Derzeit sind in Österreich 323.518 Personen zur Kurzarbeit angemeldet, 135.000 davon werden, erwartet Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP), in den nächsten Wochen zur Normalbeschäftigung zurückkehren. 397.036 Personen sind in Österreich auf Arbeitssuche oder in Schulungen.

Ab Juli werde es Kurzarbeit nur mehr für jene Bereiche geben, „in denen wir sie wirklich brauchen – etwa Betriebe mit starken Umsatzeinbrüchen“, sagte Kocher am Dienstag im Interview mit der Kleinen Zeitung. Die dafür nötige Balance zu finden, sei aber „schwierig“. Wirtschaftliche Gründe sollen künftig strenger geprüft werden: „Einen Maßstab zu finden, der allen Branchen und Betrieben gerecht wird, ist das Schwierigste“, meint Kocher.

Es werde Branchen geben, die auch 2022 noch Kurzarbeit benötigen werden. Pflicht zur Weiterbildung während der Kurzarbeit werde es keine geben, jedoch weitere Anreize. Jedenfalls soll die Weiterbildung während der Kurzarbeit weiterhin forciert werden. Die Mindestarbeitszeit von derzeit 30 Prozent der Normalarbeitszeit soll angehoben, mit den Sozialpartnern bis Anfang Juni eine Lösung gefunden werden.

50.000 Langzeitarbeitslose beschäftigt

50.000 der rund 150.000 Langzeitarbeitslosen sollen, wie berichtet, durch die Aktion „Sprungbrett“ zurück in Beschäftigung finden. Diese starte im Juli, bis Jahresende 2022 sollen 50.000 Menschen, die bereits länger als ein Jahr arbeitslos sind, wieder in Beschäftigung sein, das Programm selbst ist bis Ende 2022 angelegt. Vorerst ist es mit 300 Millionen Euro dotiert, das Budget für 2022 sei noch nicht definiert.

Die Bereitschaft privater Unternehmen – die Gehälter der Langzeitarbeitslosen werden ein Jahr lang mit durchschnittlich rund 50 Prozent vom Staat gefördert –, Jobs anzubieten, sei vorhanden, insbesondere bei großen Unternehmen. „Auch kleinere Unternehmen sollten Verantwortung im Aufschwung wahrnehmen. Das ist als Appell zu verstehen“, sagt Kocher. „Langzeitarbeitslose sind schließlich genauso produktiv wie andere Arbeitskräfte.“

Ein Jahr, "bis sich Tourismus einspielt"

Herausforderungen bestünden am Arbeitsmarkt im Tourismus. Bis dieser sich wieder einspielt, werde es noch bis zu ein Jahr dauern, glaubt Kocher. „Der Tourismus muss als Branche auch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer anderer Branchen attraktiv werden und neue, auch ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anlernen.“ Die „größte Krise aller Zeiten im Tourismus“ habe dazu geführt, dass dem Arbeitsmarkt das Gleichgewicht fehle.

Stärkere Marktmacht für Arbeitnehmer

„Damit wir nicht gleichzeitig hohe Arbeitslosigkeit und massiven Fachkräftemangel haben“, müssten Menschen, die etwa nur einen Pflichtschulabschluss haben, verstärkt qualifiziert werden. Es sei „der große gesellschaftliche Auftrag für die nächsten Jahre“. Derzeit sei der Fachkräftemangel vielerorts „noch ein gefühlter, sobald der Aufschwung kommt, haben wir ihn im nächsten Jahr tatsächlich in vielen Bereichen“.

Ab dem Jahr 2025 ergäben sich durch die Demografie ohnehin tiefgreifende Veränderungen am Arbeitsmarkt: „Die Arbeitnehmerseite wird eine viel stärkere Marktmacht bekommen, weil geburtenstarke Kohorten aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden, kleinere Kohorten werden einsteigen. Dadurch ergibt sich ab 2025 automatisch ein Mangel. Wir werden einen ganz anderen Arbeitsmarkt erleben.“ Um dem gegenzusteuern, sei „bessere Planung“ das „Zauberwort“, Bildungseinrichtungen und andere Maßnahmen müssten danach ausgerichtet werden. Die aktuelle Krise am Arbeitsmarkt werde, „wenn alles gut geht“, im Jahr 2023 überwunden sein.

Was der Wirtschaftsbund übersieht

Spätestens im Herbst will Kocher eine breite Diskussion zu neuen Regeln am Arbeitsmarkt nach der Coronakrise anstoßen. Der Vorschlag des Wirtschaftsbundes für weitreichende Verschärfungen etwa für Langzeitarbeitslose „übersieht, dass es unterschiedliche Segmente der Arbeitslosigkeit gibt“, er sei auch nur „einer von vielen“.