In der Kommunikationszentrale des VW-Konzerns dürfte es für erhöhten Pulsschlag gesorgt haben. Was war passiert? Der Sprecher für den Bereich E-Mobilität hatte auf LinkedIn einen Bericht über seine Italienreise mit einem VW-Elektroauto gepostet. Lob und Begeisterung für die neue Technologie waren erwartbar. Überraschend war dagegen die Reaktion von VW-Konzernchef Herbert Diess: „Zu wenige Ladepunkte am Brenner! (…) kein WC, kein Kaffee, eine Säule außer Betrieb/defekt, traurige Angelegenheit. Das ist alles andere als ein Premium-Ladeerlebnis!“ Pikant: Der kritisierte Ladesäulenbetreiber Ionity ist ein Gemeinschaftsprojekt von BMW, Daimler, Ford – und VW.

Eine Kopfwäsche des Chefs für eine Konzerntochter auf offener Bühne einer Social-Media-Plattform? Gibt’s auch selten. Vor allem, wenn man bedenkt, dass es sich bei Diess um einen LinkedIn-Reichweiten-„Herkules“ handelt. Er ist unter den CEOs deutscher Börsenunternehmen jener mit der größten Anhängerschaft auf LinkedIn. Aktuell folgen dem Volkswagen-Konzernboss über 207.000 Follower. Deutlich dahinter auf Platz zwei rangieren SAP-CEO Christian Klein (112.700) und Telekom-Boss Tim Höttges (knapp 105.000). Die Chefs sind damit wichtige Multiplikatoren – in eigener Sache, aber auch für ihr Unternehmen. Das gilt auch für Österreich, wo man aber deutlich kleinere Kuchen bäckt.

Österreichs LinkedIn-Kaiser

Einer der reichweitenstärksten CEOs dürfte Alexis von Hoensbroech sein. Kurios: Der Vorstandschef der Austrian Airlines hat mit rund 46.500 Followern sogar mehr als das Unternehmen, dem er vorsteht. Für österreichische Verhältnisse stark sind auch Magenta Telekom-Chef Andreas Bierwirth mit rund 8200 Followern, ÖBB-Boss Andreas Matthä (5700), Infineon-Vorstandschefin Sabine Herlitschka (4300) und Erste Bank-CEO Bernd Spalt (3500).

LinkedIn hat sich – vor allem während der veranstaltungslosen Lockdown-Monate – als eine wichtige geschäftliche Vernetzungs- und Informationsplattform etabliert. Anders als auf Instagram, Facebook und TikTok stehen hier berufliche Inhalte im Vordergrund. Und der Zuspruch zur Business- und Karriereplattform, die 2016 von Microsoft um 26 Milliarden US-Dollar übernommen wurde, wächst. Die Zahl der Follower und Profile steigt.

Intensität höchst unterschiedlich

Die Intensität der Nutzung ist allerdings individuell höchst unterschiedlich, wie eine Untersuchung der Wiener Strategieberater Thomas Goiser und Richard Pettauer zeigt. Sie haben die LinkedIn-Präsenz der Manager von im heimischen Börse-Leitindex ATX notierten Unternehmen analysiert.

Fazit: Nur neun der 37 ausgewerteten Manager (36 Männer, eine Frau) verwenden LinkedIn aktiv, indem sie kommentieren, liken und eigene Beiträge posten. Sechs ATX-Manager wurden als „Repräsentanten“ kategorisiert, die zwar ein Profil haben, in dieser Form aber nur anwesend und nicht oder nur sehr zurückhaltend aktiv sind.

Ohnehin sind es nicht immer die Chefs alleine, die da unter ihrem Profilbild posten und kommentieren. Manche werden von ihren Kommunikationsteams unterstützt. Erfolgsrezept ist aber ein möglichst hohes Maß an Authentizität und Originalität. Zu viele Ghostwriter lassen ein Profil zur Karikatur schrumpfen. Es gilt, Nähe zu zeigen und eine eher niederschwellige Kontaktmöglichkeit für die Community zu bieten. Es geht dabei nicht nur um quantitative Kriterien, sondern auch um Qualität der Inhalte. Und nicht zuletzt sollen im Sinne einer persönlichen Markenbildung auf einem eigenen Profil auch Einblicke in die individuelle, halbprivate Denkwelt gewährt werden. Beispielsweise wenn es um die unzureichende Ladestation-Infrastruktur für Elektroautos am Brenner geht, wie bei VW-Boss Diess.

LinkedIn als globale Jobplattform

Das gilt freilich nicht exklusiv für die Konzernbosse, sondern sowohl für die Inhaber kleinerer Unternehmen beziehungsweise für tatsächliche oder potenzielle Mitarbeiter. LinkedIn funktioniert nämlich auch als globale Jobplattform, wie rund 60.000 gepostete Stellenanzeigen belegen.
Es bleibt ein zweischneidiges Schwert. Denn sogenanntes „Social Hacking“, also das Anlegen eines Profils unter falschem Namen, ist eine verbreitete Missbrauchsvariante in der virtuellen Welt. Hat sich ein Unbekannter erst einmal den Account geschnappt, ist es für die betroffene Person oder das Unternehmen kompliziert, diese potenzielle Falschmeldungsquelle trockenzulegen.