Die Wirtschaft hat sich rasch erholt, es wird viel gebaut, doch bremsen andererseits allerorten Engpässe. Wie geht es Wienerberger Österreich in dieser Situation?
JOHANN MARCHNER: Wir haben für 2021 progressiv geplant, sind von der Entwicklung dennoch überrascht. Es ist mehr Menge gefragt, als wir geplant hatten. Wir sind mit einem sehr guten Lagerbestand ins Jahr gestartet und sind bis zur Jahresmitte der Nachfrage Herr geworden. Der Lagerbestand nun ist aber auf einem Allzeittief, obwohl wir auf Volllast produzieren und täglich viele Lkw unsere Werke verlassen. Man könnte sagen, der Ziegel wird gar nicht mehr kalt. Kaum gebrannt, hat er einen Abnehmer.

Wie lange ist die Wartezeit?
Derzeit sechs bis acht Wochen anstatt einer Woche.

Als lokaler Baustoffhersteller hängt Wienerberger aber nicht an unterbrochenen Lieferketten. Woran hakt es also konkret?
Es spielen viele Effekte hinein. Im Holzbereich etwa ist es zu deutlichen Verteuerungen gekommen und das hat sicher dazu geführt, dass Mengen von Holz in Richtung Ziegel geschichtet wurden. Auch dass Dämmstoffe knapp und teurer wurden, befeuerte die Nachfrage nach unserem monolithischem Ziegel-Wandsystem.

Johann Marchner, Wienerberger Österreich
Johann Marchner, Wienerberger Österreich © Wienerberger/Andreas Hafenscher

Kritische Stimmen meinen, es würde Ware zurückgehalten, um an der Preisschraube zu drehen.
Da möchte ich widersprechen. Zu Beginn von Corona stand die Produktion vier Wochen still, seither fertigen wir sieben Tage 24 Stunden. Höhere Kosten geben wir nur moderat weiter.

Wie löst Wienerberger den Engpass auf?
Innerhalb des Konzerns lassen wir uns Waren aus Italien und Tschechien liefern. In unserem größten Ziegelwerk in Hennersdorf haben wir eine halbe Million Euro investiert, um die Kapazität um 15 Prozent zu steigern, damit können wir 400 Einfamilienhäuser pro Jahr zusätzlich herstellen. Richtig zum Tragen kommen beide Maßnahmen nächstes Jahr.

Sie rechnen also nicht mit einem Ende des Baubooms?
2022 wird der Baumarkt noch sehr gut sein, 2023 wird er sich auf eine gute Balance von Angebot und Nachfrage einpendeln.

Was treibt das Wachstums an? Lauter Nachholeffekte?
Corona hat ein Umdenken herbeigeführt. Der Sicherheitsaspekt forciert Heim und Haus, das fördert quasi die De-Urbanisierung. Das Thema Homeoffice bleibt nachhaltig, daher ist es notwendig, zu Hause Raum zu schaffen. Hinzu kommen niedrige Zinsen und die Furcht der Menschen vor weiter steigenden Baukosten und Grundstückspreisen. Daher investieren viele jetzt.

Apropos urban: Wie geht es Ihnen als Baustoffhersteller mit der Forderung nach einem Baustopp?
Das ist eine gesellschaftliche Fragestellung. Solange wir leistbaren Wohnraum für Menschen schaffen müssen, müssen wir uns mit dem Bauen auseinandersetzen. Österreich ist klein, aber ein Zuwanderungsland, wir werden weiter einen grundsoliden Baumarkt erleben.

Welche Klimaschutzmaßnahmen setzt Wienerberger?
Wir haben den ersten klimapositiven Ziegel auf den Markt gebracht, haben seit Jahren Ökostrom im Einsatz, Hochtemperaturwärmepumpen an zwei Standorten, neue Ofentechnologien und eine Fotovoltaikstrategie an allen Standorten. Das alles wird unseren CO2-Fußabdruck um mehr als 80 Prozent reduzieren.

Auch das Sanieren von Altbestand ist ein Klimaschutzthema. Haben Sie Hoffnung, dass Österreich absehbar die Versäumnisse nachholen wird?
Unter dem Aspekt der Dekarbonisierung wird das an Fahrt gewinnen. Der Bedarf ist da und die Zeit bis 2040 kurz. Wir sind von der Willensbekundung einen Schritt weiter.

Dachziegel aus Gleinstätten in der Steiermark werden in acht Länder exportiert
Dachziegel aus Gleinstätten in der Steiermark werden in acht Länder exportiert © Wienerberger

In der Steiermark (Gleinstätten) und in Kärnten (St. Andrä) betreiben Sie wichtige Produktionsstandorte. Welche Investitionen stehen dort an?
Insgesamt investieren wir jedes Jahr annähernd eine zweistellige Millionensumme. Nun stehen größere Investitionen vor der Tür – in neue Technologien. Auch kleinere Maßnahmen haben es aber in sich, zum Beispiel die flächendeckende Umstellung auf E-Stapler. In Gleinstätten installieren wir eine digitale Qualitätskontrolle, die Farbe und Form des Dachziegels misst. Das ist ein Pilotprojekt und nicht ganz trivial in der Umsetzung. Und St. Andrä ist in der Gruppe die Pilotfabrik für Industrie 4.0. Das zeigt sich in der Höhe der Investitionen von 1,1 Millionen Euro heuer und nächstes Jahr.

Finden Sie Fachkräfte?
Ja, aber der Mangel ist für alle sichtbar. Die richtigen Mitarbeiter finden, entwickeln und halten, ist eine Kernaufgabe geworden. In den nächsten Wochen startet wieder unsere Lehrlingsoffensive, das ist mir ein persönliches Anliegen.