Corona hat die Beziehung auf eine harte Probe gestellt. Die Rede ist von Tausenden Pendlern, die täglich aus dem Alpe-Adria-Raum zum Arbeiten nach Österreich kommen. Aus steirischer Sicht sind das vor allem Slowenen – laut Arbeitsmarktservice fahren jeden Tag mehr als 11.700 über die Grenze. Inklusive jener mit (Zweit-)Wohnsitz in Österreich werden mehr als 15.000 Slowenen in der Steiermark beschäftigt. Zahlenmäßig stark ist auch die Gruppe der Kroaten (mehr als 9000), wenngleich fast alle zumindest zeitweise auch hier wohnen, ebenso wie 6400 Bosnier. Corona habe gezeigt, wie dringend die steirische Wirtschaft diese Menschen brauche, betont Robert Brugger, Chef des Internationalisierungscenters (ICS).

„Zu Beginn der Pandemie gab es große Probleme, da in der ersten Grenzverordnung auf die Pendler vergessen wurde und sie nicht einreisen durften.“ Das wurde zwar repariert, allerdings blieb der Grenzübertritt über die vergangenen Monate hinweg schwierig, die Voraussetzungen änderten sich unzählige Male. „Funktioniert hat es dennoch, aber wir hatten große Sorgen“, bestätigt Gernot Pagger, Geschäftsführer der Industriellenvereinigung (IV).

„Das geht vom Handwerker bis zum IT-Spezialisten“

Die Industrie ist, das zeigt die Statistik des AMS auch, größter Arbeitgeber für Pendler vom Balkan, einer der wichtigsten Arbeitsmärkte im Ausland für Südösterreich. Zusammen stellen Slowenen, Kroaten und Bosnier mehr als ein Drittel der im Schnitt 85.000 Ausländer, die 2020 in der Steiermark unselbstständig beschäftigt waren. Sie arbeiten des Weiteren im Handel, am Bau, im Tourismus, Transport, in der Landwirtschaft, der Pflege und im Dienstleistungssektor. Obwohl das Jahr schwierig war, ist die Zahl sehr stabil geblieben, wie AMS-Chef Karl Heinz Snobe unterstreicht. Unter anderem deshalb, „da viele qualifizierte Kräfte in Kurzarbeit gehalten wurden“. Ein weiterer Beweis dafür, wie Betriebe um Fachkräfte ringen. „Der Wettbewerb ist voll im Laufen“, sagt Pagger. „Das geht vom Handwerker bis zum IT-Spezialisten.“

Und weit darüber hinaus. Akute Personalengpässe vermelden aktuell die Gastro- und Beherbergungsbetriebe. Als es am 19. Mai wieder losgegangen ist, stieg der Bedarf von null auf 100 an. Verschärfend kommt hinzu, dass viele frühere Beschäftigte die Branche gewechselt haben. Einige Betriebe konnten aufgrund dieser Situation vorerst nicht aufsperren oder mussten das Angebot zurückfahren, wie Johann Spreitzhofer, Tourismus-Spartenobmann in der Wirtschaftskammer, berichtet. Er kenne kaum einen steirischen Betrieb, der nicht zusätzliches Personal benötigen würde, „das hören wir quer durchs Land“. Für ihn ist in Hinblick auf die Sommersaison daher auch klar, dass man bei der Mitarbeitersuche auch die Potenziale in den benachbarten Ländern nutzen müsse.

"Arbeitsmarkt überregional verstehen"

„Wir müssen den Arbeitsmarkt überregional verstehen“, sagt IV-Geschäftsführer Pagger und pocht auf eine Forderung, die bereits 2019 aufgestellt wurde, nämlich das ÖV-Angebot, konkret die steirische S-Bahn, bis nach Marburg auszubauen. Dass die Länder am Balkan in den kommenden Jahren bei der Suche nach Fachkräften noch an Bedeutung gewinnen werden (Demografie!), bestätigen die Fachleute unisono, doch warnen sie auch davor, dass jene Suche nicht leichter werden wird. „Die Arbeitslosenrate in Slowenien ist aktuell geringer als in Österreich“, führt Snobe einen Aspekt an. Brugger gibt zu bedenken, dass die Wirtschaft in den Balkanländern zunehmend versucht, qualifizierte Arbeitskräfte im Land zu halten. „Serbien wird für die Autoindustrie immer attraktiver.“

Auch für Kärnten von großer Bedeutung

Nicht nur in die Steiermark, auch nach Kärnten wird gependelt. Die 4600 Einpendler aus dem Ausland (Slowenen, Kroaten, Italiener, aber auch Ungarn und Deutsche) arbeiten großteils in den Bezirken Völkermarkt (1250) und Wolfsberg (1350), wo sie zehn bzw. sieben Prozent aller Arbeitnehmer stellen. Sie arbeiten in allen Branchen, vor allem in der Produktion und in wissensintensiven Dienstleistungen (in der Forschung und Entwicklung). Diese Daten hat Eric Kirschner von Joanneum Research für die Arbeiterkammer erhoben. Der Ökonom unterstreicht die Bedeutung der Pendler mit Wohnsitz im Ausland für Kärnten: „Ohne sie wäre das Beschäftigungswachstum in Völkermarkt und Wolfsberg negativ. Die beiden Bezirke sind hochgradig auf Pendler angewiesen.“ Und: „Vor allem Wolfsberg hat es geschafft, ein Industriestandort von überregionaler Strahlkraft zu werden. Auch Einpendler aus ganz Österreich finden hier Arbeit, sie pendeln wochenweise.“