Wir sind noch in der Akutphase dieser Krise, wie bewerten Sie aus Sicht der Industrie die bisherigen Hilfen der Bundesregierung?
STEFAN STOLITZKA: Der Anlauf war etwas schwierig, jetzt geht es ganz sicher in die richtige Richtung. Ende Juli soll es auch den Gipfel mit den Sozialpartnern geben, um eine Lösung für ein neues Kurzarbeitsmodell ab Herbst zu finden, das ist noch sehr entscheidend. In großen Zügen kann man aber sagen, dass die richtigen Maßnahmen gesetzt wurden, auch mit dem Konjunkturpaket, das seit Kurzem klarer ausformuliert ist.

Wie können steirische Industrieunternehmen von diesem Paket profitieren?
Ich denke vor allem an Investitionen in den digitalen Bereichen, die ja zum Teil auch mit Zuschüssen gefördert werden oder alles, was mit dem sogenannten Green Deal zu tun hat, da wird die Steiermark stark profitieren können. Wir sind ja mit vielen steirischen Unternehmen schon so aufgestellt, dass wir weltweit mit Technologien dafür sorgen, dass der CO2-Ausstoß sinkt. Diese Investitionen könnte man aus meiner Sicht sogar noch stärker unterstützen.

Bei Ihrer Antrittspressekonferenz haben Sie gesagt, „nach Corona wird nicht mehr vor Corona sein“. Auf welche Veränderungen müssen wir uns einstellen?
Klassische Geschäftsmodelle laufen in vielen Bereichen ab. Wenn ich auf mein Unternehmen blicke, sehen wir, dass der virtuelle Raum, etwa in der Präsentation von Schuh-Kollektionen und im Vertrieb noch viel wichtiger wird und zunimmt. Zum Glück haben wir da bereits in den vergangenen Jahren sehr viel investiert. Das kommt uns jetzt sehr zugute, sonst würden wir in einigen Ländern gar nicht zu den Kunden kommen.

Wie ist es um die digitale Infrastruktur im Land bestellt, braucht es mehr Tempo, etwa beim Breitbandausbau?
Definitiv, es braucht mehr Tempo. In den letzten Monaten haben viele Unternehmen vor Augen geführt bekommen, wo Schwachpunkte sind, dass viele virtuelle Meetings nicht so ausgetragen werden konnten und teilweise aufgrund von Infrastrukturdefiziten auch das Home Office nicht so funktioniert hat. Für viele war die Geschwindigkeit der digitalen Übertragung nicht ausreichend.

Welche Industriezweige rufen in der Steiermark besondere Sorgenfalten hervor, sind das die Automobil- und die Flugzeugzulieferindustrie, wie zuletzt genannt?
Diese Bereiche scheinen offensichtlich zu sein, aber letztgültig lässt sich das jetzt auch noch nicht sagen. Alle Maßnahmen, die das Vertrauen der Menschen stärken, können sich auch noch positiv auswirken. Daher ist das Gesundheitsthema ja so immens wichtig, wenn man das in den Griff bekommt, werden auch die Investitionen zunehmen. Daran müssen wir arbeiten, dann kann es auch für den Automobilsektor wieder besser aussehen.

Es gibt Vorboten für personelle Einschnitte in steirischen Industrieunternehmen – wie tief werden die ausfallen?
Das ist derzeit leider genauso unsicher wie vieles andere. Die Dimension lässt sich wirklich nicht abschätzen. Wir haben zuletzt aber gesehen, dass auch der Kurzarbeitsbedarf wieder etwas ansteigt, das würde ich eher als positives Zeichen werten. Denn jene Unternehmen, die das in Anspruch nehmen, glauben daran, dass es gut weitergeht. Entscheidend ist auch hier die gesundheitliche Komponente, also, dass wir alle vernünftig sind und uns an die Regeln wie Abstand und Hygiene halten. Dieses Bewusstsein müssen wir weiter schärfen. Davon hängt alles ab, dann ist auch die Bewältigung der Wirtschaftskrise einfacher, dann kommt das Vertrauen zurück.

Verstellen die akuten Maßnahmen die Sicht auf notwendige Reformen in Österreich?
Jetzt wird Feuer gelöscht, dabei kann man nicht auf alle Dinge Rücksicht nehmen, ich sehe aber gute Chancen, dass nach der akuten Brandbekämpfung die Reformansätze wieder aufgegriffen werden. Die Schulden werden aber höher sein, keine Frage. Entscheidend ist das Bewusstsein, dass die Zukunft, die Entwicklung der nächsten zehn Jahre, von den Weichenstellungen der kommenden Monate abhängt. Es geht darum, wohin Geld fließt. Investitionen in Bildung und Digitalisierung sind von besonderer Bedeutung.

Die steirische Industrie fordert auch ein Vorziehen von Infrastrukturinvestitionen, den Aus- und Neubau von Pyhrnbahn und Bosrucktunnel sowie den Koralm-Bahnhof am Flughafen Graz – können wir uns das wirklich leisten?
Auch hinsichtlich des Ansinnens, dass dieses Geld eben in die richtigen Kanäle fließen sollte, sagen wir ganz klar, ja, wir müssen uns das leisten. Die Verkehrsanbindung, auch in die nördliche Richtung, ist essenziell für die Zukunft des Wirtschaftsstandorts. Das gilt auch für den Flughafen Graz, es wäre ja absurd, wenn die Koralmbahn da einfach vorbeifährt.

In Wien stößt ein Pyhrn-Ausbau mit Blick auf die Westbahn nicht auf große Begeisterung, in Kärnten wird ein Koralm-Bahnhof am Grazer Flughafen aus Sorge um den Klagenfurter Flughafen seit jeher eher kritisch beäugt. Sind wir trotz historischer Krise zu stark in föderalem Kastendenken verheddert?
Wenn nicht jetzt die Chance besteht, Kräfte sinnvoll zu bündeln und etwas gemeinsam zu machen, wann dann? Ich hoffe, dass sich in solchen Zeiten viele Positionen bewegen lassen, bitte arbeiten wir gemeinsam daran.

Die IV hat sich immer wieder als Mahner für Budgetdisziplin positioniert, hat sich das geändert, viele stellen sich die Frage, wer soll all das eigentlich bezahlen?
Die Devise, koste es, was es wolle, kann nicht mehr gelten. Ich jetzt möchte niemanden nachträglich für diese Aussage verurteilen, weil man sich auch die Zeit, in der sie getroffen wurde, vor Augen halten mus. Aber es geht darum, wo und wie das Geld effizient, sinnvoll und nachhaltig genutzt werden kann.

Was stimmt Sie zuversichtlich, dass man tatsächlich gestärkt aus der Krise hervorgehen kann?
Grundsätzlich ist die steirische Industrie sehr gut und breit aufgestellt. Die Unternehmen fangen nicht jetzt erst damit an, innovativ zu denken oder in die Digitalisierung zu investieren. Hier sind wir flexibel, innovativ und anpassungsfähig. Das stimmt mich für die Bewältigung der Krise und die Zukunft auch sehr zuversichtlich. Hinzu kommen äußerst gut qualifizierte Mitarbeiter. Ich erlebe jetzt überall höchste Motivation mit der Überzeugung, wir kommen da durch.

Wie würden Sie ihren Führungsstil beschreiben?
Ich würde mich schon als offen und teamorientiert bezeichnen. Ich versuche, ein paar wenige Rahmenbedingungen vorzugeben, habe dann aber großes Vertrauen in mein Team, das sind tolle Leute, die auch wissen sollen, dass sie sich voll einbringen können. Ich will ihnen dafür den Rückhalt geben.