Es herrscht Redebedarf rund um Österreichs Arbeitsmarkt. Eigentlich stehen dort ja seit geraumer Zeit die Zeichen auf Erholung. Sprengte 2020 die Zahl der arbeitslosen Menschen im Land zeitweise noch sämtliche Rekorde, liegt man mittlerweile wieder fast auf dem Niveau von 2019. Gleichzeitig verschärft das aktuelle Absinken der Arbeitslosenzahlen die Situation vieler Betriebe, die händeringend nach passenden Arbeitskräften suchen.

Das führte jüngst wiederum zu Debatten um eine mögliche Verschärfung von Zumutbarkeitsbestimmungen und mündet jetzt in eine Diskussion um Zuverdienstmöglichkeiten für arbeitslose Menschen. Aktuell dürfen diese zeitlich unbefristet geringfügig beschäftigt arbeiten, die Verdienstgrenze für derlei Beschäftigung liegt zurzeit bei monatlich 475,86 Euro.

Kopf: Verboten oder massiv eingeschränkt

Zurzeit. Er habe "viel" über die aktuell geltende Regelung "nachgedacht", erzählte Johannes Kopf jetzt im Interview mit den Oberösterreichischen Nachrichten. Schließlich kam er AMS-Chef zum Schluss, dass es Zeit für eine Änderung wäre. Kopf: Zuverdienstmöglichkeiten gehören "wenn nicht verboten, so doch massiv eingeschränkt."

Ob es wirklich dazu kommen wird, steht freilich noch in den Sternen und ist jedenfalls verbunden mit politischem Willen und einer notwendigen Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AlVG). Für viel Aufsehen sorgte die Äußerung umgehend. Was aber spricht überhaupt für und was gegen solch eine Maßnahme?

WAS FÜR DIE ABSCHAFFUNG SPRICHT

Beginnen wir mit blanken Zahlen. Knapp elf Prozent der beim AMS vorgemerkten Personen arbeiten heute "dazu", vor der Krise lag die Zahl etwas höher. In der Steiermark waren es im Jahr 2020 im Schnitt knapp 5000 Personen, die arbeitslos vorgemerkt und geringfügig beschäftigt waren. Das zeigt: Eine Änderung der Zuverdienstmöglichkeit würde jedenfalls viele Menschen treffen.

Für eine Abschaffung des Zuverdienstes spricht die Theorie, dass sich dann der Unterschied zu einem regulären Erwerbseinkommen vergrößert und der finanzielle Anreiz, wieder arbeiten zu gehen, steigt. "Durch die Kombination aus Arbeitslosengeld, sonstigen Unterstützungen und dem Nebenverdienst ist es oft attraktiver, in der Arbeitslosigkeit zu verharren", beschreibt etwa der ÖVP-Wirtschaftsbund, der die Kopf-Idee in einer Aussendung begrüßt, den Status Quo.

Prinzipiell heißt es, dass sich vor allem Niedriglohn-Branchen wegen der vorhandenen Zuverdienstmöglichkeit schwertun, Mitarbeiter zu finden. Dieser Aspekt hat allerdings eine paradoxe Dimension. Gleichzeitig sind es nämlich just Branchen wie der Reinigungsbereich, das Transportgewerbe, der Handel oder die Gastronomie (Catering-Unternehmen im Speziellen), die aktuell besonders häufig auf geringfügig Beschäftigte zurückgreifen. Auch, so hört man es dieser Tage regelmäßig, weil sich viele Betriebe keine andere Form der Beschäftigung leisten können oder wollen.

"Wir sind mit der Arbeitslosigkeit so weit heruntergekommen, dass wir in Bestände kommen, wo Vermittlung immer schwieriger wird", ergänzt der steirische AMS-Chef Karl-Heinz Snobe. Man sehe nun sehr deutlich, dass der Zuverdienst "vermittlungshemmend" wirke, wenn er "zu lange" ausbezahlt wird. Der Steirer spricht sich deswegen für eine zeitliche Befristung "von drei Monaten aus". Aber: Sollte es also zu einer Änderung der Zuverdienstmöglichkeit kommen, werde es jedenfalls einen "Höllenaufschrei bestimmter Branchen geben", prognostiziert Snobe.

WAS GEGEN DIE ABSCHAFFUNG SPRICHT

Nun, einen wesentlichen Grund für die Aufrechterhaltung des Zuverdienstes nennt Johannes Kopf selbst. Arbeitslose Menschen haben anhand einer erlaubten geringfügigen Beschäftigung "zumindest einen Fuß in der Arbeitswelt". "Arbeitstugenden" blieben dadurch erhalten, der Weg zurück in die Beschäftigung falle leichter.

Man dürfe nicht von der "Arbeitslosigkeitsfalle auch noch in die Armutsfalle geraten" sagt wiederum Gernot Mitter, Arbeitsmarktexperte der Arbeiterkammer. Erst wenn die Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld von derzeit 55 Prozent auf 70 Prozent erhöhte werden würde, könnte man laut Mitter über die Zuverdienstmöglichkeiten sprechen. Denn: "Mittel- und langfristig hat ohnehin nur der Arbeitgeber Vorteile von einer geringfügigen Beschäftigung." Nicht zuletzt würde der Wegfall einer Zuverdienstmöglichkeit die "Leute in die Schwarzarbeit treiben", sagt der AK-Experte.   

Ein weiterer Kritikpunkt, zu hören von manch Grünen-Politiker: Eine Abschaffung der Zuverdienstmöglichkeit würde jene treffen, die zurzeit nur anhand der Kombination von Teilzeitjob und geringfügiger Beschäftigung finanzielles Auslangen finden. Verlieren sie ihren Teilzeitjob und werden arbeitslos, droht im Zuge der potenziellen Gesetzesänderung, dass auch die geringfügige Beschäftigung nicht mehr erlaubt ist.