Sie hätten in diesem Sommer die neue OMV-Strategie präsentieren wollen. Nun nehmen Sie Ende August den Hut. Welche Pläne, Träume sind da geplatzt?
RAINER SEELE: Alles, was ich mir für die Zeit bis jetzt vorgenommen habe, ist umgesetzt. Nur ein Thema ist noch offen, die Veräußerung der Düngemittelsparte von Borealis.

Die Vision, die OMV zu einem Chemiekonzern mit angegliederter Ölförderung zu machen – eine kleine BASF, was wird aus der?
Unterstellen Sie nicht, dass die geplatzt ist. Die ist langfristig.

Sie hätten sie auch gerne umgesetzt. Haben Sie – nachdem Sie 2018 noch massiv auf höhere Mengen bei Öl und Gas gesetzt haben – das Ruder zu scharf Richtung Chemie umgelegt, zu schnell für die Mannschaft aus dem Bereich Upstream?
Es war eine klare Kursänderung, aber keine Kehrtwende. Ich gebe zu, ich hätte vor sechs Jahren nicht einmal visionär zu hoffen gewagt, dass wir die Borealis kriegen könnten.

Die Abu Dhabis als Borealis-Partner haben Geld gebraucht.
Das ist immer so. Wie bei allen Transaktionen, die wir gemacht haben.


Das Fenster wäre zugegangen?
Ja.

Der Zukauf war alternativlos?
Er war nicht alternativlos, er war eine Opportunität. Für uns eine der sichersten Akquisitionen überhaupt, weil wir Borealis seit Langem kannten.

Wie kurzsichtig war es dann, Sie als OMV-Chef ausgerechnet wegen dieses Deals, des Preises, sturmreif schießen zu wollen?
Alle mit betriebswirtschaftlichen Kenntnissen waren von der Übernahme überzeugt. Auf den Finanzmärkten hielt die niemand für zu teuer.

Wenn aber solche Behauptungen offenbar aus den eigenen Reihen kommen, erlebt man da politische, strategische Schwächen auf Seiten des Miteigentümers Staatsholding?
Dazu will ich mich nicht äußern. Aber jeder Aktionär hat einem Unternehmen gegenüber eine Verpflichtung, dieser muss man nachkommen.

Wo ist das Kern-Problem zu suchen? Entsprechen Postenvergaben, die wahrscheinlich auf Freundschaftsbanden basieren, dieser Verpflichtung?
Wie die Regierung in der Staatsholding Besetzungen vornimmt, ist ihre Sache.

Hat Ihr Deutsch-Sein bei Ihrer Demontage eine Rolle gespielt? Hatten Sie ein Piefke-Problem?
Ich bin ein geselliger Mensch mit Humor. Ich sehe das auch anders. Das war ja keine Demontage. Ich habe mich nach sehr intensiven Gesprächen mit meiner Frau entschieden, nicht mehr zur Verfügung zu stehen.

Seele: "Es war keine Demontage"
Seele: "Es war keine Demontage" © Christoph Kleinsasser


Ist es nicht nur eine Frage der Zeit, wann der Staat als Miteigentümer der OMV in Sachen Klimaschutz in einen veritablen Interessenskonflikt gerät?
Die OMV ist ein sehr ehrgeiziges Unternehmen, die Hälfte des Ergebnisses steht schon für das Chemie-Geschäft. Aber man verlangt auch nicht von heute auf morgen, dass keine Verbrennungsmotoren mehr hergestellt werden.

Eine Petrochemie-OMV, braucht die eine eigene Öl- und Gasförderung?
Viele Petrochemie-Konzerne haben das nicht. Das integrierte Geschäftsmodell sorgt für unglaubliche Finanzstabilität.

Borealis ist Chemie auf Basis von Öl und Gas. Wie sieht es da mit der Transformation aus?
Neben immer neuen Anwendungen für schwer ersetzbare Hochleistungskunststoffe, welche die Borealis dauernd entdeckt, wird sich der Rohstoff-Einsatz stark wandeln. Wir haben ja kein Kunststoff-, sondern ein Abfallproblem. Letztlich wird es Produkte aus Kunststoff-Abfällen und Polymere aus Bio-Rohstoffen geben. Umweltverträglichkeit heißt außerdem, die Lebensdauer der Produkte zu verlängern.

Es ist üblich, dass neue Chefs eine Bilanz ausputzen. Wird Ihr Nachfolger gröberen Wertberichtigungsbedarf haben?
Das entscheidet er, und dafür gibt es grundsätzlich klare Regeln.

Sie hatten früher ehrgeizige Pläne für den Einstieg in weitere Gasfelder in Russland, die Vereinbarungen liegen aber auf Eis. Die Pläne basieren auf Ihren Kontakten. Wird das ein Thema sein, das die OMV ad acta legen muss?
Das weiß ich nicht, das muss Alfred Stern entscheiden. An den Beziehungen muss es aber nicht scheitern. Wenn er meine Hilfe braucht, wird er sie in sehr freundschaftlicher Art und Weise bekommen.

Um in Zukunft nur noch Fischen zu gehen, um eines Ihrer Hobbies zu nennen, dafür sind Sie aber noch zu jung, oder?
Das stimmt, ich bin mir sicher, da draußen wartet noch ein richtig toller Job auf mich. Ich lasse mich überraschen.

Eher in einem Aufsichtsrat oder noch einmal operativ ganz vorn?
Ich lasse mich überraschen.

Fällt Ihnen der Abschied schwer?
Ja. Ich werde dem tollen Land und vielen Menschen hier eng verbunden bleiben.

Was ist ihr Lieblingsplatz in Österreich?
Der Weissensee. Österreich ist eines der schönsten Länder, die ich je gesehen habe. Auch das Kulturangebot werde ich sehr vermissen.