Der deutsche Lastwagenbauer MAN steht vor einer massiven Umstrukturierung und will bis zu 9500 Stellen abbauen - "in Deutschland und Österreich sowie weltweit über alle Unternehmensbereiche hinweg", hieß es am Freitag in einer Konzernmitteilung. "Auch der Produktionsstandort Steyr steht zur Disposition." Das sei ein Bestandteil, um das Ergebnis der VW-Tochter um rund 1,8 Milliarden Euro zu verbessern.

Die VW-Tochter MAN ist laut Eigenangaben einer der führenden Nutzfahrzeugkonzerne in Europa und beschäftigte 2019 etwa 39.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, 2.300 davon in Steyr. Der Konzernumsatz erreichte 2019 insgesamt rund elf Mrd. Euro.

Die beabsichtigte Neuausrichtung wird eine Restrukturierung des MAN Truck & Bus-Geschäfts in allen Bereichen, einschließlich einer Neuaufstellung des Entwicklungs- und Produktionsnetzwerks sowie einen deutlichen Stellenabbau erfordern. Die derzeitigen Überlegungen umfassen den Abbau von bis zu 9500 Stellen in Deutschland und Österreich sowie weltweit über alle Unternehmensbereiche hinweg.

Standorte wackeln

In diesem Zusammenhang sind teilweise Verlagerungen von Entwicklungs- und Produktionsprozessen an andere Standorte geplant. Welche Standorte das sein werden, ist noch nicht bekannt. Damit wackeln auch der Produktionsstandort Steyr sowie die Betriebe in Plauen und Wittlich.

Für die geplanten Personalmaßnahmen erwarten die Vorstände derzeit einen Restrukturierungsaufwand in einem mittleren bis oberen dreistelligen Millionenbereich.

Der Vorstand der MAN Truck & Bus SE wird in Kürze die Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretern über die Neuausrichtung aufnehmen. Der Gesamtaufwand für die Maßnahmen stehen in Zusammenhang mit der Neuausrichtung und ist vom Ergebnis dieser Gespräche abhängig.

Betriebsrat zu Verhandlungen in München

Das Büro des Betriebsratsvorsitzenden der Arbeiter bei MAN Trucks & Bus in Steyr, Erich Schwarz, teilte auf APA-Anfrage mit, dieser sei in Verhandlungen in München. Er werde danach Stellung nehmen. Einer Konzernaussendung zufolge wackelt der österreichische Standort mit rund 2300 Mitarbeitern. Von der MAN-Standortleitung vor Ort wird auf die Konzernzentrale verwiesen.

"Auch der Produktionsstandort Steyr steht zur Disposition", hieß es in der Konzernmitteilung wörtlich.

Die Entwicklung und Produktion von Nutzfahrzeugen in Steyr hat eine Tradition von über 100 Jahren. Das Werk beschäftigte im vergangenen Jahr im Schnitt inklusive Lehrlingen und Leasing-Kräften 2.456 Personen. Die aktuelle Zahl der Belegschaft wird mit 2.300 angegeben.

Das Werk in Steyr wurde 1914 fertiggestellt. 1919 begann die Produktion der ersten in Steyr produzierten Lkw. 1999 übernahmen die Oberösterreicher die gesamte Lkw-Fertigung der leichten und mittleren Baureihe von MAN. Das sind Fahrzeuge mit zwei oder drei Achsen, auch mit Allradantrieb ausgestattet, mit 150 bis 340 PS und einem Gesamtgewicht zwischen 7,5 bis 26 Tonnen.

Darüber hinaus werden dort auch Sonderfahrzeuge sowie Komponenten für den Produktionsverbund des Konzerns gebaut, beispielsweise Fahrerhäuser. Außerdem befindet sich in Steyr die größte Lackieranlage Europas für Lkw-Kunststoffanbauteile. Auch Forschung und Entwicklung werden an diesem Standort betrieben. Zuletzt gab es auch eine Kleinserie von E-Trucks.

"Konzepte von tief unten aus der Mottenkiste"

Der deutsche MAN-Betriebsrat kritisierte die angekündigte Stellenstreichung  mit scharfen Worten. "Das sind Management-Konzepte von tief unten aus der Mottenkiste", erklärte Betriebsratschef Saki Stimoniaris.

Die Belegschaft werde nicht für schwere Managementfehler büßen, sondern Widerstand gegen den Stellabbau leisten. Er forderte den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen und kündigte an, dem Vorstand eigene Vorstellungen zur Zukunft von MAN vorzulegen. Der Plan des Managements würde in Deutschland und Österreich "fast jeden zweiten Arbeitsplatz vernichten".

SPÖ und Gewerkschaft "kämpferisch"

Nachdem das MAN-Management den Standortes Steyr infragegestellt und damit die Jobs der Mitarbeiter bedroht hat, haben sich die SPÖ Oberösterreich und die Gewerkschaften am Freitag in Presseaussendungen "kämpferisch" gezeigt. Sie forderten unter anderem ein "treffsicheres Investitionsprogramm".

Die oberösterreichische SPÖ-Vorsitzende Birgit Gerstorfer verlangte "entschlossenes Handeln" von Bundes- und Landesregierung ein - mit einem Gipfel zur Rettung der heimischen Arbeitsplätze. Gemeinsam mit Vertretern aller Parteien, den Sozialpartnern und Gewerkschaften solle ein "treffsicheres Investitionsprogramm" erarbeitet werden. Die bisherigen Initiativen von ÖVP, FPÖ und Grünen seien hauptsächlich eine PR-Show gewesen: "Wir müssen vom Reden zum Handeln kommen", stellte Gerstorfer klar.

Die Gewerkschafter Rainer Wimmer (PRO-GE) und Karl Dürtscher (GPA-djp) forderten statt dem Arbeitsplatz-Abbau die Ablöse des MAN-Managements und einen Neustart für die künftige Strategieausrichtung des Unternehmens - vor allem zusammen mit den Betriebsräten und Arbeitnehmern. Den aktuellen Transformationsprozess der Fahrzeugindustrie mit Massenkündigungen und Standortschließungen zu bewältigen, sei sicher keine nachhaltige Zukunftsstrategie, sondern erinnere vielmehr an die "dunklen Zeiten des Manchesterkapitalismus", kritisierten Wimmer und Dürtscher. Sie kündigten an, dass die Gewerkschaften gemeinsam mit dem MAN-Betriebsrat für den Standort Steyr mit allen Mitteln kämpfen werden.