Bald ist es ein Jahr her, dass ein Erdbeben das Murtal erschütterte. Auf der Richterskala zwar nicht einmal messbar, traf es den obersteirischen Industriestandort umso heftiger. Am 24. Juli, einem Freitag, gab der Motorenbauer ATB gegen Mittag bekannt, sein Geschäft in Spielberg zu „restrukturieren“. Zur selben Zeit wurden über das Frühwarnsystem des Arbeitsmarktservice (AMS) 363 von 385 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zur Kündigung angemeldet. Ein Paukenschlag – im negativen Sinn.

Für viele Betroffene begann eine Zeit des Zitterns und Bangens. In einer Umgebung, die man so nicht kannte. „Die durchschnittliche Firmenzugehörigkeit der Mitarbeiter beträgt knapp 24 Jahre“, erinnert Sabine Gaßner, Geschäftsstellenleiterin des AMS Judenburg. Wechselten viele der jüngeren Betroffenen schnell zu neuen Firmen, wurde eine Generation von Menschen plötzlich arbeitslos, die damit nie gerechnet hätte. „Ich lerne dort und gehe dort in Pension“, sei oftmals der gelernte und fest im Kopf verankerte Zugang zum Job gewesen, sagt Gaßner. Diesen Personen wieder Hoffnung zu geben, sei eine der entscheidendsten Aufgaben der obersteirischen AMS-Stelle.

Unterstützung dafür gibt es seit Dezember des Vorjahres in Form einer ATB-Insolvenzstiftung, konzipiert für 200 „Einstiege“ bis 31. Dezember 2021. Gefördert und finanziert von AMS und Land Steiermark, abgewickelt vom Verein „zam Stiftung“ in Zeltweg. Die Maßnahme wird gut angenommen, viele Betroffene haben die Stiftung mit neuen Jobs verlassen.

Drittel wieder in Beschäftigung, Drittel noch arbeitslos

Heute steht mehr als ein Drittel der ehemaligen „ATBler“ wieder in Beschäftigung, ein Drittel ist noch nicht arbeitslos. Das dritte Drittel ist derzeit beim AMS vorgemerkt, knapp 40 Personen davon sind gerade Teil der Stiftung. Dort winken einerseits 70 Prozent anstelle der üblichen knapp 55 Prozent des Letztbezugs als Arbeitslosengeld und andererseits vor allem die Möglichkeit, sich „neu zu orientieren“, wie Gaßner erklärt. In Form einer „Erweiterung von Fähigkeiten und Kompetenzen“, vor allem in Sachen Digitalisierung, aber auch, was konkrete Praktika bei Unternehmen betrifft. Denn prinzipiell sei die Zeit „günstig, um Beschäftigung zu finden“, erzählt Gaßner. Bei etwas mehr als 2000 Arbeitslosen – davon 700, die älter als 50 Jahre sind – listet das AMS Judenburg zurzeit 700 offene Stellen. Mehr als 650 seien laut Sabine Gaßner „sofort verfügbar“. Herausfordernd sei, dass „Angebot und Nachfrage nicht übereinstimmen“, deswegen gelte den „Qualifizierungen“ ein besonderer Fokus.

Corona-Landesstiftung soll im Juli starten

Eine Schlüsselrolle in der nahenden „Übergangszeit“ soll steiermarkweit auch die schon vor längerer Zeit angekündigte Corona-Landesstiftung einnehmen. Wenn die Corona-Kurzarbeit ausläuft und auch die Stundungen von Steuern und Abgeben Ende Juni zu Ende gehen, soll mit diesem Vehikel eine Weiterbildungsschiene zur Verfügung stehen. „Es ist damit zu rechnen, dass dann die Insolvenzzahlen wieder zunehmen“, sagt der steirische AMS-Chef Karl-Heinz Snobe. Die Landesstiftung soll im Juli starten. „Wir wollen vor allem in jene Bereiche hineinqualifizieren, in denen der Mitarbeiterbedarf besonders hoch ist, etwa in der Gesundheit oder auch im Handwerk“, so Snobe. Es sei mit dieser Stiftung aber auch möglich, dass jemand einen HTL-Abschluss nachholt oder entsprechende Kurse an der Universität.