Sie waren seit dem Jahr 2000 für die MAG Maschinen- und Apparatebau AG tätig, davon rund acht Jahre als Vorstand. Wie ist es dazu gekommen, dass Sie jetzt Geschäftsführerin des ACStyria werden?

CHRISTA ZENGERER: Ich habe zufällig gelesen, dass diese Stelle zu besetzen ist, und mir gedacht, wenn ich im Leben beruflich noch einmal etwas anderes machen möchte, dann jetzt. Weil irgendwann ist die Uhr abgelaufen und dann ist es zu spät. Ich bin viel unterwegs, mit dem Flugzeug, mit der Bahn, hauptsächlich ist es aber meine Affinität zu Autos gewesen, die das sehr reizvoll gemacht hat.

Es gab fast 40 Bewerber, Sie haben sich durchgesetzt ...

Ich habe mich eigentlich relativ unbeschwert beworben, es schon ernst genommen, mir aber gedacht, wenn es nicht sein soll, dann ist es nicht. Ich habe mich dann aber riesig gefreut, als die Entscheidung für mich gefallen ist.

Sie haben ja direkt nach Studienabschluss bei MAG begonnen, wie schwer fällt es nach so vielen Jahren, einen neuen Weg einzuschlagen?

Wenn ich mich für etwas entscheide, dann ziehe ich es auch durch. Ich habe daher gewusst, wenn ich mich bewerbe und ich werde genommen, dann mache ich es auch. Aber natürlich fällt es nach so langer Zeit und nach so vielen Erlebnissen auch schwer. Aber ich freue mich jetzt sehr auf diese neuen Herausforderungen.

Sie haben Ihre Affinität zu Autos erwähnt. Was ist denn Ihr Traumauto? Und welches fahren Sie wirklich?

Ein Porsche wäre mein Traumauto, privat fahre ich einen BMW. Ich habe mich schon als Kind immer mehr zu Autos hingezogen gefühlt als zu Puppen. So ein Porsche Targa, das wär schon was ...

Sie haben an der Montanuniversität Leoben Werkstoffwissenschaften studiert. Warum?

Ich bin in ein neusprachliches Gymnasium gegangen, an sich eine schlechte Voraussetzung für ein technisches Studium. Aber für mich war immer klar, ich möchte etwas Technisches weitermachen. Ich war immer den Fächern Mathematik, Physik, Chemie zugetan, auch Sprachen sind mir gelegen.

Ich habe mich damals zuerst an der TU Graz umgesehen, dort aber eine Vorlesung erwischt, die heillos überfüllt war, da sind alle auf den Stufen herumgesessen. Daher habe ich mich nach Alternativen umgesehen und das war dann die Montanuniversität. Und es war absolut die richtige Entscheidung. Ich würde es immer wieder machen und ich kann es auch jedem empfehlen.

Es wird ja immer wieder gefordert, bei den Menschen das Interesse für die MINT-Fächer zu wecken, gerade wegen des Facharbeitermangels. Was haben Sie als Managerin getan, um dieses Interesse zu wecken?

Man muss präsent sein. MAG ist weltweit führend in der Lackdraht-Industrie, in Österreich und der Steiermark aber so gut wie niemandem bekannt. Das gilt wohl auch für Lackdraht als solches. Das klingt erst einmal nach einer relativ unattraktiven Geschichte. Wenn man aber weiß, dass Lackdraht von Smartphonelautsprechern über Quarzuhren bis zum Generator, vom Haarföhn bis zur Waschmaschine überall drinnen ist, vor allem aber auch in den Bereichen Automotive, Railsystems und Aerospace, sieht die Sache schon anders aus. So ist es uns über diese Produkt- und Zulieferschiene gelungen, junge Menschen für die MAG zu gewinnen.

Wie viele Wochen haben Sie in den vergangenen Jahren so im Schnitt im Ausland verbracht?

Sehr viele. Vor allem heuer war ich extrem viel unterwegs, ich glaube, bis auf zwei, drei Wochen war ich jede Woche irgendwo unterwegs. Die MAG hat ja einen Exportanteil von 100 Prozent und zwei Joint-Venture-Betriebe, einen in China, einen in Russland. Ich habe über die Jahre Länder bereist, in die wäre ich privat wohl nie gekommen, damit sind aber so viele positive Erinnerungen und Erlebnisse verbunden, das möchte ich auf keinen Fall missen.

Können Sie schon erste Leitlinien nennen, die Sie als Chefin des ACstyria verfolgen wollen?

Ich bin ein Mensch, der sich einmal das bestehende System ansieht, bin also keiner, der sich am ersten Tag hinstellt und sagt, die Vergangenheit interessiert mich nicht, ich mache alles neu. Die Richtungen, die ich bisher gesehen habe, sind absolut gut, das sieht man ja auch, der ACstyria hat international eine sehr gute Reputation und mehr als 300 Mitglieder. Was ich sicherlich noch weiter forcieren möchte, ist die Internationalisierung.

Bratislava und die dortige Autoindustrie liegt beispielsweise sehr nahe, wären da Anknüpfungspunkte ...

Aus meiner Sicht steht die Welt komplett offen. Als ich studiert habe, hat Siegfried Wolf, der damals gerade Chef von Magna war, einmal gesagt – und das habe ich mir bis heute gemerkt –, dass es seine Vision ist, dass Magna der größte Automobilhersteller der Welt ohne eigene Marke wird. Und meine Vision ist es, dass die Steiermark das weltweite Kompetenzzentrum für Mobilität wird. Jeder, der, in welcher Frage auch immer, einen technologischen Input benötigt, sollte sofort einmal an die Steiermark denken.

Wie wird die Steiermark als Fertigungs- und Entwicklungsstandort von außen wahrgenommen?

Österreich hat generell einen sehr hohen Stellenwert in der ganzen Welt. Es wird anerkannt, dass viel Innovationskraft da ist, dass wir absolut professionell arbeiten und doch eine gewisse Flexibilität beibehalten haben. Der Otto Normalverbraucher irgendwo auf der Welt mag über Österreich vielleicht nicht viel wissen, aber im industriellen Bereich und in der Forschung ist das ganz anders, da kennt man Österreich sehr wohl und auch die Steiermark. Jeder kennt die Automobilindustrie in Graz. Magna, AVL, das sind Betriebe, die strahlen in die ganze Welt aus. Ich war erst jetzt im August in Indien, im allerletzten Winkel. Und der Kunde hat mir dort ganz genau erklärt, was Magna in Graz produziert.

Das heißt auch, der Wettbewerb mit China oder den USA ist noch nicht verloren? Europa kann mithalten?

Nein, der ist nicht verloren. Aber wir sind halt nicht das Billigproduktionsland, das in der Massenproduktion konkurrieren und punkten kann. Aber wir haben so viele Nischen, in denen es echte Spezialisten gibt. Deren Know-how und deren Produkte sind weltweit gefragt. Nur wenn ich heute das Gleiche biete, zum dreifachen Preis, dann wird es halt nichts werden.

Elektromobilität in all ihren Ausprägungen ist in aller Munde. Welche Varianten werden sich aus Ihrer Sicht durchsetzen?

Ich bin kein Prophet. Ich denke, dass es eine Mischung sein wird. Ich glaube nicht, dass der Verbrennungsmotor so schnell sterben wird. Aber wo die Reise wirklich hingehen wird, ist schwer vorherzusehen. Wir erleben einen extremen Umbruch, fast so wie der einstige Umstieg von der Pferdekutsche auf das Automobil. Es gibt in diesem Wandel so viele verschiedene Aspekte, aber auch völlig neue Firmen, die plötzlich mitspielen, auch abseits klassischer Autohersteller.

Ist für Sie als erklärter Autoliebhaberin so etwas wie autonomes Fahren, also ein selbstfahrendes Auto, technologisch faszinierend oder doch eher abschreckend?

Beides. Technologisch ist das sehr faszinierend. Wobei ich mir die Übergangsphase nur schwer vorstellen kann, also jene Zeit, in der die einen noch selbst fahren und andere autonom, da könnte es schon Komplikationen geben. Für jemanden wie mich, der sehr gerne selbst Auto fährt, ist das schwerer vorstellbar.

Könnte das Auto seinen Nimbus als Statussymbol verlieren?

Es könnte schon sein, dass das Auto und der damit verbundene Status in einigen Jahren anders wahrgenommen wird als heute. Es wachsen ja auch die nächsten Generationen anders auf, als etwa ich aufgewachsen bin. Da wird ein Auto womöglich gar nie als Statussymbol wahrgenommen, sondern als reines Transportmittel.

Wie sehen Sie da den Einfluss der Politik, gerade wurde beim EU-Umwelt- und Verkehrsministerrat die „Grazer Deklaration“ für saubere Mobilität verabschiedet. Wie sehr kann die Politik hier steuernd eingreifen?

Über Verkehrskonzepte ist Steuerung schon möglich, gewisse Richtungen werden vorgegeben. Es wird gewisse Regularien geben, denen die Industrie auch folgen muss.

Präferieren Sie Anreizsysteme oder können Sie sich auch Verbote vorstellen?

Ich bin generell kein großer Fan von Verboten. Meiner Meinung nach muss es ein fließender Übergang sein, eine Kombination aus verschiedenen Maßnahmen. Es kann nicht sein, dass wir jetzt 100 Jahre mit dem Verbrennungsmotor gefahren sind und jetzt lassen wir, von heute auf morgen, den Vorhang runter und setzen nur noch auf Elektromobilität. Das ist unrealistisch.