Rund 750 Funktionäre zählt Raiffeisen in der Steiermark; zwölf Prozent davon sind Frauen. „Raiffeisen ist noch immer klassisch männlich“, sagt Michaela Stock. Die Universitätsprofessorin leitet das Institut für Wirtschaftspädagogik an der Karl-Franzens-Universität Graz. Und sie ist im Vorstand des steirischen Raiffeisenverbands (bis vor Kurzem als einzige Frau) sowie Obfrau der Raiffeisenbank Graz St. Peter. 

Die Kunden- und auch die Mitarbeiterstruktur spiegle der Frauenanteil auf Funktionärs- und Aufsichtsratsebene im steirischen Raiffeisensektor nicht wider, sagt auch Doris Grantner-Planitzer. Die frühere Managerin in der Baumarktbranche und heutige Unternehmerin ist seit 2001 auch Raiffeisen-Funktionärin. Zunächst noch in St. Margarethen – „davor hat es dort 100 Jahre keine Frau in einer Funktionärsfunktion gegeben“ (Grantner-Planitzer) –, ist sie mittlerweile zweite Obmann-Stellvertreterin bei der Raiffeisenbank Aichfeld (mit elf Bankstellen die zweitgrößte steirische Raiba). Vor wenigen Tagen wurde sie mittels Ergänzungswahl auch in den Vorstand des Raiffeisenverbandes gewählt.

"Wir können das schaffen"

Gemeinsam mit Michaela Stock engagiert sie sich für eine stärkere Diversifizierung in den Gremien. Dafür wurde 2014, auf Initiative von Raiffeisen-Generalanwalt Walter Rothensteiner beim damaligen Raiffeisentag in Graz, ein eigener Beirat ins Leben gerufen. Dieser hat sich explizit auch die Stärkung von Frauen bei Raiffeisen zum Ziel gesetzt. Ein Prozess der kleinen Schritte. „2014 lag der Frauenanteil auf Funktionärsebene noch bei 8,5 Prozent, mittlerweile sind es zwölf.“ Längerfristiges Ziel ist es, bis 2025 auf rund ein Viertel zu kommen. „Wir können das schaffen“, betont Stock, die aber auch klarmacht, dass es Taten und nicht nur schöne Worte dafür brauche. Doch das Thema werde „intensiv in Angriff genommen“. Letztlich gehe es um eine Bewusstseinsänderung, „um die Frage, wie man Stereotype aufbricht“. Die ab 2018 geltende Quotenregel für Aufsichtsräte von großen Konzernen sieht Stock differenziert. „Ich verteufle Quoten nicht, juble aber auch nicht darüber.“

In Skandinavien habe Quoten zur gewünschten Erhöhung des Frauenanteils geführt. „Dafür gibt es dort jetzt Debatten über die sogenannten Goldröcke, also Frauen, die in vielen verschiedenen Gremien vertreten sind.“ Eine entbehrliche Debatte. „Bei Männern, die viele Funktionen innehaben, heißt es umgekehrt, wow, schau, wie gut der vernetzt ist.“

"Ein gemischtes Gremium schafft Buntheit"

Laut Grantner-Planitzer gehe es im Beirat aber um mehr als den Frauenanteil. „Ein gemischtes Gremium schafft Buntheit.“ Es gehe darum, gesellschaftliche Realitäten und Entwicklungen abzubilden, daher spiele neben dem Geschlecht etwa auch die Altersstruktur, der berufliche Hintergrund, die Herkunft eine Rolle. „Diese Vielfalt ist gewollt, sie macht den Unterschied“, betont Stock.

Doch nicht nur in der Zusammensetzung, auch bei den Anforderungsprofilen für Aufsichtsräte habe sich viel getan. Es gehe teilweise um komplexe Themen und Haftungsfragen. Neben entsprechendem wirtschaftlichen Grundverständnis sei daher auch Aus- und Weiterbildung unerlässlich. Bei Raiffeisen werde das stark forciert. Es gebe eigene, jährlich adaptierte Bildungspläne. Das nötige Know-how wird auf einem eigenen Campus vermittelt. Abschlussprüfung inklusive. „Zeitaufwand und Anforderungen sind hier sicherlich fordernd.“
Die Fusionswelle von Primärbanken im Raiffeisensektor biete auch im Zusammenhang mit der Zusammensetzung von Aufsichtsratsräten Chancen. „Solche Funktionen – das sind keine Erbhöfe mehr“, betont Stock.