Wie massiv trifft der bereits 16 Wochen dauernde Lockdown in der österreichischen Gastronomie die heimischen Brauereien?
SIGI MENZ: Die Betroffenheit ist sehr unterschiedlich. Je höher der Gastro-Anteil, umso stärker. Manche Brauereien liefern den Großteil ihres Bieres üblicherweise an die Gastronomie, manche jedoch deutlich weniger. Die Bandbreite des Ausfalls durch die Schließung der Gastronomie reicht von 20 und 80 Prozent.

Kann der gesteigerte Bierabsatz im Lebensmittelhandel den Ausfall der Gastronomie teilweise wettmachen?
Wir sind froh, dass wir überhaupt etwas verkaufen können und der Lebensmittelhandel gut funktioniert. Es gibt dort für Brauereien zum Teil schöne Zuwächse, Mengen und Umsätze können aber den Totalausfall der Gastronomie bei weitem nicht kompensieren. Es fehlt ja auch der gesamte Tourismus, der ganze Event-Bereich, der Sport mit den Fußballplätzen, Kulturveranstaltungen – all die Orte, wo Bier konsumiert wird.

Werden die Brauereien die Bierpreise erhöhen, um Ausfälle wettzumachen?
Das ist kein Thema des Brauerei-Verbandes, diese Frage muss jedes Unternehmen für sich beantworten.

Wie sehr schlagen sich fehlende Absatzmärkte in der Bilanz der Brauereien nieder?
Es ist davon auszugehen, dass die meisten Betriebe deutliche Spuren der Coronakrise in ihren Bilanzen und Ergebnissen haben werden. Wir Bierbrauer sind aber positive und optimistische Menschen und hoffen auf ein langsames Hinarbeiten zu einer besseren, wenngleich nicht ganz normalen Situation, was die Gastronomie betrifft. Das Testen ist geklärt, ebenso die Fragen der Hygiene und Registrierung: Die Gastronomie ist vorbereitet und weiß um gesundheitliche Risiken. Es wurden ja schon so viel Vorleistungen gemacht, dass man langsam daran denken könnte, wieder zu öffnen.

Wann sollte es so weit sein?
Die Frage ist, ob wir Mitte März aufsperren können, das ist immer abhängig von der Entwicklung. Nach heutigem Stand könnte man Mitte März beginnen.

Trotz der gestiegenen Infektionszahlen?
Wenn man bereit ist, alle Sicherheits-Maßnahmen zu treffen, dann ist das Risiko bei einer gemäßigten Öffnung der Gastronomie geringer als jetzt in den Garagen und Kellern. Nehmen wir die Verantwortung ernst, kann man es riskieren.

Fürchten Sie eine Insolvenzwelle bei heimischen Brauereien?
Ich gehe davon aus, dass die Brauereien das durchtauchen werden - wenn wir Mitte März oder spätestens zu Ostern die Gastronomie langsam wieder öffnen und zu einem normaleren Zustand kommen. Die Menschen haben ja Sehnsucht nach einem Krügerl oder auch zwei in einer funktionierenden Gastronomie. Wir haben das Instrumentarium dafür in der Hand. Wenn man das ernst nimmt, ist das Öffnen vertretbar.

Deutsche Brauer fordern staatliche Hilfszahlungen, um die Krise zu überstehen, Kosten für verdorbenes Bier sollen ersetzt werden.
Es gibt in Österreich eine Reihe von Hilfszahlungen, es ist bloß nicht ganz einfach, sich darin ordentlich zurecht zu finden. Das Hilfsinstrumentarium ist vernünftiger als in Deutschland. Schwierig ist für uns die Frage der indirekten Betroffenheit, wenn Brauereien über den Getränkehandel liefern. Da muss noch nachgeschärft werden. Man muss die Kirche im Dorf lassen: Wir werden keine große Insolvenzwelle haben.

Wird es zu einer weiteren Konzentration am Markt kommen?
Nein, denn der Biermarkt ist in Österreich schon sehr konzentriert.

Dürften Sie sich von der Politik etwas wünschen, was wäre es?
Eine Gastro-Öffnung spätestens zu Ostern sowie eine Senkung der Biersteuer. Wir haben eine doppelte so hohe Biersteuer wie in Deutschland, sie ist auch um 60 Prozent höher als in Tschechien. Eine Senkung der Biersteuer um die Hälfte würde unserer Branche sehr guttun.

Die Biersteuer ist von der Stärke des Bieres abhängig. Von welchem Gesamtbetrag sprechen Sie?
Eine Anpassung an Deutschland, also eine Halbierung, entspricht rund 100 Millionen Euro pro Jahr als kapitalstärkende Maßnahme für die Brauereien.

Sie hoffen auf offene Wirtshäuser, aber Großevents wird es wohl noch länger nicht geben?
Das wird noch eine Weile dauern, ich bin nicht sehr zuversichtlich, dass diese in diesem Sommer noch stattfinden werden. Bis es zu Massenveranstaltungen kommt, wird es wohl noch dauern.

Wie viel Bier muss in Österreich weggeschüttet werden, weil das Ablaufdatum überschritten ist?
Das wissen wir nicht. Es geht vor allem um jenes Bier, das in den Wintersportorten in den Berghotels eingelagert wurde. Wenn das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist, muss die Qualität geprüft werden. Sollte die noch passen, kann Flaschenbier günstiger oder gratis an Mitarbeiter abgegeben werden oder bei Veranstaltungen eingesetzt werden. Auf den Bergen haben wir aber vor allem Fassbier, da wäre das schwierig. Jedes Unternehmen hat seine eigene Idee, wie es damit umgeht.

Wie macht es Ottakringer?
Wir sind im Städtetourismus, weniger in Skigebieten. Für uns ist der fehlende Kongress- und Städtetourismus das ganz große Thema – und das ist bitter genug. Unser Fassbieranlagen stehen still.

Was ist jetzt Ihre größte Sorge?
Ich hoffe, dass auch die Gastronomen die Krise überleben. Es ist auch für Gastronomen eine riesige Frustrationsphase – die wollen ja aufsperren, Wirte sein und ihre Gäste zurückhaben. Und wir wollen die Biertrinker zurück in die Gastgärten haben. Wir schauen voller Optimismus nach vorne – und nicht zurück.

In welchem Wirtshaus werden Sie Ihr erstes Bier trinken?
Sollte es in einem Gastgarten sein, dann im „Grünspan" in Wien-Ottakring.