Nahezu täglich beklagt sich Ryanair im Kurznachrichtendienst Twitter über ausgefallene und verspätete Flüge. Die EU-Kommission müsse endlich etwas unternehmen gegen den Lotsenmangel und die Streiks in den nationalen Flugsicherungen, lautet die Dauerkritik des irischen Konzerns. Doch dessen Kunden müssen in diesem Sommer auch noch diverse Streiks des fliegenden Personals fürchten.

Ryanair steckt in einem tiefgreifenden Wandel, seit sich Piloten und Flugbegleiter zunehmend in Gewerkschaften organisieren und europaweit vernetzen. Sie setzen sich für höhere Löhne, gegen Leiharbeit und für bessere Arbeitsbedingungen ein. Die einstmals strikt anti-gewerkschaftliche Airline hat sich schon im vergangenen Jahr zu einem Kurswechsel entschlossen und erste Verhandlungen mit den Arbeitnehmern aufgenommen. Jährliche Mehrkosten von bis zu 100 Millionen  Pfund (112,2 Millionen Euro) haben die Iren für das laufende Geschäftsjahr schon eingerechnet. Für den etwas sanfteren Kurs steht der von Malaysia Airlines geholte Organisationschef Peter Bellew, der manchen bereits als Nachfolger des Hardliners und Ryanair-Chefs Michael O'Leary gilt.

Immer engerer Takt kleinteiliger Arbeitskämpfe

Zu einem Erfolg haben die seit Wochen auf nationaler Ebene geführten Verhandlungen bisher allerdings nicht geführt. Im Detail zeigen sich die Ryanair-Manager extrem hartleibig, berichtet beispielsweise Markus Wahl von der deutschen Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC). Kleinteilig wird beispielsweise über Freistellungen für die Mitglieder der Verhandlungskommission gestritten, bereits vereinbarte Termine verstreichen ungenutzt. Bellew und Personalchef Eddie Wilson berichten hingegen frohgemut von konstruktiven Gesprächen.

Einem ersten Piloten-Warnstreik zu Weihnachten in Deutschland und einem mehrtägigen Ausstand der Kabinencrews zu Ostern in Portugal folgen nun in der Hauptreisezeit im immer engeren Takt kleinteilige Arbeitskämpfe irgendwo im weiten Ryanair-Reich. Für diesen Freitag (20.7.) hat die Fluggesellschaft bereits 24 Flüge zwischen Irland und Großbritannien abgesagt, weil die irischen Piloten bereits ein zweites Mal die Arbeit niederlegen.

600 Flüge fallen aus

In der kommenden Woche wollen sie das auch noch einmal am Dienstag (24.7.) tun, bevor die Flugbegleiter in Italien, Spanien, Portugal und Belgien am Mittwoch und Donnerstag (25./26.7) folgen. An beiden Tagen hat Ryanair jeweils 300 von mehr 2400 geplanten Flügen abgesagt. Betroffen sind je rund 50.000 Passagiere. Ob deutsche oder österreichische Flughäfen von den Ausfällen betroffen sind, konnte die Airline nicht sagen. Betroffene Passagiere würden informiert, hieß es.

Die scheinbar lokalen Ausstände können jeweils auch Folgen für Passagiere in anderen Ländern haben, denn die Umläufe der Jets gehen natürlich jeden Tag quer durch das Netz. Ein Jet, der in der Früh in Italien wegen Personalmangels stehen bleibt, kann mittags auch nicht in Deutschland oder England zu einem Folgeflug abheben.

"Ryanair droht ein Dauerkonflikt"

"Der Ryanair droht ein Dauerkonflikt, in dem irgendwo immer gestreikt wird", sagt Christoph Drescher, Präsident des europäischen Kabinenbeschäftigtenverbandes Eurecca, der einen Teil der Flugbegleiter-Gewerkschaften vereinigt. Er glaube daher, dass die Gesellschaft schon aus eigenem Interesse diese offene Flanke ihres Geschäftsmodells schließen wird.

Dem führenden Billigflieger Europas wird seine mittlerweile erreichte Größe mit mehr als 13.000 Beschäftigten und seine kontinentweite Aufstellung mit 86 Basen und 37 angeflogenen Ländern zum Problem, denn er trifft auf eine extrem zersplitterte Gewerkschaftslandschaft. Einkommen und Sozialvorschriften sind nur auf nationaler Ebene tariflich regelbar, andere Themen wie Beförderungspläne oder Einsatzregeln wären wohl am besten auf Konzernebene aufgehoben. Größere Beschäftigtengruppen hat Ryanair in Irland, Großbritannien, Spanien, Deutschland und Italien. Den Managern, so sagt es zumindest Eurecca-Chef Drescher, fehle es dabei noch im erschreckenden Maß an Kenntnissen des jeweiligen Sozialrechts.

Laudamotion von Streiks nicht betroffen

In Deutschland stimmen die Ryanair-Piloten in der Vereinigung Cockpit bis zum Ende dieses Monats über einen unbefristeten Streik ab. Ihre Forderungen orientieren sich an den Tarifbedingungen bei den Konkurrenten TUIfly und Easyjet. Bei den deutschen Flugbegleitern balgen sich noch die Gewerkschaften Verdi und UFO wie bei der Lufthansa um den Vertretungsanspruch. Am Ende wird Ryanair voraussichtlich mit beiden Organisationen sprechen müssen, weil jede einen relevanten Teil des streikfähigen Personals vertritt.

Laudamotion, an der Ryanair bald 75 Prozent hält, ist von den Streiks nicht betroffen. Dort wird derzeit ein Kollektivvertrag verhandelt. Laut Geschäftsführer Andreas Gruber soll es für die Belegschaft in Österreich noch diesen Sommer zu einer Lösung mit Gewerkschaft und Betriebsrat kommen.