es 6,1 Prozent.

Langsame Erholung

Auch nach dem historischen Wirtschaftseinbruch im heurigen Jahr wird es wohl deutlich langsamer aufwärtsgehen als erhofft. Denn in den Jahren 2022 bis 2024 verlangsamt sich das Wirtschaftswachstum laut der neuesten Wifo-Langfristprognose auf 1,5 Prozent - im wahrscheinlichsten Szenario. Nächstes Jahr wird mit einem realen Plus von 3,5 Prozent gerechnet. Dann flacht die Wachstumskurve wieder ab.

2022 wird nur ein reales Wachstum von 1,9 Prozent gesehen, im Jahr darauf von 1,7 Prozent und 2024 von 1,9 Prozent. Das macht von 2019 bis 2024 lediglich ein reales Wachstum von 0,6 Prozent.

Das Budgetdefizit nach Maastricht-Definition sollte sich ab 2021 etwas einbremsen. Das Wifo sieht für nächstes Jahr ein Minus von 3,3 Prozent, für 2022 eines von 2,3 Prozent, für 2023 -1,7 Prozent und für 2024 immer noch ein Defizit von 1,2 Prozent. So ergäbe sich im Durchschnitt von 2019 bis 2024 ein Minus von 3,2 Prozent.

Im heurigen zweiten Quartal wird jedenfalls mit einer globalen Rezession in noch nie dagewesener Größe und Synchronität gerechnet. Wenigstens sollte die wirtschaftliche Aktivität aber hierzulande dank der gewissen Lockerungen nach vier Wochen des Stillstands wieder etwas an Fahrt aufnehmen, so ein kleiner vom Wifo prognostizierter Silberstreif am Konjunkturhorizont.

Vermögensorientierung im Steuersystem

Was die Forderung nach Vermögenssteuern zur Finanzierung der Krisenfolgen angeht, zeigte sich Wifo-Chef Christoph Badelt zwar nicht grundsätzlich abgeneigt, plädierte aber für eine "gesamthafte Lösung". Diese müsse sowohl eine Entlastung der Abgaben auf Arbeit enthalten als auch eine stärkere Ökologisierung und eine stärkere Vermögensorientierung des Steuersystems: "Wir halten nichts davon, jetzt punktuell irgendein steuerpolitisches Instrument herauszugreifen und zu sagen, das machen wir dann."

Badelt empfiehlt der Regierung einen "Kassasturz" nach dem Auslaufen der aktuellen Krisenhilfen. Dann müsse geprüft werden, wie die aktuelle Situation mit den sonstigen wirtschaftspolitischen Zielen der Regierung - Stichwort: Steuerreform und Klimapolitik - verbunden werden könne. Ein möglicher Zeitpunkt dafür wäre der Herbst: "Wenn es gut geht, vom medizinischen her, im September, Oktober."

Verschuldung kein Problem

Bei der Staatsverschuldung sieht Badelt trotz des erwarteten Anstiegs "kein Problem in Sicht". Er verwies aber auf gute Ausgangslage und niedrige Zinsen: "Dem österreichischen Staat passiert zu nächst einmal gar nichts, selbst wenn es 90 Prozent wäre."

Die Forderung, Kosten der Wirtschaftskrise durch eine einmalige Vermögensabgabe zu finanzieren war zuletzt von der globalisierungskritischen Organisation Attac gekommen. Aber auch der Internationale Währungsfonds brachte höhere Vermögenssteuern sowie Solidarabgaben für Bezieher höherer Einkommen ins Spiel.

Klimaschutz nicht vernachlässigen

Wifo-Chef Badelt warnt die Politik davor, wegen der Coronakrise den Klimaschutz zu vernachlässigen. Natürlich habe die Pandemie das Klimathema in der Medienpräsenz verdrängt, sagte Badelt auf Nachfragen bei einer Pressekonferenz am Donnerstag. "Aber ich glaube nicht, dass wir den Kopf in den Sand stecken und so tun können, als ob es das Klimaproblem nicht gäbe."

Der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) hatte sich zuletzt dafür ausgesprochen, das Regierungsprogramm neu zu verhandeln und durchblicken lassen, dass weniger Augenmerk auf den Klimaschutz gelegt werden könnte: "Natürlich werden ökologische Fragen weiterhin dazu gehören, aber es wird Verschiebungen geben."

Badelt wollte die Frage einer allfälligen Neuverhandlung des Regierungsprogramms nicht unmittelbar kommentieren. Das Klimaproblem sei jedoch auch aus ökonomischer Sicht ein sehr großes. Nur, weil es nun in den Hintergrund getreten sei, "ist es um kein Stück kleiner geworden". Der Wifo-Chef plädiert daher dafür, sämtliche staatlichen Interventionen in Zukunft auch unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes zu treffen. Das gelte sowohl für finanzielle Ausgaben als auch für die geplante Steuerreform. Denn diese sei im Rahmen eines Gesamtmaßnahmenbündels zur Lösung des Klimaproblems ein "wichtiger Puzzlestein".

Maßnahmen richtig

Badelt hat die wirtschaftspolitischen Maßnahmen in der Coronakrise zwar als "prinzipiell richtig" bezeichnet. "Sie haben die Krise abgemildert. Sonst gäbe es sicher eine totale Katastrophe", so der Ökonom. "Für die Zukunft ist aber ein Nachschärfen bei einigen Maßnahmen notwendig - vor allem in der Praxis der Umsetzung", sagte er am Donnerstag bei einer digitalen Pressekonferenz.

Freilich sei es "immer schwierig, wenn man über Nacht ein Paket schnürt", daher gebe es auch "ein paar Lücken". Diese ortet der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) etwa bei jungen und kleineren Unternehmen. Denn diese würden zum Teil durch die Eigenkapitalrestriktion im Notfallfonds von 8 Prozent, die für gewisse Hilfen notwendig ist, von diesen überlebensnotwendigen Hilfen ausgeschlossen: "Obwohl sie an sich lebensfähig sind und die Hilfen brauchen", so Badelt. Firmen in den ersten Jahren haben oft negatives Eigenkapital. "Sie kommen nicht an den Notfallfonds heran."

Zudem könnten die Zahlungen aus dem Härtefallfonds "womöglich zu kurz und zu niedrig ausfallen". Möglich sind zwei Mal drei Monate. "Ich glaube nicht, dass beispielsweise ein freiberuflicher Physiotherapeut mit 2.000 Euro seine Kosten decken und davon auch noch leben kann."

EPU vor Problemen

"Wir rechnen auch damit, dass bei Einpersonenunternehmen noch größere Schwierigkeiten auftauchen werden", warnte der Wirtschaftsforscher. Das gelte vor allem wenn diese im Veranstaltungsbereich tätig seien, der noch länger nicht laufen werde.

Richtig sei es, jetzt Hilfen primär auf die Liquidität abzustellen. "Aber nach der Liquidität kommen wahrscheinlich Probleme bei der Eigenkapitalbasis der Unternehmen." Das gelte vor allem für kleinere Firmen.

Das Thema Eigenkapital werde eines der größten volkswirtschaftlichen Probleme werden, wenn die Coronakrise vorbei ist. "Bei größeren wird sich auch die Frage nach Staatsbeteiligungen stellen", so Badelt. Solche sollte man pragmatisch und nicht ideologisch sehen und auch eingehen. Einige Jahre solle der Staat in Unternehmen einsteigen, wo dies notwendig sei um sich danach am besten mit einem Gewinn wieder aus ihnen zu verabschieden.

Tourismus erholt sich nur langsam

Beispielsweise die Mehrwertsteuer zu senken, um mehr Konsum im Tourismus oder in der Gastronomie zu generieren, davon hält Badelt nichts. Für den Tourismus zeichnete Wifo-Prognosechef Baumgartner allerdings ein dunkles Bild. Nach dem derzeitigen Totalausfall werde es nur eine langsame Erholung geben. Manche Hotels dürften im Sommer wegen fehlender Ausländer gar nicht aufsperren, sagte er. Zwar werde der inländische Tourismus wohl aktiviert werden. Niemals könne man damit aber an ein touristisches Normaljahr herankommen. Besonders hart dürfte es für längere Zeit den Städtetourismus erwischen.

Der Tourismus sorgte in Österreich zuletzt für rund 16 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Daran wird man zumindest heuer bei weitem nicht herankommen.