Ein „guter Sommer“ soll es werden. So wollen es die Werbestrategen. Die Bundesregierung lässt keine Gelegenheit aus, trotz offener Grenzen, das Risiko von Auslandsreisen in Coronazeiten zu unterstreichen. Und die Österreich Werbung investiert, gemeinsam mit Ländern und ÖBB, 2,5 Millionen Euro in eine Kampagne für Inlandsurlaub. Die Österreicher sollen ihr eigenes Land entdecken und so auch die heimische Wirtschaft unterstützen, lautet das Ziel.

Bundesländer und Tourismusregionen liefern sich seit Wochen ein noch die dagewesenes Buhlen um Aufmerksamkeit – so sind etwa unzählige Radio- und TV-Spots on air. „Vorfreude“, „Das erste Mal wieder an Urlaub denken“, „Endlich wieder“, „Aufatmen“, „Es geht bergauf“. Mit Botschaften wie diesen und Bildern von Menschen in unberührter Natur sollen die Österreicher zum Heimaturlaub animiert werden.

Ein Akt der Verzweiflung

„Es ist eine Akt der Verzweiflung, dass sich Bundesländer und Österreich Werbung auf den Inlandsmarkt stürzen“, konstatiert der Zukunftsforscher Andreas Reiter. „Auch wenn man noch so viel reinbuttert, der Markt wird nicht viel größer werden.“ Eine Einschätzung, die Tourismusforscher Peter Zellmann teilt: „Letztlich geht es in diesem Sommer um Schadensbegrenzung“, ist er überzeugt. „Schöne Bilder und austauschbare Slogans sind keine ausschlaggebende Motivation für den Urlaub im eigenen Land. Diese Impulse dienen eher dem Wettbewerb untereinander. 90 Prozent derer, die im Inland vereisen, wissen, wohin sie wollen“, sagt Zellmann mit Blick auf derzeit laufende Kampagnen.

Reiter sieht diese hingegen „vom reinen Marketing her durchwegs gut gemacht“, weil „die Sehnsuchtsfelder der Gäste angesprochen“ werden: Seen, Berge, frische Luft, schöne Landschaft und viel Platz. Menschenmassen auf Almhütten zeigt man derzeit lieber nicht. „Freiheit, Natur, Miteinander, Sicherheit“ sind die wichtigsten Faktoren für die Urlaubsentscheidung, ergab eine Umfrage, die Meinungsforscherin Sophie Karmasin im Auftrag von Österreich Werbung und Landestourismusorganisationen durchführte.

Urlaub auf Balkonien oder im Appartement

61 Prozent jener, die im Sommer auf Urlaub fahren wollen, planen demnach, diesen in Österreich zu verbringen. Zum Umfragezeitpunkt Ende April war freilich noch offen, wann und unter welchen Bedingungen Auslandsreisen wieder möglich sein werden. Zellmann spricht daher von „Hurra-Umfragen“, mit denen Touristiker (Zweck)-Optimismus versprühen. „Viele werden auch einfach nicht wegfahren. Urlaub auf Balkonien wird der große Gewinner“, ist er überzeugt.

Die Gründe: „Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit. Oder wegen Kinderbetreuungspflichten gar kein Urlaub mehr übrig.“ Generell sei Österreich aber ein „typisches Corona-Urlaubsland, das viel Abstand ermöglicht“, sagt Zellmann. Reiter verweist auf die Ziel- und Risikogruppe der „Best Ager“, die „normalerweise in den Süden fahren“ würden. „Die sind sehr risikobewusst und werden auch in Österreich in keine klassische Tourismusinfrastruktur fahren, sondern vielleicht ein Appartment mieten.“

Die Steiermark mit Imagevorteil

Der Zukunftsforscher sieht bei der Steiermark, die im Gegensatz zu Mitbewerben noch keine heftige Werbeoffensive gestartet hat, generell einen „Imagevorteil im österreichischen Markt, vor allem im Großraum Wien“. Die Steiermark sei das klassische Urlaubsland für Österreicher im Sommer, deshalb habe man jetzt weniger Bedarf für eine intensive Kampagne, so Reiter.

Dass Kärnten aufgrund guter Coronazahlen sehr früh mit dem Slogan „Vorfreude“ startete, war laut Zellmann „vernünftig und hat gut funktioniert“. Es gibt aber eine Einschränkung: „Die, die unsicher waren, beginnen sich erst jetzt für einen Urlaub zu entscheiden. So gesehen war Kärnten vielleicht auch zu früh dran.“

Kritik üben die beiden Experten weniger an den Tourismus-Marketern als an der Politik. Mit Reisewarnungen zu suggerieren, Österreich sei sicher und andere Länder nicht, könnte imagemäßig mehr schaden, als es dem Tourismus bringt. Zellmann: „Da geht man nicht wirklich fair mit unseren auch vom Tourismus abhängigen Mitbewerben um.“