Frühjahr 1981, Flughafen Graz-Talerhof. Ein Hubschrauber steigt zu einem Rundflug in die Lüfte. An Bord: Der damalige Generaldirektor der – noch verstaatlichten – Voestalpine und der Boss des US-amerikanischen Elektronikkonzerns American Micro Systems (AMI). Es geht nicht darum, die beschauliche steirische Landschaft von oben zu genießen, die Mission des Helikopterflugs ist die Suche nach einem Firmenstandort für ein gemeinsames Mikroelektronik-Joint-Venture. Nur unweit des Flughafens soll der US-Manager plötzlich ausgerufen haben: „I want to have that castle“, also „ich will dieses Schloss haben“.

Schloss Premstätten
Schloss Premstätten © (c) Jürgen Fuchs (Jürgen Fuchs)

Gemeint war das Schloss Premstätten, das sich damals keineswegs so malerisch präsentierte wie heute. Auf den Wunsch folgen trotzdem Taten, 1983 wird im Süden von Graz das erste österreichische Halbleiterwerk eröffnet.

Vier Jahre später verabschiedet sich die AMI aus dem Joint Venture. Es folgen bewegte Jahre, ein Höhepunkt: 1993 wagt ams – damals noch unter dem Namen „austriamicrosystems“ – als erstes Halbleiterunternehmen in Europa den Schritt an die Börse, damit geht auch die Voestalpine von Bord. Bei der Weltraummission „Deep Space 2“ der Nasa wird zur Energieversorgung der Raumsonde auf Chips gesetzt, die ams gemeinsam mit Boeing entwickelt. 2004 folgt der Börsengang in der Schweiz. Riesenwachstum, eine Wirtschaftskrise mit anschließender Kurzarbeit, Großakquisitionen – auch die folgenden Jahre waren von Höhen und Tiefen geprägt.

Eine Konstante beim Spezialisten für Sensor- und Chiptechnologie bleibt bis heute indes das Schloss Premstätten, dessen Geschichte bis in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts zurückreicht und das Anfang der 1980er-Jahre das Herz des US-Managers im Flug eroberte.

4,5 Milliarden Euro schwere Übernahme

Mehr als 38 Jahre später hat sich in Premstätten eine außergewöhnliche, honorige Runde an führenden Köpfen des Unternehmens eingefunden. Zwei Vorstandsmitglieder sind da, dazu Spezialisten für die jeweiligen, mittlerweile sehr diversen, Stärkefelder der ams AG. Sie zeigen komplexe Sensorlösungen, die bei Smartphones, Kopfhörern, Autos oder in der Medizintechnik eingesetzt werden.

Auf der anderen Seite des großen Tisches sitzen zahlreiche Journalisten, darunter einige von führenden deutschen Medienhäusern. Die Runde illustriert unmissverständlich: Selbst für ein Unternehmen mit derart turbulenter Historie ist das, was sich in den vergangenen Wochen rund um die ams AG abspielte – und noch immer abspielt –, mehr als nur bemerkenswert.

Die internationale Wahrnehmung des Konzerns ändert sich am 15. Juli des heurigen Jahres. An diesem Tag wird öffentlich bekannt, dass der steirische Sensorspezialist den traditionsreichen deutschen Beleuchtungsprofi Osram, ausgestattet mit nicht weniger bewegter, bis in die Anfänge des 20. Jahrhunderts zurückreichender Geschichte und akuten ökonomischen Schwierigkeiten, kaufen will. Die Reaktionen auf das Übernahmeangebot fallen verhalten aus, vielerorts wird es belächelt und als Übermut abgetan. Immerhin ist Osram deutlich größer, in der breiteren Öffentlichkeit wesentlich bekannter, und setzt alljährlich mehr als das Doppelte der ams AG um. Außerdem traut den Steirern kaum jemand zu, die knapp 4,5 Milliarden Euro schwere Übernahme finanziell zu stemmen.

Gewerkschaft und Hedgefonds als Herausforderung

Doch die ams AG hat längst der Ehrgeiz gepackt. Mit einem Bankenkonsortium wird die Finanzierung aufgestellt. Beseelt davon, einen „europäischen Champion“ in der Lichtsensorik zu schaffen, wie ams-Boss Alexander Everke immer wieder betont, erhöhen die Steirer den Druck. Zum Unmut der Gewerkschaft IG Metall, die sich früh als lautstarker Gegenspieler positioniert und neben Sorgen um Arbeitsplätze auch stets Skepsis über die gänzlich fremdkapitalfinanzierten Übernahmepläne artikuliert.

Im Oktober müssen Everke & Co. schließlich einen Rückschlag hinnehmen. Der erste Versuch scheitert, die Übernahmeschwelle von 62,5 Prozent der Papiere wird mit 51,6 Prozent klar unterschritten.

Nicht viel später macht ein juristischer Kniff aber den zweiten Anlauf möglich, dessen Angebotsfrist am 5 Dezember, Schlag Mitternacht, endet. Und wieder droht Ungemach. Die Übernahme, so hieß es, könnte nun am Engagement von Hedgefonds scheitern. Diese sollen mittlerweile 35 bis 45 Prozent der Osram-Aktien halten. Wohl mit dem Ziel, „diese erst zu einem späteren Zeitpunkt und zu einem höheren Preis anzudienen“, wie nicht zuletzt Osram-Chef Olaf Berlien vermutet.

Mittlerweile wissen wir: Es kam anders und die ams AG - heuer werden die wachstumsstarken Steirer erstmals mehr als zwei Milliarden US-Dollar umsetzen - holte sich tatsächlich die Mehrheit am deutschen Industriegiganten. Die bewegte Historie ließ diesbezügliche Standhaftigkeit vermuten. Und war im Jahr 1981 noch ein Schloss das Objekt der unbedingten Begierde, galt nun: "I want to have that company“.