Europas Währungshüter halten trotz steigender Teuerungsraten an ihrem Kurs des billigen Geldes fest. Ein Ende des Zinstiefs im Euroraum ist weiterhin nicht in Sicht. Bei seiner Sitzung am Donnerstag beließ der EZB-Rat den Leitzins für den Währungsraum der 19 Staaten auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent. Auf diesem Niveau liegt der Zins nunmehr seit März 2016. Geschäftsbanken müssen nach wie vor 0,5 Prozent Zinsen zahlen, wenn sie Geld bei der Notenbank in Frankfurt parken.

Erst im Dezember will der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) entscheiden, wie es mit den milliardenschweren Anleihenkäufen weitergeht. Das hatte EZB-Präsidentin Christine Lagarde bereits angekündigt.

Beim Kauf von Anleihen tritt die EZB im laufenden Quartal zwar etwas auf die Bremse. Doch das zur Abfederung des Coronaschocks aufgelegte Kaufprogramm PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme) soll noch bis mindestens Ende März 2022 laufen. Veranschlagt hat die EZB in diesem Rahmen 1,85 Billionen Euro für den Erwerb von Staats- und Unternehmenspapieren.

Kurs nicht unumstritten

Kritiker werfen der EZB vor, mit dem vielen billigen Geld die Inflation anzuheizen, die sie eigentlich im Zaum halten will. Eine höhere Teuerungsrate schwächt die Kaufkraft von Verbrauchern, weil sie sich für einen Euro dann weniger kaufen können als zuvor.

Seit Monaten kennt die Inflation sowohl im Euroraum und somit auch Österreich nur eine Richtung: nach oben. Im September kletterte die Teuerungsrate im Währungsraum auf 3,4 Prozent.Das ist der höchste Stand seit 13 Jahren. Die EZB strebt für den Euroraum mittelfristig eine jährliche Rate von zwei Prozent an.

Lagarde stellte in ihren Ausführungen klar, dass die EZB das Thema sehr wohl im Fokus hat. "Inflation, Inflation, Inflation. Das war das Hauptthema, über das wir uns heute unterhalten haben." Schließlich habe die EZB ja nur ein einziges Ziel: Stabile Preise. Und diese werden bei einer symmetrischen mittelfristigen Inflation von 2,0 Prozent gesehen.

Effekte laufen aus

Dementsprechend hätten die Ratsmitglieder die aktuell steigende Teuerungsrate sehr genau analysiert, sagt Lagarde. "Wir haben drei Faktoren für den Preisanstieg ausgemacht. Energiepreise für Öl, Gas und Strom, sie sind für die Hälfte der Inflation verantwortlich. Preissteigerungen für Konsumprodukte und Dienstleistungen, weil es mehr Nachfrage als Angebot gibt. Und zuletzt gibt es Basiseffekte, wie die Mehrwertsteuer in Deutschland." Diese war ja im Coronajahr gesenkt worden.

Die Analyse zeige aber, so Lagarde weiter, dass diese Effekte im Lauf des kommenden Jahres auslaufen werden. Die deutsche Mehrwertsteuer wird schon im Jänner keine Rolle mehr spielen. "Auch die Energiepreise werden sich im Lauf des kommenden Jahres zumindest stabilisieren", sagt Lagarde. Und auch das fehlende Angebot an Waren und Dienstleistungen werde sich legen. "Dafür sorgen die Unternehmen, die Lieferketten neu aufbauen und mehr Produkte herstellen werden." Mittelfristig werde sich die Inflation daher wieder unter die gewünschten 2,0 Prozent bewegen. Was Lagarde allerdings eingesteht: "Es wird länger dauern, als wir bisher angenommen haben."

Kritiker Weidmann hört auf

Führende EZB-Vertreter erklären den Anstieg der Verbraucherpreise mit Sonderfaktoren wie der Erholung der Ölpreise nach dem Coronaschock im vergangenen Jahr. Auch die Rückkehr zu den üblichen Mehrwertsteuersätzen in Europas größter Volkswirtschaft Deutschland mit 1. Jänner 2021 hat einen Effekt auf die Teuerung im Euroraum.

Lagarde hatte Ende September betont, die Wirtschaft im Euroraum brauche nach dem Coronaschock weiterhin die Unterstützung der Geldpolitik: "Die Wirtschaft hat die Talsohle durchschritten, ist aber noch nicht ganz über den Berg." Der rasche Aufschwung nach Ende der Einschränkungen zur Eindämmung der Pandemie erkläre auch das zuletzt vergleichsweise kräftige Anziehen der Teuerungsraten. Es handle sich vor allem um "eine Phase vorübergehender Inflation im Zusammenhang mit der Wiedereröffnung", führte Lagarde aus.

Einer der Kritiker der ultralockeren Geldpolitik wird im EZB-Rat künftig fehlen: Jens Weidmann gibt sein Amt als Bundesbank-Präsident nach gut zehn Jahren per 31. Dezember 2021 vorzeitig auf und scheidet damit auch aus dem höchsten Entscheidungsgremium der EZB aus. Wer die Deutsche Bundesbank künftig führen wird, ist noch nicht entschieden.