Die Gewerkschaft GPA sieht die Belastungsgrenze vieler Beschäftigten im Handel - vor allem im Lebensmittelhandel - aufgrund der Coronapandemie erreicht. "Aggressive Kunden, Überlastung, Personalmangel und mangelnde Wertschätzung, sowie fehlender Respekt der Kunden gegenüber unseren Kolleginnen und Kollegen sind die größten Probleme", sagte GPA-Vertreterin Anita Palkovich am Freitag. Die Gewerkschaft fordert nun einen Sicherheitsgipfel mit der Wirtschaftskammer und Regierung.

Die GPA drängt auf ein Entlastungspaket, um die Situation für die Handelsangestellten zu verbessern. Palkovich forderte bei einer Online-Pressekonferenz die Aufstockung der ausgedünnten Personaldecke im Lebensmittelhandel, Kontrollen der Coronamaßnahmen durch eigenes Sicherheitspersonal, vorrangige Versorgung der Handelsangestellten mit Corona-Schutzimpfungen und keine Durchrechnung der Mehrarbeit. Die Gewerkschaft wünscht sich von der Arbeitgeberseite außerdem eine Abgeltung der Flexibilität der Beschäftigten in einem zeitlich befristeten Zusatzkollektivvertrag. Die geleistete Arbeit müsse auch am Ende des Monats bezahlt werden, so die GPA-Wirtschaftsbereichssekretärin Palkovich.

Schwangere Angestellte: Appell an Arbeitnehmer

Die Gewerkschaft appelliert an die Handelsbetriebe, auch schwangere Handelsangestellte, die ständigen Kundenkontakt und dadurch ein großes Corona-Risiko haben, sofort freizustellen. Für Mitarbeiterinnen bei körpernahen Dienstleistern gibt es bereits eine Sonderfreistellung ab der 14. Schwangerschaftswoche. Außerdem fordert die GPA ein Aussetzen der Tourismusregelungen zur Sonntagsöffnung in den Bundesländern, solange die Hotels coronabedingt geschlossen sind.

Die Forderungen und eine Handels-Beschäftigtenumfrage, hat die Gewerkschaft vor der Pressekonferenz, der Wirtschaftskammer zukommen lassen. Man warte aktuell auf die Reaktion des Sozialpartners, gehe aber davon aus, dass es zu raschen Gesprächen komme, sagte GPA-Vertreterin Palkovich.

Besorgniserregende Rückmeldungen

Die Gewerkschaft hat kürzlich eine Umfrage unter Gewerkschaftsmitgliedern im Handel durchgeführt. Knapp 3300 Personen - davon zwei Drittel weiblich und ein Drittel männlich - nahmen an der Befragung teil. Vor allem im stationären Handel habe man besorgniserregende Rückmeldungen bekommen, so Palkovich. Die Beschäftigten seien "teilweise am Ende ihrer Kräfte". Im Lebensmittelhandel fühlten sich 22 Prozent der Befragten "immer" gestresst, 39 Prozent "meistens", 36 Prozent "ab und zu" und 3 Prozent "nie".

Kunden außerordentlich belastet

Auch für den Handelsverband sind aggressive Kunden, Stress und Personalmangel - insbesondere im Lebensmittelhandel - ein Thema. "Die Herausforderungen sind uns bekannt, variieren aber sehr stark innerhalb der 3500 Lebensmittelhändler", so Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will. Viele Kunden seien zurzeit außerordentlich belastet, das wirke auf die Grundstimmung nach mehr als einem Jahr Coronakrise. "Die betroffenen Händler versuchen alles, um diese Situation für die Handelsangestellten zu verbessern", sagte der Interessensvertreter. Anstatt eines eigenen Sicherheitsgipfels oder zeitlich befristeter Zusatzkollektivverträge plädiert der Handelsverband-Geschäftsführer für individuelle Gespräche und Vereinbarungen zwischen Betriebsräten und Händlern.