Im knallharten Geschäft mit dem süßen, dunklen Schokoladeschmelz hat sich Ritter Sport schon vor vielen Jahren stark vom Ausbeuter-Business in vielen Erzeugerländern distanziert und ist ganz eigene Wege gegangen. Noch rettet Ritter nicht die Welt, aber das schwäbische Familienunternehmen arbeitet sich im Anderssein stückweise voran.

Der jüngste Schritt ist ein ganz neuer Meilenstein in der Firmengeschichte: Ritter produziert einen Teil seiner Schokoladen erstmals nicht mehr am Stammsitz, sondern im burgenländischen Breitenbrunn, wo Mars die Segel gestrichen hatte. In diesen Tagen wird dort die Herstellung veganer Ritter-Schokoladen losgehen. Im Endausbau werden alle veganen Sorten, die dann auch als solche deklariert werden können, in Österreich in die süßen Quadrate gegossen. der als Österreich-Geschäftsführer die bunten Farben des Unternehmens hochhält. Gut 60 Mitarbeiter der einst 110-köpfigen Mars-Mannschaft wurden inzwischen wieder eingestellt, bis zu 80 Mitarbeiter sollen es mittelfristig werden, sagt Wolfgang Stöhr, der als Geschäftsführer die bunten Farben des Unternehmens in Österreich hochhält.

"Ordentlichen zweistelligen Millionenbetrag" investiert

"Für Ritter Sport ist Beitenbrunn ein Glücksfall", sagt Stöhr. Im Stammhaus in Waldenbuch platzte die Produktion aus allen Nähten. Schoko-Multi Mars verkaufte den Standort gleich inklusive einiger Marken an die Deutschen. So kommen bereits seit einigen Monaten neben den Ritter Rum-Riegeln auch die von Mars entwickelten "Amicelli" aus Breitenbrunn -  erstmals aus 100 Prozent zertifiziert nachhaltigem Kakao, was bei Ritter als einzigem größeren Produzenten seit 2018 Standard und jetzt auch auf den Verpackungen zu lesen sein wird. Einen "ordentlichen zweistelligen Millionenbetrag" habe man in Breitenbrunn investiert, so Ritter-Unternehmenssprecher Thomas Seeger. Auch die Herstellung der "Ritter Rum"-Riegel wanderte ins Burgenland. 

Gut sichtbare Label, ein Merkmal "anders zu sein", sie werden immer wichtiger im extrem umkämpften Schokolademarkt, in dem Billig- und Sonderangebote große Absatzmengen ausmachen. Grundsätzlich mischen im Markt auch immer mehr kleine Hersteller mit: Manufakturen wie Zotter oder auch Tony´s Chocolonely aus Amsterdam, der sich mit dem Anprangern der Kindersklaverei im Kakao-Anbau die Marktführerschaft in den Niederlanden schnappte und gerade massiv expandiert. Aber im ganz großen Geschäft ist selbst Ritter zwar nicht unbedingt ein Zwerg, aber doch nur Nummer 39 im globalen Ranking, das von Mars, Fererro und Mondelez (Milka) angeführt wird. Die Top fünf kommen auf insgesamt rund 50 Milliarden Dollar Jahresumsatz.

"Kein Allheilmittel, aber ein wichtiger Baustein"

Schokoladenfabrikant Alfred Ritter - bis 2015 war der heute 68-jährige noch selbst Chef - seine Schwester Marli Hoppe-Ritter und das Unternehmens-Management machen sich seit vielen Jahren für Veränderungen in der Branche stark. Sie bauten ab 1990 ein eigenes Netz an Zulieferern auf. Ein besonders dichtes in Nicaragua. Die Bauern bekommen von den Börsen entkoppelte, bessere Preise, müssen dafür aber auch nachhaltiger, etwa nicht in Monokulturen anbauen. 2012 kaufte Ritter zusätzlich eine eigene große Plantage "El Cacao" in Nicaragua. Nach umfangreicher Renaturierung und der Pflanzung von eineinhalb Millionen Kakaobäumen soll sie ab 2024/25 im Vollertrag 40 Prozent des Eigenbedarfs von Ritter decken.

"Der Handel honoriert das leider nicht", sagt Seeger. Deshalb mache man sich auch sehr klar für das neue Lieferkettengesetz stark, das in Deutschland bereits weit gediehen ist, aber sinnvollerweise in der ganzen EU Platz greifen sollte, so Seeger. "Das Gesetz ist kein Allheilmittel, aber ein weiterer wichtiger Baustein, um zu mehr Verantwortung in den Lieferketten zu kommen," ist er überzeugt. Im Handel gehe zudem gerade eine Art Generationenwechsel vonstatten. "Ein Großer ist uns mit der Nachhaltigkeits-Zertifizierung allerdings noch nicht gefolgt," stellt Stöhr fest. 

Den jüngsten internationalen Untersuchungen zufolge arbeiten in den größten Produzentenländern in Westafrika etwa 1,5 Millionen Kinder "unter missbräuchlichen Bedingungen" auf den riesigen Plantagen. Veröffentlicht wurde die Zahl vom National Opinion Research Center der Universität Chicago im Herbst 2020. Als besonders dramatisch wird von Experten die Lage im Staat Elfenbeinküste eingestuft. Deshalb kommt von Ritter auch die klare Ansage: "Selbstverpflichtung reicht nicht." 

Wo das Geschäft eingeknickt ist

Schon 2001, vor genau 20 Jahren war in den USA das Harkin-Engel-Protokoll aufgesetzt worden, um Kinderarbeit und Kinderhandel aus dem Kakao-Business zu verbannen. Allein, es fußte auf Freiwilligkeit und hatte keinerlei Gesetze zur Folge. Die Ziele schmolzen dahin wie Schokolade in der Sonne. Zu groß ist die Gewinnspanne der Konzerne, wenn der Kakaopreis je Tonne wie zuletzt auf rund 2000 Dollar oder sogar noch tiefer fällt - zumal Kakao sehr lange lagerfähig ist.

Corona dürfte übrigens zum jüngsten Preisverfall beigetragen haben. Denn viele der üblichen Verkaufskanäle sind weggefallen. Das hat auch Ritter zu spüren bekommen. "Zwei Jahre" habe die Pandemie das Unternehmen bisher gekostet, heißt es aus Waldenbuch. 470 Millionen Euro Umsatz im Vorjahr waren im Vergleich zu 2019 immerhin zehn Millionen Euro Umsatz weniger. Eingeknickt ist vor allem das Geschäft auf Flughäfen oder auf Kreuzfahrtschiffen.

Dabei ist der Schokoladehunger hierzulande und auch in Deutschland durch die Pandemie kräftig gestiegen. Nach Marktdaten von Nielsen wuchs der Markt in Österreich 2020 um 6,4 Prozent, Ritter sogar um 7,2 Prozent. Die veganen Sorten stellten Stöhr zufolge mit 32 Prozent Plus sogar alles Wachstum, das er bis dato gesehen hat, in den Schatten.