Vor ein paar Tagen hat Gernot Blümel Sie besucht. So schnell war noch kein neuer Finanzminister in der Wiener Börse, oder?
Christoph Boschan: Endlich hat sich seit x-Jahren ein Minister hingestellt und ganz klar gesagt, diese Regierung will, dass breitere Bevölkerungskreise am Kapitalmarkt teilnehmen.

Kennt er sich schon etwas aus?
Ja. Und er hat eine gesunde Einstellung dazu, welche Fragen man stellen muss.

Gehen diese Teile des Regierungsprogramms auf ihr Konto?
Unser Zehn-Punkte-Programm habe ich doch Jahre mantraartig vor mir hergetragen. Was da drin steht, kann jeder kennen. Ich bin nur heilfroh, dass jetzt beide Seiten der Medaille bedient werden, auch die Finanzbildung. Wenn Du nur Steuerincentives gibst, sorry, dann ist das bloß ein Geschenk für die, die eh Aktien besitzen. Ohne Finanzbildung geht es nicht.

Wie kommt man hier relativ schnell zu Erfolgen?
Das muss einmal systematisch in den Lehrplänen ausgerollt werden. Und dann würde ich mich auch ganz anders, eher abstrakt nähern. Ein Lernziel könnte sein, Chancen und Risiken realistisch abwägen zu können. Das kann jeder für sich tun.

Warum soll man das machen?
Ich würde gern die Leute wachrütteln, dass Sie eben nicht nur Konsumenten sind. Wer nachts um fünf Uhr vor dem Apple Store für ein neues IPhone ansteht, könnte auch für sich die Transferleistung hinkriegen, dass man Teilhaber eines solchen Produzenten sein kann. Ich verhehle aber auch nicht die Risiken in der derzeitigen Situation.

Weil es generell nicht so einfach ist? Oder weil der Markt etwa in den USA im Moment so aufgeheizt ist, dass erst vor wenigen Tagen der ehemalige Nobelpreisträger Robert Shiller vor einem möglichen Crash gewarnt hat?
Zur bisherigen Prognosefähigkeit eines Herrn Shiller: Gratulation zum Nobelpreis, aber sonst phänomenal daneben. Wie viele andere. Das ist das Phantastische am Aktienmarkt, der ist der große Gleichmacher, wie die Amis sagen, weil er alles in Zahlen ausdrückt. Dass man sogar Krisenapologeten noch zuhört, deren eigene Fonds heißen müssten außer Spesen nichts gewesen, das regt mich voll auf. Zwischen den beiden Extremen Boom oder Crash gibt es leider wenig Börsewahrnehmung. Das hält auch die Mehrheit vom Investieren ab.

Welche Risiken meinten Sie dann eben?
In Zeiten wie diesen geht der Satz leicht über die Lippen „Investieren in Aktien ist der neue Zins“. Aber die 20 Prozent Plus beim ATX im Vorjahr, die kriegt eben der, der schon länger dabei war. Im Schnitt liegt die Jahresrendite bei sieben Prozent im Jahr bei angemessenem Risiko. Es muss in die Köpfe: Investieren, nicht spekulieren. Wer ernten will, sollte zehn, 15 Jahre vorher gut gestreut säen.

Aktienkäufer sollen von der Kapitalertragsteuer befreit werden, wenn sie ihre Aktien länger behalten. Von bis zu fünf Jahren ist die Rede. Das ist extrem lang. Sind Sie für ein Jahr?
Ja, darauf sollte man sich kaprizieren. Man muss bei der Lebensrealität der Menschen bleiben. Der gewollte Effekt, ruhige Hände zu bevorteilen, ist bei längerer Dauer kaum größer.

Wie beurteilen Sie den Hype bei Green Investments?
Das ist grundsätzlich ein Thema, das nicht mehr weg geht. Ich rate allen, sich damit intensiv auseinanderzusetzen. Im Moment stehen mir vermeintliche Überrenditen viel zu viel im Vordergrund, von den entsprechenden Risiken liest man wenig. Ein großes Problem liegt in der Festlegung der Kriterien, hier ist noch alles im Fluss, nichts fix. Die völlige Steuerbefreiung für grüne Investitionen, auf die sich die neue Regierung festgelegt hat, sehe ich überhaupt als riesige handwerkliche Herausforderung. Ich anerkenne das Ziel. Die Umsetzung, die konkrete Kriterienfindung, ist alles andere als einfach. Grundsätzlich gut finde ich, dass sich auch die linksliberale Seite bei der Transition in die CO2-neutrale Welt normaler Marktmechanismen bedienen möchte. Ich glaube, dass das im linken Lager noch zu gigantischen Spannungen führen wird

Gernot Blümel hat die deutschen Pläne zur einer Finanztransaktionssteuer quasi planiert. Was soll jetzt kommen?
Diese Idee des deutschen Finanzministers Olaf Scholz kam mir vor, wie die Aggressivität einer aussterbenden Spezies. Diese Steuer wird immer noch als Vehikel geführt, die Finanzkrise von 2008 zu bezahlen, obwohl die gar nichts mit der Börse zu tun hatte. Deshalb: Zuklappen, weg. Vielleicht kriegt ja auch einmal jemand mit, dass mit London gerade der größte Offshore-Markt vor den Toren Europas entsteht. Deshalb brauchen wir auf europäischer Ebene auch schnell ein großes Rechtsbereinigungsprogramm. Im Moment nährt die Regulierung die Regulierung. Das wird auch nicht besser mit einem kleinen Review hier und da. Wir brauchen einen konzertierten Aufschlag, wenn wir nicht massive Wettbewerbsnachteile haben wollen.