Es ist ein Paradox, das einen der ältesten Wirtschaftsbereiche der Menschheit unter Druck bringt: die Landwirtschaft,  auch Urproduktion genannt. Zwar konnte diese Branche in Österreich ihre Wertschöpfung in den letzten zehn Jahren um zehn Prozent steigern. Ihr Anteil an der Wertschöpfungkette allerdings nimmt ab. Betrug er im Jahr 2005 noch 20 Prozent, verringerte er sich 2019 auf 17 Prozent. Grund dafür ist, dass die anderen Kettenglieder viel stärker steigen: Lebensmittelverarbeitung, Einzelhandel, Gastronomie.

Der Anteil der Landwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt sinkt dementsprechend ebenfalls: von 0,9 auf 0,8 Prozent.

Wifo-Ökonom Franz Sinabell hat diese Zahlen im Auftrag der Landwirtschaftskammer berechnet und er kennt auch die Ursachen dafür. "Werden in Österreich Lebensmittel für 100 Euro gekauft, liegt die inländische Wertschöpfung bei 46 Euro bzw. der Anteil für die heimische Landwirtschaft nur 3,67 Euro."

Wifo-Ökonom Franz Sinabell, Kärntens Landwirtschaftskammerpräsident Siegfried Huber. "Landwirtschaft trägt zum Wohlstand bei"
Wifo-Ökonom Franz Sinabell, Kärntens Landwirtschaftskammerpräsident Siegfried Huber. "Landwirtschaft trägt zum Wohlstand bei" © LWK/KK

3,67 zu 100: Dieses krasse Missverhältnis kommt dadurch zustande, dass viele (zu viele?) Lebensmittel importiert werden. Allein Kärnten importiert laut Statistik Austria für 126 Millionen Euro Fleisch, Milch und Eier. Nur für den Verzehr durch Menschen, nicht eingerechnet ist hier die (importierte) Tiernahrung. Dazu kommt der Preisdruck, den der Handel ausübt. Ein aktueller Markt-Check der Kärntner Landwirtschaftskammer zeigt, dass fünf Produkte der Eigenmarke einer führenden Lebensmittelkette Milch aus vier unterschiedlichen Ländern enthalten: Deutschland, Dänemark, Frankreich und Rumänien. 

Konsumenten aufgepasst

Wie also die Agrar-Anteile erhöhen, die Importe senken, die Einkommen der Landwirte erhöhen, die Trendumkehr schaffen? "Letztlich hat es der Konsument in der Hand", sagt Kärntens Landwirtschaftskammerpräsident Siegfried Huber. "Von dem, was wir in Kärnten essen, sind nur 30 Prozent heimische Produkte. Ich möchte diesen Anteil innerhalb von zehn Jahren auf 40 Prozent steigern." Dieses Ziel will er erreichen, indem noch weitere Regionalitäts-Chartas geschaffen werden und eine verpflichtende Herkunftsbezeichnung erwirkt wird.

Ein Prozent mit großer Wirkung

Welches Potenzial heimische Lebensmittel für den Wirtschaftsmotor in Kärnten haben, wird durch die Wifo-Studie offenbar: Steigt die Nachfrage nach inländischen Lebensmitteln um nur ein Prozent, steigt die Wertschöpfung in der Kärnrtner Landwirtschaft um 3,8 Millionen Euro und in der ganzen Kärntner Volkswirtschaft um acht Millionen Euro. Und es bringt 300 Vollzeitarbeitsplätze. Das eine Prozent.