Im Kampf gegen die Plastikflut gehen derzeit die Wogen hoch. Seit Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) ihren Drei-Punkte-Plan für ein Einweg-Pfand auf Flaschen und Dosen, Mehrwegquoten in Supermärkten und eine Herstellerabgabe ankündigte, vergeht kaum ein Tag, an dem nicht der Handelsverband oder die Wirtschaftskammer speziell gegen die Pfandpläne antrommeln.

Im Ministerium wird mit Hochdruck gearbeitet, um den Plan rasch umzusetzen. Dabei gehe es auch um Investitionssicherheit für die Wirtschaft. Das neue Abfallwirtschaftsgesetz (AWG) soll auch eine Verordnungsermächtigung enthalten. Per Verordnung könnte die Ministerin dann das Pfandsystem durchbringen.

Die Plastikflut einzudämmen, das hat sich nicht zuletzt Brüssel vorgenommen. Schon bis 2025 sind hohe Recycling-Quoten zu erfüllen. Die Hälfte aller Plastikverpackungen müssen bis dahin wiederverwertet werden. Bei den PET-Flaschen gibt es bis 2029 Zeit, um auf 90 Prozent Sammelquote zu kommen. 

Digitales Know-how

Die Flaschen schon jetzt praktisch sortenrein zu vielleicht 97 Prozent wie in Deutschland per Pfand zurückzuholen, dafür gibt es viele Fürsprecher. Und eine wissenschaftliche Studie. Noch von Gewesslers Vorgängerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) beauftragt. Jetzt wirkt es, als passe das Ergebnis der Studie nicht: Bisher hat sich die ÖVP-Führung nur wenig zu dem Thema geäußert. Heftigster öffentlicher Kritiker der Pfandeinführung ist dafür ÖVP-Mann Karl-Heinz Kopf als Spitzenfunktionär der Wirtschaftskammer. Zu hohe Kosten, ist das häufigste Argument der Interessensvertretung. Eine zu große Bürde für kleine Händler das zweite.

Einer, der ganz neue Aspekte in die Debatte einbringt, ist der Klagenfurter Christian Abl. Er macht sich einerseits mit der von ihm gegründeten Österreichischen Pfandgesellschaft aufgrund internationaler Erfahrungen die Einführung eines Pfand-Systems auch hierzulande stark. Einen anderen Hut hat er ebenfalls auf: Er ist Geschäftsführer von Reclay Österreich, Tochter eines großen deutschen Entsorger-Konzerns.

Reclay will jetzt durch eine Kooperation mit Coca Cola vorführen, wie Pfandsysteme neu gedacht werden können - wenn nötig, sogar unabhängig vom Handel. Digital erfasst kann Rückgabe sogar ganz ohne Automaten funktionieren, sagt Abl. „In Zeiten bester Kameras, GPS und 5 G-Netzen wollen wir zeigen, dass ein kleiner Händler notfalls nur einen Sack und ein Mobiltelefon für die Rücknahme braucht.“ Das Argument, keine teuren Apparate aufstellen zu wollen, sieht Abl ins Leere laufen.

"Auch viele andere Varianten denkbar"

Das gerade von Reclay und Coca Cola vorgestellte Prinzip funktioniert per App und Standorterkennung. Vor dem Einwerfen in den Container, bei dem einen das Handy eingecheckt hat, wird ein Code im Deckel der Limonadenflasche gescannt, dann werden Punkte gutgeschrieben. Funktionieren soll das System ab Jänner. Vorerst kann man Punkte gegen ein Gratisgetränk einlösen. „Grundsätzlich sind auch viele andere Varianten denkbar,“ so Abl. Theoretisch sogar eine Bitcoin-Gutschrift. Dass Menschen die Flaschen bewusst neben die Container müllen, sei unwahrscheinlich.

Was nach Spiel und Werbung klingt, hat für Abl den Charme einer Pionierleistung, die weltweit gefragt sein könnte. Der Global Player Coca Cola heftet sich etwa auf die Fahnen, 2030 hundert Prozent seiner Verpackungen zurückhaben zu wollen. In vielen Ländern gibt es dafür aber gar keine Infrastruktur. Abl nennt als Beispiel Afrika, „wo der Absatz sehr hoch ist, es aber praktisch keine Sammelsysteme gibt.“ Der Rohstoff PET gilt inzwischen als wertvoll. „Die Abfüller wollen und brauchen Recyclate,“ sagt Abl.

Weniger an den Handel gebunden zu sein, ist für den Abfallexperten ein weiterer Vorteil digital erfasster Rücknahme. Abl nennt Beispiele für Österreich: „Da kommen ganz neue Rücknehmer wie die Bahn, Post oder die Asfinag mit ihren Autobahn-Raststätten ins Spiel.“

Höhere Container-Dichte

Die Wirtschaftskammer präsentierte am Dienstag im Umweltministerium ihren Zehn-Punkte-Plan, der unter anderem einen noch breitflächigeren Ausbau der Sammelpunkte und gegen die Umweltvermüllung auch eine höhere Mistkübel-Dichte vorsieht.

Überall einfach mehr Container aufzustellen, das reiche aber bei Weitem nicht aus im Hinblick auf die EU-Recyclingziele, warnt Christian Pladerer, Vorstand des Österreichischen Ökologie-Institutes. Verfehlt Österreich die Quoten, kostet das den Steuerzahler künftig zwischen 160 und 180 Millionen Euro jährlich. Bis 2029 mindestens 90 Prozent der PET-Flaschen getrennt zu sammeln, das gehe nicht mit dem gelben Sack oder der gelben Tonne, in die diverse verwertbare Abfälle kommen. Pladerer: „Es gibt längst Gutachten, dass aussortierte Flaschen aus anderem Müll nicht zur Sammelquote gezählt werden dürfen.“ Gerne werde in der Kostendiskussion auch vergessen, dass die öffentlichen Hände jährlich Unmengen von Unrat von öffentlichen Plätzen und in der Natur einsammelten, was etwa 100 Millionen Euro koste. Müll-Analysen zeigten, dass der Anteil von PET-Flaschen und Dosen sehr hoch sei.

Die Argumente von Handelsverband und Wirtschaftskammer, man dürfe vor allem kleinen Händlern das Aufstellen von Rücknahmeautomaten aus Kosten- und Platzgründen nicht zumuten, wollen Pladerer und Abl entkräften. In den vielen Ländern, in denen man Pfandsysteme eingeführt habe, sei kein Händlersterben eingetreten. Eine Reihe von EU-Ländern will demnächst Pfandsysteme installieren. Pladerer will in der öffentlichen Diskussion aber auch das Mehrweg-Thema nicht vergessen wissen, im Sinne der ebenfalls von der EU vorangetriebenen Kreislaufwirtschaft komme ihm mindestens gleich hohe Bedeutung zu.

Von 200.000 Flaschen auf 400.000 in die Höhe geklettert

Ein prominentes Beispiel für funktionierende PET-Flaschen-Rücknahme mit Pfand ist etwa der Mineralwasserabfüller Vöslauer. Es funktoniert wie das klassische Bierkasten-Prinzip. Das Plastik für die Vöslauer-Flaschen besteht bereits zu hundert Prozent aus Recycling-PET.

Der Lebensmittel-Konzern Spar hat das Thema Mehrweg und sogar eigenes Abfüllen unproblematischer Lebensmittel im Geschäft - gerade neu etwa bei Nudeln, angeboten im Interspar - und Mehrweg schon lange auf dem Radar. Die heuer eingeführte eigene Limonaden-Marke in der Mehrweg-Flasche laufe sehr gut, sagt Spar-Sprecherin Nicole Berkmann. Das werde sicher weiter ausgebaut. Etwa im Bereich Milchprodukte.

Die Wiederentdeckung der Pfand-Glasflasche für Milch kann in Österreich Berglandmilch-Chef Josef Braunshofer für die Genossenschaft reklamieren. Im Februar eingeführt sind die Absatzzahlen inzwischen von 200.000 Flaschen auf 400.000 in die Höhe geklettert. Jetzt wird nachgelegt mit Haferdrinks, Halbliter-Flaschen und nächstes Jahr mit großen Joghurt-Gläsern.

Die Investition hinter dem Mehrweg-Umstieg in Höhe von acht Millionen Euro ist für eine Genossenschaft ausschließlich mit Landwirten im Hintergrund viel Geld, sagt Braunshofer. "Aber die Investition war goldrichtig." Mehrweg reduziere Plastikberge. "Wir werden wahrscheinlich viel schneller als gedacht unser Konsumverhalten ändern müssen," ist der Berglandmilch-Chef überzeugt.