Der Gegenwind für das Bayer-Management nimmt zu. Seit der 63 Milliarden Dollar (56 Milliarden Euro) schweren Übernahme des US-Saatgutriesen Monsanto im vergangenen Sommer hat Bayer gut 37 Milliarden Euro an Börsenwert verloren.

In den USA sieht sich das Unternehmen mit mehr als 11.200 Klägern wegen des von Monsanto entwickelten Unkrautvernichters Glyphosat konfrontiert.In zwei Fällen wurde der Konzern bereits zu millionenschweren Schadenersatzzahlungen verurteilt. Nun könnte Vorstandschef Werner Baumann einen Denkzettel bekommen.

"Größter und schnellster Wertvernichter"

Zur Hauptversammlung in Bonn liegen mehrere Anträge vor, gegen die Entlastung der Vorstandsmitglieder zu stimmen. Auch die beiden einflussreichen Stimmrechtsberater ISS und Glass Lewis empfehlen den Aktionären, den Vorstand nicht zu entlasten - unter anderem, weil das Management die mit dem Monsanto-Kauf verbundenen Rechtsrisiken unterschätzt habe. Glass Lewis rät sogar dazu, dem Aufsichtsrat die Entlastung zu verweigern. Das Kontrollgremium steht geschlossen hinter dem Vorstand und der Übernahme, Aufsichtsratschef Werner Wenning gilt gar als einer der Drahtzieher des Zukaufs.

Für den Corporate-Governance-Experten und früheren DWS-Chef Christian Strenger ist klar: "Nachdem der nach über zweijähriger Schwangerschaft endlich abgeschlossene Monsanto-Deal binnen drei Monaten zum größten und schnellsten Wertvernichter der Dax-Geschichte wurde, ist es schon kühn, dass der Vorstand seine eigene Entlastung für das Desasterjahr 2018 empfiehlt." Auch er beantragt, dem Vorstand die Entlastung zu verweigern.

"Vermögens- und Reputationsschäden"

Zudem geht einer der Top-Investoren mit der Konzernführung hart ins Gericht: "Wenn eine Übernahme in einem so kurzen Zeitraum solche Vermögens- und Reputationsschäden verursacht, ist das schon drastisch", sagt Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance bei dem Sparkassen-Fondshaus Deka, zu Reuters. "Da kann man nicht mehr von einer erfolgreichen Akquisition sprechen." Die Deka ist der zweitgrößte deutsche Einzelinvestor bei Bayer nach der Fondsgesellschaft DWS und steht nach eigenen Angaben auf Platz zehn der größten Aktionäre.

Gegen die Stimmrechtsberater ISS und Glass Lewis geht Bayer auf der Internetseite zur Hauptversammlung in die Offensive. Der Aufsichtsrats- und der Vorstandschef argumentieren in einem gemeinsamen Schreiben an die Eigner, der Vorstand sei seinen Aufgaben und Pflichten in vollem Umfang gerecht geworden. Wenning und Baumann führen ein von Bayer in Auftrag gegebenes Gutachten der internationalen Rechtsanwaltskanzlei Linklaters an, das diese Einschätzung bestätigt: Die Vorstandsmitglieder hätten bei der Monsanto-Übernahme ihre aktienrechtlichen Pflichten in jeder Hinsicht eingehalten. "Dies gilt insbesondere für den Umgang mit den Haftungsrisiken aus dem Glyphosatgeschäft von Monsanto", schreibt das Düsseldorfer Linklaters-Büro.

Rechtliche Folgen hat die Entlastung nicht

Normal sind bei Hauptversammlungen bei den Abstimmungen über die Entlastung des Vorstands Ergebnisse von mehr als 90 Prozent. Rechtliche Folgen hat die Entlastung nicht. Die Voten gelten aber als Indikator dafür, wie viel Vertrauen die Aktionäre in Aufsichtsrat und Vorstand haben. Bei der Deutschen Bank waren die Resultate vor einigen Jahren so verheerend, dass die beiden damaligen Co-Chefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen kurze Zeit später ihren Rückzug ankündigten.

Um Bayer schlagkräftiger und profitabler zu machen, hatte Bayer-Chef Baumann dem Konzern Ende vergangenen Jahres ein massives Sparprogramm verordnet. Bis Ende 2021 sollen rund 12.000 der weltweit gut 118.000 Stellen abgebaut werden. Bayer will sich zudem vom Geschäft mit Tier-Medizin sowie Marken im Bereich Sonnenschutz und Fußpflege trennen. Der Anteil am Chemiepark-Betreiber Currenta soll ebenfalls verkauft werden. Ob das die Wogen glättet und den Aktienkurs wieder auf Trab bringt, muss sich noch zeigen.