Nach den Regeln der so genannten Verfügbarkeitsheuristik bevorzugen Menschen bei der Entscheidungsfindung einfache, plastische Informationen. Gold bietet sie: Es glänzt, gilt als wertvoll, sonnen-gleich, ja sogar heilig - und ist daher in Krisenzeiten besonders gefragt. Eben goldrichtig.

Die Corona-Pandemie, die zunehmende Verschuldung von Firmen und Staaten und die weltweit niedrigen Zinsen lassen Anleger seit Monaten wieder in das gelbe Edelmetall flüchten. Um mehr als ein Viertel zog der Goldpreis in diesem Jahr an, allein in der vergangenen Woche stieg er um 4,5 Prozent. Nun hat das Virus den Goldpreis auf US-Dollar-Basis auf ein neues Allzeithoch getrieben. In der Nacht auf Montag ist der Preis für eine Feinunze (31,1 Gramm) auf 1944,71 Dollar gestiegen. Der bisherige Höchststand lag bei 1921 Dollar im September 2011. Auch in Euro ist der Goldpreis mit 1659,68 Euro (Montagvormittag) so hoch wie noch nie.

"Nie nichts wert"

Für Anleger ist Gold derzeit ein so genannter Bullenmarkt. Aber auch Privatpersonen decken sich zunehmend mit Goldmünzen und -barren ein. Die Nachfrage bei der Österreichischen Münzprägeanstalt, der „Münze Österreich“, erhöht sich enorm. Im ersten Halbjahr 2020 setzte die Nationalbank-Tochter, die zu den weltweit bedeutendsten Prägestätten zählt und derzeit mit 19 Prozent Anteil Weltmarktführer bei Goldmünzen ist, 1,3 Milliarden Euro um – nach 565 Millionen Euro im gesamten Jahr 2019. Der Gewinn dürfte heuer doppelt so hoch ausfallen wie geplant. „Die Sorge der Menschen um ihr Vermögen wächst. Und Gold ist eine vergleichsweise sichere Anlage: Es ist nie nichts wert“, sagt Münze-Generaldirektor Gerhard Starsich zur Kleinen Zeitung. Während der zwei Lockdown-Wochen im März war die Münze Österreich die einzige Münzprägestelle weltweit, die nicht geschlossen hatte. Weil der übliche Lieferant, eine Raffinerie im Tessin, wegen Corona geschlossen war, holte Starsich das Gold aus London – es kam per Sonderflug nach Wien, 6,5 Tonnen alle zwei Wochen.

Münze Österreich-Generaldirektor Gerhard Starsich
Münze Österreich-Generaldirektor Gerhard Starsich © Münze Österreich/KK

Auch Silber steigt in der Gunst der Käufer. Gestern erreichte der Silberpreis je Feinunze einen Stand 24,28 Dollar, wo er sonst zwischen 14 und 16 Dollar pendelt. Die Münze Österreich kommt mit der Produktion von Silbermünzen nicht mehr nach. „Wir sind jeden Tag ausverkauft“, sagt Starsich. Ab Mitte August führt die Münze daher eine zweite Schicht ein, um die gestiegene Nachfrage nach Silbermünzen befriedigen zu können.

Bei der Gold- und Silberscheideanstalt Ögussa, die Bruchgold einschmilzt und als Barren verkauft, hat sich der Absatz seit der Öffnung nach dem Lockdown vervierfacht. Manche tauschen Millionensummen in Gold um. Dank einer EU-weiten Sonderregelung ist der Kauf von Gold mehrwertsteuerfrei, ab 10.000 Euro besteht Ausweispflicht. Bei Silber fallen 20 Prozent Mehrwertsteuer an.

Geht das so weiter? Ronald Stöferle verfasst den laut eigener Aussage weltweit meistgelesenen Goldreport „In Gold we trust“ und sagt: „Wir gehen davon aus, dass der Goldwert am Ende der Dekade sogar bei 4800 Dollar liegt.“

Goldexperte Ronald Stöferle: "Ich empfehle zehn bis 15 Prozent Gold in jedem Portfolio"
Goldexperte Ronald Stöferle: "Ich empfehle zehn bis 15 Prozent Gold in jedem Portfolio" © KK

Schon „sehr bald“ sieht Stöferle den Goldpreis bei 2300 Dollar. Abgesehen davon rät er jedem, Gold in sein Portfolio zu mischen – im Ausmaß zwischen zehn und 15 Prozent, als monetäre Versicherung für Extremszenarien. Obwohl Gold keine Zinsen bringt.