Das Coronavirus gefährdet weltweit Logistikketten und damit auch Österreichs Exportwirtschaft. Wie bedrohlich ist die Lage für die Wirtschaft?
HARALD MAHRER: Eine gewisse Abkühlungsgefahr für die gesamte Weltwirtschaft ist da, die konjunkturelle Abkühlung könnte sich somit verstärken. Das Ausmaß ist schwer einschätzbar. Umso wichtiger ist, dass die Exportwirtschaft bunt und breit auf den Märkten aufgestellt sind.

China ist schließlich ein Dreh- und Angelpunkt des Welthandels.
Man wird sich sehr ruhig ansehen, wie sich das Thema entwickelt. Wir haben einen eigenen Stab, der das beobachtet, so wie beim Brexit. Wir verbreiten keine Panik.

Wie sehr kann sich die Lage für die Wirtschaft noch zuspitzen?
Es gibt in der Wirtschaft immer Effekte, die nicht planbar sind – sogenannte schwarze Schwäne. Wenn es in der Logistikkette Folgeeffekte gibt, dann spannen wir unsere Büros zusammen und unterstützen die Betriebe bei Alternativen.

Das Coronavirus als Chance für den Aufbau neuer Logistikketten abseits Chinas?
Natürlich bieten Krisen auch immer Chancen, wir werden versuchen, die Betroffenheit für unsere Betriebe gering zu halten und Chancen zu nützen.

Stichwort Brexit: Ist ein umfassender Handelsvertrag mit Großbritannien bis Ende des Jahres überhaupt noch machbar?
Wo ein Wille, da ein Weg. Die Politik muss da Gas geben. Es ist nicht Zeit Rache zu üben oder sich gegenseitig auszuspielen.

Aber beide Seiten pokern hoch.
Beim Poker gewinnt ja immer nur einer, wir brauchen einen Vertrag, wo beide gewinnen – und dafür eine andere Herangehensweise.

Im Regierungsprogramm finden sich zu Klimaschutz und CO2-Thematik viele Überschriften – wo die Reise wirklich hingeht, erschließt sich Unternehmern nicht.
Es ist gelungen festzuhalten, dass man den verstärkten Klima- und Umweltschutz als Chance nutzen will. Das ist vollkommen neu in Europa, daher schauen jetzt alle in Europa nach Österreich. Wir haben da eine tonangebende Rolle.

Die Unsicherheit in den Betrieben ist dennoch spürbar.
Sie wollen Rechts-, Planungs- und Investitionssicherheit. Die Steuerreform-Task Force wird Dinge festzurren, die 10, 15 Jahre halten werden. Es wäre nichts schlimmer, als würden wir herumpfuschen und uns auf irgendeine schnelle Mikrolösung einigen.

Sie mahnen zur Geduld?
Die braucht man unbedingt. Österreich ist bei Klima- und Umwelttechnologie Vorreiter. Wir haben ein großes Geschäftspotenzial und wollen keine Jobs gefährden, sondern Jobs schaffen.

Wie lange sollen sich die Task-Forces Zeit nehmen?
Wir brauchen ein, eineinhalb Jahre um ein paar unterschiedliche Modelle zu haben und diese dann zu bewerten. Wir wollen niemanden zum Umstieg zwingen, der keinen Einfluss darauf hat, sein Verhalten zu ändern – also wenn es etwa keine Alternative zum Auto oder zur Gasheizung gibt.

Trotzdem will die Regierung das Pendlerpauschale bereits „abschmelzen“.
Nein, hier wird ökologisiert und treffsicherer gemacht. Wo ich keine Frequenz, Taktung und Dichte einer öffentlichen Anbindung habe, kann ich niemanden bestrafen. Das wäre purer Zynismus.

Ist für Sie vorstellbar, das sogenannte Dieselprivileg bleibt?
76 Prozent des gesamten Lkw-Verkehrs ist Transit durch Österreich. Es ist legitim zu diskutieren, wie man den Tanktourismus bekämpfen kann. Das ist die eigentliche Frage.

Ist es ein Makel aus der Sicht des Unternehmers Harald Mahrer, dass die Regierung keine Gegenfinanzierung zu den versprochenen Entlastungen vorlegt?
Ich weiß als ehemaliger Regierungskoordinator wie groß der Topf ist, wenn man die kalte Progression nicht abschafft. Diesen Spielraum hat der Finanzminister.

Die kalte Progression finanziert die versprochenen Entlastungen?
Richtig. Wir werden zudem frisches Geld für die Systemumstellung brauchen, dazu brauchen wir auch privates Geld. Daher ist es notwendig, eine neue grüne Anlageklasse zu schaffen, PPP-Finanzierungsmodelle (Public Private Partnership, Anmerkung), die von der Kapitalertragssteuer befreit sind. Auch, damit alle nicht nur in Immobilien – also Betongold - investieren.

Die Senkung der Körperschaftssteuer von 25 auf 21 Prozent ist noch immer nicht terminisiert.
Im Laufe des Jahres wird man sagen, wie der nächste Entlastungsschritt ausschaut. Ich rechne damit, dass es 2022 oder danach sein wird. Wichtig ist, dass alle von den Entlastungen profitieren. Mich ärgert diese Lügenkampagne, die verbreitet wird, die KöST-Senkung komme ausschließlich Großkonzernen und Milliardären zugute – dabei sind der ganz große Teil der GmbHs Klein- und Mittelbetriebe.

Dürfen Sie in Zeiten vieler EPUs und Start-ups überhaupt damit rechnen, dass sich das Wahlergebnis des Wirtschaftsbundes bei der WK-Wahl in gewohnt hohen Sphären abspielt?
Wir haben österreichweit so viele Kandidaten wie noch nie –knapp über 13.000, alle anderen Mitbewerber kommen zusammen auf nicht einmal die Hälfte. Unser Wahlziel sind „alle Neune“, also eine klare Mehrheit in allen Bundesländern.

Der neue Koalitionspartner der ÖVP wird von Ihrer Anhängerschaft goutiert?
Wir haben nicht auf die Grünen warten müssen, um Klima- und Umweltschutz als geschäftliches Thema gut zu nutzen. Man gibt dieser Regierung Vorschusslorbeeren, aber die Erwartungshaltungen sind natürlich da. Die ersten Anzeichen sind gute, es fallen schnelle Beschlüsse.

Den Start von Türkis-Grün haben Sie nicht als holprig erlebt?
Überhaupt nicht. Ich bin froh, dass man nach einem dreiviertel Jahr der Verwaltung jetzt mit der Gestaltung begonnen hat.

Sie wollen mit den Außenwirtschaftscentern neue Märkte bearbeiten, dafür Büros zusperren. Welche neuen Schwerpunkte will die Wirtschaftskammer setzen?
Es gibt keinen magischen Bankomaten, wir müssen daher mit dem Geld der Unternehmer unternehmerisch umgehen. Wenn wir in neue Märkte gehen, müssen wir Kapazitäten verschieben. Wo wir überproportional stark sind, reduzieren wir – etwa in Frankfurt oder Straßburg haben wir zugemacht, Lemberg und Tripolis werden heuer folgen. Dafür haben wir im letzten Jahr in Saigon eröffnet, Rangun (Myanmar, Anmerkung) wird folgen. Wir müssen am Anfang säen, damit unsere Betriebe abernten können. Für den Zentralkaukasus werden in Aserbaidschan oder Usbekistan ein neues Außenwirtschaftscenter eröffnen.

Und im boomenden Afrika?
Wir evaluieren gerade, ob wir zur Niederlassung in Nairobi eine in Äthiopien/Addis Abeba aufmachen, in Westafrika schauen wir, wo wir noch hingehen.