Wie mittels "einer wolbestellten Lands-Oeconomie Österreich über alle andere Staat von Europa zu erheben" sei - darum ging es bereits 1684 in den Überlegungen des Nationalökonomen Philipp Wilhelm von Hörnigk. Wie die Landes-Ökonomie Kärntens ausgerichtet werden soll, darum geht es in einer bemerkenswerten Studie, die Ökonom Eric Kirschner vom Joanneum Research am Montag präsentiert hat. Seine  Untersuchung des "Strukturwandels der Kärntner Wirtschaft" im Auftrag der Kärntner Arbeiterkammer ist auch als eine Art Handlungsanleitung für die heimische Wirtschaftspolitik erstellt und legt den Finger auf so manches Symptom. Sie belegt, dass sich Kärnten zwar zu einem international erfolgreichen Wirtschaftsstandort entwickelt hat und seine Arbeitsproduktivität hoch ist. Enorme Herausforderungen habe Kärnten aber in Bezug auf den demografischen Wandel, der Abwanderung junger Menschen und dem Facharbeiter-Mangel zu bewältigen. Hier die Details:

Kärnten ist produktiv. Die Arbeitsproduktivität, also die Bruttowertschöpfung je Beschäftigten, in Kärnten ist überdurchschnittlich hoch und inetwa mit der Region Braunschweig vergleichbar: europäisches Spitzenfeld. Sie steigt nicht nur in der Industrie, sondern auch im Handel, Verkehr und im Tourismus. Zwar wächst Kärntens Bruttoregionalprodukt am schwächsten von allen Bundesländern, demografiebereinigt ist es aber das dritthöchste in Österreich.

Kärnten ist eine "Hire". Mit dem hohen Beschäftigungsanteil in der Industrie und den starken Forschungskapazitäten in dieser Branche hat sich Kärnten in die hochentwickelten europäischen Industrieregionen, die "Hire" eingereiht. Kirschner: "Kärnten spielt hier in einer Liga mit Stuttgart, Karlsruhe, München, Bamberg oder Limburg. Der Übergang von einer verlängerten Werkbank zur Industrieregion ist gelungen. Diese Position darf aber keinesfalls als gesichert angesehen werden." Zudem sei in Kärnten ein struktureller Wandel in Richtung einer höheren Wissens- und Technologieintensität erkennbar. Bei der Forschungsquote ist Kärnten mit 3,21 Prozent an vierter Stelle in Österreich. Sie wird freilich maßgeblich von der Industrie getrieben.

Weniger Erwerbspotenzial. Die demografischen Prognosen für Südösterreich sind die schlechtesten innerhalb Österreichs. In den nächsten 20 Jahren wird für Kärnten ein absoluter Bevölkerungsrückgang prognostiziert. Kirschner: "Die Anzahl der 20- bis bis 64-Jährigen - das so genannte Arbeitskräftepotenzial - sinkt bis 2040 um mehr als zehn Prozent." Interessant: Nur die Jungen, vor allem die 20- bis 25-Jährigen, wandern ab. Die Älteren ziehen nach Kärnten zu. Das ergibt insgesamt einen positiven Wanderungssaldo. Was ist zu tun? "Der Bedarf an qualifizieren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist am externen Arbeitsmarkt allein nicht zu decken. Es sind Höher- und Umqualifizierungen erforderlich", so Kirschner. Daneben brauche es spezielle Maßnahmen für Verlierer am Arbeitsmarkt. So genannte "aufsuchende Bildungsarbeit" gewinnt an Bedeutung. Und die Kinderbetreuung: Europaweit ist Kärnten derzeit wie der Großteil Österreichs - Schlusslicht. Kirschner: "Keinen Betreuungsplatz für ein Kind zu finden, ist wohlstandsvernichtend."

Mittelmäßig attraktiv. Geht es darum, wie attraktiv Kärnten für ausländische Firmen ist, ist Kärnten, nunja, "mittelprächtig". Bei der Verkehrsinfrastruktur fällt Kärnten gegenüber anderen Hire-Regionen dramatisch ab. "Erreichbarkeit ist die zentrale Schwäche Kärntens im internationalen Vergleich", sagt Kirschner. "Ein Handlungsfeld, das an Relevanz zunimmt." Abgeschlagen ist Kärnten auch beim technologischen Entwicklungsstand: Der Anteil der Haushalte mit Breitbandzugang ist in Kärnten äußerst gering. "Zudem ist kein Aufholprozess zu beobachten", sagt Kirschner. "Fehlendes Breitband kann Wachstum einbremsen." Auch bei der Marktgröße fällt Kärnten ab, einfach, weil es zu klein ist. Durch Kooperation könne man die Größe aber künstlich ausdehnen. Kirschner: "Es bietet sich an, die Kooperation mit der Steiermark in Richtung eines Wirtschafts- und Innovationsstandortes zu institutionalisieren. Parallel gehören freilich bestehende Stärken weiterentwickelt. "

Wenig Studenten. Der Anteil an Studenten an der Gesamtveölkerung ist in Kärnten leicht unterdurchschnittlich, generell ist er schwach, was die MINT-Fächer, also die technologisch-naturwissenschaftlichen Fächer angeht. Allerdings hat Kärnten im Österreich-Vergleich einen überdurchschnittlich hohen Anteil an HTL-Absolventen. Kirschners Fazit: "Es geht darum, komplementäre Kompetenzen zu nutzen - etwa mit der Steiermark. Und nicht doppelte Strukturen zu schaffen."

Für Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) ist die Studie Bestätigung und Auftrag. „Die Handlungsanleitungen, die sich aus der Studie ergeben, spiegeln sich auch in den Grundintentionen der Kärntner Landespolitik wider. Die nächste große Chance für Kärnten liegt in der Koralmbahn und damit in der weiteren Entwicklung eines gemeinsamen Wirtschaftsraums.“ Für AK-Präsident Günther Goach zeigt die Studie, "dass wir auf breiten Beinen stehen. Der strukturellen Wandel in der Kärntner Wirtschaft ist in die richtige Richtung unterwegs." Zum Arbeitskräftemangel sagt Goach: "Das Angebot einer umfassenden Kinderbetreuung ist entscheidend."