Hans-Peter Wild zum Beispiel. Der heute 80-jährige Unternehmer, der mit Capri-Sonne reich geworden ist, hat seinen Bruder schon früh aus der Firma ausgezahlt.

Auch der Werdegang der Gebrüder Adolf und Rudolf Dassler schrieb Geschichte. In den 1920ern gründeten sie eine Fabrik für Sportschuhe. Der Zweite Weltkrieg zerbrach das Unternehmen. Adolf Dassler wurde nur ein Jahr zur Wehrmacht eingezogen und konnte das Unternehmen weiterführen. Bruder Rudolf musste an die Front und wurde erst nach Kriegsende aus der amerikanischen Gefangenschaft entlassen. Nach einem erbitterten Streit gründete Rudolf mit Puma ein eigenes Unternehmen.

Er war der Jüngere von zwei Brüdern: Adidas-Gründer Adolf "Adi" Dassler
Er war der Jüngere von zwei Brüdern: Adidas-Gründer Adolf "Adi" Dassler © APA/adidas

Dass Geschwister unser gesamtes Leben beeinflussen, ist längst ein alter Hut. Wie sie insbesondere die berufliche Laufbahn prägen, wird immer öfter zum Thema in Forschung und Praxis. Trainerin Corina Schomaker aus Potsdam macht Coachings speziell für junge Mütter und merkt, dass das Thema Geschwister oft unverhofft auftaucht und so manche Blockade oder Lähmung zu verursachen scheint.

„Zuletzt hatte ich eine super gestresste Klientin, eine junge Mutter mit Kindern im Alter von vier und zwei Jahren. Sie hatte als Anwaltsgehilfin gearbeitet, wollte aber nicht zurück in diesen Beruf, hat daher überhaupt nicht mehr gearbeitet und wusste nicht mehr weiter. Im Gespräch kam heraus, dass sie sich immer mit ihrer älteren Schwester verglich, die erfolgreich in der Marketingbranche arbeitet. Ihren Selbstwert bemaß sie immer im Vergleich zur Schwester, er wurde immer geringer“, erzählt die 40-jährige Diplom-Freizeitwissenschaftlerin und Mentorin.

Unternehmer Hans-Peter Wild ist einer der reichsten Schweizer
Unternehmer Hans-Peter Wild ist einer der reichsten Schweizer © Imago
Corina SChomaker
Corina SChomaker © KK

Geschwister beeinflussen unseren beruflichen Werdegang stärker, als wir glauben, so Schomakers Fazit. Und zwar von klein auf. Man muss die Eltern teilen. So merkt der oder die Erstgeborene: „Da ist jemand, der geht auch nicht wieder weg.“ Umso mehr Geschwister, umso mehr Talente. Die Bedeutung der Geburtenreihe zeigt sich immer wieder. „Der Zweitgeborene sucht sich nicht selten eine Nische, in der sich der Erstgeborene noch nicht breitgemacht hat. Er kultiviert Unterschiede.“

Gilt das Schema des konservativen Älteren und des innovativen Jüngeren noch? Schomaker will das nicht unterschreiben, sagt aber: „Die Älteren sind am nächsten bei den Eltern und fühlen sich oft verantwortlich für sie. Das führt zum Beispiel dazu, dass sie schnell studieren und zielstrebig sind, um den Eltern nicht mehr zur Last zu fallen, die sich finanziell ja auch noch um die Geschwister kümmern müssen.“ Die Jüngeren seien stärker auf Selbstverwirklichung aus, aber auch sprunghafter, wechseln zum Beispiel häufiger den Job.

Eine Studie des Karriere-Portals Careerbuilder, für die mehr als 8700 Arbeitnehmer aus den USA befragt wurden, beschreibt die Erstgeborenen als die Erfolgreichen, die oft hohe Managerpositionen einnehmen und oft deutlich mehr verdienen als ihre jüngeren Geschwister. Laut der Studie ergreift das erste Kind einer Familie oft einen Beruf in der Politik, der Technik, in der Wissenschaft oder im medizinischen Bereich.

Die Mittleren, also jene mit älteren UND jüngeren Geschwistern verdienen zwar oft am wenigsten Geld, dafür seien sie laut Studie aber zufrieden mit ihrem Job. Sie arbeiten auffallend häufig in der Pflege, der Strafverfolgung oder bei der Feuerwehr.

Die letztgeborenen Kinder werden in der Studie als die Kreativen bezeichnet. Sie werden häufig Künstler oder Designer, arbeiten im Verkauf oder werden Informatiker. Im Vergleich zu ihren Geschwistern sollen sie am unzufriedensten mit ihrer Jobsituation sein.

Wie sich ein Geschwisterkind entwickelt, hänge aber laut Schomaker nicht einfach nur von seinem Platz in der Geburtenfolge ab, sondern auch davon, wie es diese Position erlebt (hat) und wie groß seine Selbstliebe ist.

Stärkeres Konkurrenzdenken

Auch der Altersunterschied spiele eine Rolle. So sei es aus psychologischer Sicht nicht ratsam, wenn der Abstand zwischen erst- und zweitgeborenem Kind weniger als 18 Monate beträgt, meint Schomaker. „Dann ist das Konkurrenzdenken stärker, denn Geschwister sind erst einmal Rivalen: um die elterliche Zuneigung, um Versorgung, um Aufmerksamkeit.“ Seien Geschwister hingegen zehn Jahre und mehr auseinander, kriegen sie sich gegenseitig gar nicht mehr richtig mit. Schomakers junge Klientin hat sich übrigens ihre Geschwisterrolle bewusst gemacht, sie überwunden. „Sie ist gerade dabei, ihre eigene Agentur aufzubauen.“