Der börsennotierte Faserhersteller Lenzing ist aus dem Joint Venture mit Palmers zur Maskenproduktion, der Hygiene Austria, ausgestiegen. Per Ende März wurden alle Lenzing-Anteile an Palmers übertragen, wie Lenzing am Freitag mitteilte. Lenzing hatte 50,1 Prozent, Palmers 49,9 Prozent an der Hygiene Austria gehalten. Bei der Umsetzung des Masken-Projekts habe es "Fehler" gegeben, räumte Lenzing mit Blick auf den Skandal um chinesische Masken mit "Made in Austria"-Werbung ein.

"Starke Werte und ein international anerkanntes Prozess- und Governance-System charakterisieren Lenzing. Bei der Hygiene Austria wurden in der Umsetzung aber Fehler gemacht", heißt es in der Lenzing-Aussendung. Der Vorstand werde in Absprache mit dem Aufsichtsrat für die Zukunft entsprechende Lehren ziehen. So werde künftig auch für Kleinprojekte ein vollumfängliches Beteiligungsmanagement aufgesetzt.

Die Hauptversammlung von Lenzing findet am 14. April statt. Lenzing-Vorstand Stephan Sielaff, der vom Aufsichtsrat Anfang März mit der Aufarbeitung der Vorkommnisse betraut worden war, blickt auf "intensive Wochen" zurück: Man habe gemeinsam mit Palmers die zentralen Mängel festgemacht und die Weichen für eine "professionelle Geschäftsführung, hervorragende Qualitätssicherung und gute Arbeitsbedingungen" hiermit gestellt.

"Begleitet von einem entsprechenden Pflichtenheft für eine solide Geschäftsfortführung haben sich die beiden Gesellschafter auf die Übertragung der Lenzing-Anteile an Palmers geeinigt. Um den gründungskonformen Fortbestand zu gewährleisten, verzichtet Lenzing zunächst auf einen entsprechenden Kaufpreis. Das soll Palmers wiederum ermöglichen, die Gesellschaft mit weiteren Finanzmitteln auszustatten", heißt es in der Lenzing-Aussendung. Wenn sich die Gesellschaft gut entwickle, könne Lenzing auch im Nachhinein noch profitieren, hieß es vom Lenzing-Sprecher zur APA.

Der Neuanfang des Maskenproduzenten soll mit einer neuen Geschäftsführung gelingen: Mit Claudia Witzemann und Michael Schleiss wurden zum - heutigen - 2. April zwei externe Führungskräfte als Geschäftsführer der Hygiene Austria neu bestellt. Der bisherige Geschäftsführer Tino Wieser scheidet aus.

Neue Leiharbeitsfirmen gesucht

Die neue Geschäftsführung bei der Hygiene Austria wurde auch von deren Seite bestätigt. Die Verträge für die Personaldienstleistungen werden unverzüglich neu ausgeschrieben. Weitere Infos folgen nächste Woche von der neu bestellten Geschäftsführung, hieß es am Freitag auf APA-Anfrage.

Weitere Ergebnisse der Aufarbeitung laut Lenzing: Die sowohl in Österreich produzierten als auch die aus China bezogenen FFP2-Masken seien nochmals geprüft und technisch in jeder Hinsicht als einwandfrei beurteilt worden. Die CE-Kennzeichnung sei gesichert: In einem erneuten Audit des ungarischen Institutes Gépteszt am 25. März wurde die Qualität der Produktion und des Baumusters den Angaben zufolge nochmals bestätigt. Und die Personaldienstleistungen werden neu ausgeschrieben: Die neue Geschäftsführung werde auf Arbeitskräfteüberlassungsfirmen mit höchsten Qualitätsansprüchen zurückgreifen, wird in der Lenzing-Aussendung versichert.

Ein Skandal mit politischer Note

Der Maskenproduzent mit Sitz in Wiener Neudorf war im Zuge der Coronakrise vor knapp einem Jahr gegründet worden. Die beiden Gründungsunternehmen Lenzing und Palmers teilten damals mit, sie hätten "mehrere Millionen Euro" investiert und wollten mit der Schutzmaskenproduktion die heimische Versorgung sichern und den Standort stärken. Die Hygiene Austria geriet aber seit Anfang März 2021 infolge einer Hausdurchsuchung im Zuge von Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) massiv unter Druck. Ermittelt wird wegen des Verdachts der organisierten Schwarzarbeit sowie schweren gewerbsmäßigen Betrugs. Die Firma räumte daraufhin ein, FFP2-Masken zwar als "Made in Austria" beworben, einen Teil davon aber in China zugekauft zu haben. Außerdem wurden die Arbeitsbedingungen der großteils über Leiharbeitsfirmen beschäftigten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen kritisiert.

Der Skandal erhielt auch eine politische Dimension: Das Verwandtschaftsverhältnis der Büroleiterin des Bundeskanzlers Sebastian Kurz (ÖVP) - sie ist mit Palmers-Vorstand Luca Wieser verheiratet und mit dem bisherigen Hygiene-Geschäftsführer Tino Wieser verschwägert - hat die Oppositionskritik befeuert.

Neben der WKStA wird sich auch das Handelsgericht noch mit der Causa beschäftigen: Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) geht im Auftrag des Sozialministeriums mit einer Klage gegen die nach Ansicht der Verbraucherschützer irreführende Bewerbung von FFP2-Masken der Hygiene Austria als "Made in Austria" vor. Das Handelsgericht Wien soll klären, ob zugekaufte Masken aus China als "Made in Austria" vertrieben werden dürfen.