Die E-Mail-Postkästen des Landes quellen dieser Tage über. Eine Springflut ähnlich bis gleich klingender Nachrichten verstopft den elektronischen Kommunikationskanal. Jeder Onlineshop, jedes Unternehmen, jeder Geschäftspartner, jede Bloggerin, jeder Newsletter-Absender und überhaupt alles und jeder, dem man irgendwann einmal bewusst oder unbewusst, gewollt oder gefordert seine Kontaktdaten hinterlassen hat, bittet und bettelt unter der DSGVO-Standarte um Zustimmung.

Hinter dem vierstelligen Code verbirgt sich das juristische Wortungetüm „Datenschutz-Grundverordnung“. Es handelt sich dabei um eine umfassende Rechtsvorschrift aus der Paragrafenschmiede der Europäischen Union, die unter der Ordnungsnummer 2016/679 in elf Kapiteln und 99 Artikeln das künftige Leben der EU-Bürger mit einem rasant wachsenden Alltagsbegleiter regeln soll: den Daten.

Daten wie Unkraut

Sie sind überall. Werden allerorts produziert, gesammelt, gespeichert, erbeten, verschenkt, verkauft, hochgerechnet, ausgewertet, analysiert und interpretiert. Man kommt ihnen nicht mehr aus. Sie werden immer mehr. Bestehende Quellen versiegen nicht, immer neue kommen dazu. Smartphones, Navigationsgeräte, Kundenkarten, Apps, die sportliche Aktivitäten, Bus- und Zugfahrten, Lieblingslieder und Einkaufsverhalten aufzeichnen: Überall wuchern Daten wie Unkraut.
Der technologische Fortschritt fräst sich in der Kampfuniform einer digitalen Revolution durch sämtliche Nischen unserer Gesellschaften und Volkswirtschaften. Kriminelle Auswüchse inklusive. 87 Millionen Opfer soll es zuletzt durch den Missbrauch von Facebookdaten durch die britische Analysefirma Cambridge Analytica gegeben haben. Bis zu 445 Milliarden Dollar Verlust haben laut World Economic Forum Cyberattacken allein 2016 verursacht. Das alles speist am Eingang zur Ära des „Internets der Dinge“, wenn Autos und Ampeln untereinander und der Kühlschrank und die Kaffeemaschine selbstständig mit dem Supermarkt kommunizieren, die allgemeine Angst vor einem Kontrollverlust.

Spielregeln für den Datenverkehr

Mit der ab kommendem Freitag nach zweijähriger - vielerorts von gemütlicher Untätigkeit geprägter - Übergangsphase endgültig in Kraft tretenden Datenschutz-Grundverordnung hat die Politik jetzt Spielregeln für den Datenverkehr aufgestellt. „Denn die Daten sind nicht das Problem“, differenziert der in Oxford lehrende österreichische Datenexperte Viktor Mayer-Schönberger: „Es ist die Anwendung der Daten.“ Erst dadurch werden Menschen zu gläsernen Konsumenten, Unternehmen zu Lieferanten einer globalen Plattformökonomie, die Daten selbst zu einer Weltwährung, deren Wechselkurs kontinuierlich steigt.
Es scheint, als würde uns da ein artifizielles Phänomen nicht nur über den Kopf wachsen, sondern es - hochgezüchtet zu komplexen Algorithmen - auch das Kommando über unseren Alltag übernehmen. Das alles erinnert an Goethes „Zauberlehrling“ - die finale Verzweiflung inklusive: „Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los. In die Ecke, Besen, Besen!“