Die ÖBB wollen bis 2026 im Rahmen ihres Mega-Investitionsprogramms rund 700 Millionen Euro in den Ausbau ihrer Marktführerschaft bei den Nachtzug-Fernverbindungen investieren. Im Zuge dessen soll eine Reihe neuer Strecken aufgenommen werden. Auch die Anschaffung einer völlig neuen Generation von „Nightjets“ wird erweitert, so ÖBB Chef Andreas Matthä bei der Eröffnung der neuen Linie Wien-Amsterdam. Der Zug verbindet die beiden 1200 Kilometer voneinander entfernten Metropolen täglich.

Die Eröffnung der Strecke war wegen der Corona-Pandemie um ein halbes Jahr verschoben worden. Die ÖBB fährt zeitgleich ihr gesamtes Nightjet-Angebot wieder hoch, u. a. auch die Verbindung nach Brüssel dreimal pro Woche.

Die ÖBB will mit ihrem verstärkten Angebot mittelfristig ein enges Nachtzug-Netz in Europa etablieren. Sie setzt dabei auch auf Kooperationen mit anderen Bahngesellschaften. Der Startvorteil der Österreicher ist dabei groß: „Wir haben als einzige Bahn einen aufrechten Vertrag mit einem Hersteller von Nachtzügen“, so Matthä. „A la longue werden wir eine Art Lizenz- oder Franchise-Modell weitergeben.“ Die Passagierzahlen in den Nightjets, die vor der Coronakrise bei 1,4-1,5 Millionen jährlich lagen, sollen bis 2025 auf drei Millionen verdoppelt werden.

ÖBB wollen 20 weitere Züge bestellen

Aktuell hat die Bahn bereits 19 Nachtstrecken, die sie selbst bedient, im Angebot, 26 sind es zusammen mit Partnern. Ende des Jahres soll Wien-Paris aufgenommen werden. Als nächster großer Meilenstein steht die Indienststellung der ersten 13 völlig neu konzipierten Nachtzuggarnituren Ende 2022 auf dem Plan. Lieferant ist Siemens. Eine Besonderheit werden die speziell laufruhigen Drehgestelle sein, die von Siemens Mobility in Graz produziert werden. Matthä bestätigt der Kleinen Zeitung, 20 weitere Züge bestellen zu wollen. Unterschrieben ist der Auftrag allerdings noch nicht - das Volumen ist jedenfalls immens, es geht, weil auch die Loks inkludiert sind, um rund eine halbe Milliarde Euro.

Die Bahn trifft mit der Wiederaufnahme ihres Nachzugbetriebs auf eine heftige innereuropäische Diskussion über die Sinnhaftigkeit von Kurzstreckenflügen. Erst vor wenigen Tagen hatte sie sich EU-Klimakommissar Frans Timmermans für ein Ende der Kurzstreckenflüge starkgemacht, allerdings nicht durch Verbote, sondern durch attraktive Zugverbindungen.

ÖBB-Chef Andreas Matthä mit der niederländischen Bahn-Chefin, Marjan Rintel,in Amsterdam

Weniger Kurzstreckenflüge 

„Die Kurzstreckenflüge werden zurückgehen“, so Matthä, „auch weil die Flugindustrie auf vielen der Kurzstrecken kaum oder gar kein Geld verdient.“ Noch gebe es aber eine Reihe von Wettbewerbsnachteilen für die Bahn, etwa eine hohe Schienenmaut auf Fernverkehrsstrecken. Für Bahntickets müsse zudem Mehrwertsteuer gezahlt werden, für Flugtickets nicht. Ein Nadelöhr seien auch immer Landesgrenzen. Die unterschiedlichen technischen Normen blieben noch länger eine Herausforderung. Matthä sagte beim Empfang mit Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) und der niederländischen Bahn-Chefin in Amsterdam, Marjan Rintel: „Europa braucht mehr Bahn, aber die Bahn braucht auch mehr Europa.“