Die Lockdowns und damit verbundene Begleiterscheinungen wie Homeoffice, Distance Learning, Streaming, aber auch der E-Commerce-Boom fordern die Mobilfunknetze ganz massiv. Sind Netzbetreiber wie die A 1 Telekom Krisenprofiteure?
THOMAS ARNOLDNER: Die Bedeutung der digitalen Infrastruktur ist noch einmal deutlich gestiegen, der Verkehr in unseren Netzen hat stark zugenommen, wir müssen mehr liefern. Tatsache ist aber auch, dass das für uns aufgrund der in Österreich sehr verbreiteten Pauschaltarife in Summe eher keine zusätzlichen Einnahmequellen bedeutet. Im Gegenteil, aufgrund der massiv eingeschränkten Reisetätigkeit ist das Roaming praktisch zum Erliegen gekommen. Daraus ergibt sich ein Rückgang des Geschäftsvolumens im Vergleich zu einem normalen Jahr.

In welchem Ausmaß?
Der Wegfall des Roamings wirkt sich umsatzseitig mit etwa einem Minus von zwei Prozentpunkten aus.

Zu Beginn der Pandemie war eine Renaissance der Sprachtelefonie zu beobachten. Hält das an?
Wir hatten im Sprachverkehr an manchen Tagen tatsächlich eine Verdoppelung, teils Verdreifachung des Volumens. Das hat sich bei plus zehn bis 20 Prozent eingependelt, im Datenverkehr bei plus 20 bis 30 Prozent, je nach Lockdown-Situation.

Wir hören aus einigen Regionen, etwa im Zusammenhang mit dem Homeschooling, dass die Verbindungen mitunter sehr schlecht sind. Zeigt diese Krise jetzt schonungslos die Defizite in der digitalen Infrastruktur auf?
Da muss man differenzieren. Wenn wir hier von den Netzen sprechen, ist es so, dass wir weit mehr als 95 Prozent der österreichischen Bevölkerung mit 40 Megabit oder mehr abdecken können. Das ist typischerweise das, was für Homeoffice oder Distance Learning gut ausreicht. Aber es gibt auch Defizite, die man aufzeigen muss.

Welche?
Die gibt es zum einen bei den Geräten. Sowohl in einigen Schulen als auch bei manchen Unternehmen haben wir gesehen, dass sie vor allem der erste Lockdown auf dem falschen Fuß erwischt hat und teilweise beispielsweise erst Laptops angeschafft werden mussten. Das Zweite ist aber sicherlich, dass der technologische Wandel in unserer gesamten Branche so groß ist wie kaum irgendwo anders. Wir befinden uns da auch in einem ständigen internationalen Wettbewerb. Die Anforderungen an die Netze sind extrem gestiegen. Nicht nur der Verkehr an sich hat zugenommen, Kunden werden auch viel sensibler, wenn es einmal nicht so gut funktioniert. Wir sind in einer Situation, in der offensichtlich wird, dass Investitionen in die digitale Infrastruktur für einen Standort zur Überlebensfrage werden. Und hier stehen wir aktuell an einer Weggabelung, an einem substanziellen Wendepunkt.

Wie sieht der aus?
Zum ersten Mal seit 2003 wird das Telekommunikationsgesetz völlig neu geschrieben, die Begutachtungsfrist endet am 10. Februar. Das ist also eine Gesetzesänderung, die noch viele Jahre nachwirken wird.

Wie bewerten Sie den Gesetzesentwurf?
Es gibt dort ein paar positive Entwicklungen, etwa im Bereich der Frequenzvergabe, wir sehen aber auch einige bedauerliche Rückentwicklungen.

In welchen Bereichen?
Zum Beispiel bei den Kosten für Antennen, also den Sendestandorten für 5G, speziell im öffentlichen Bereich. Statt beschleunigter Verfahren gibt es sogar längere Verfahrensdauern. Auch von Vereinfachungen, Stichwort One-Stop-Shop, ist im Gesetz nichts zu finden. Die Regierung hat 2018 eine 5G-Strategie verabschiedet, hat sehr früh Frequenzversteigerungen gemacht und hat der Branche für die hohen Investitionen auch Erleichterungen in Aussicht gestellt. Aber manche dieser Dinge treten jetzt nicht ein, beispielsweise die Zusage, die Frequenznutzungsgebühr zu senken. Es gibt auch andere Themen im Bereich der Leitungsrechte, etwa bei Haftungen von Liegenschaftseigentümern, die für Unternehmen sehr herausfordernd sind. Alles in allem ist das für uns vor allem eine vergebene Chance.

Haben Sie noch Hoffnung, dass diese Bedenken und Kritikpunkte noch Niederschlag finden?
Wir stehen zwar nach wie vor im Dialog und hoffen, dass da noch ein Sprung nach vorne gelingt. Aber momentan sehen wir keinen Fortschritt in Richtung eines investitionsfreundlicheren Umfelds. Das ist sehr schade.

Das klingt resignativ.
Auf der einen Seite haben wir noch nie so deutlich gespürt, wie wichtig diese Infrastruktur ist – und zwar nicht abstrakt, sondern tagtäglich, jeder von uns. Auf der anderen Seite haben wir derzeit wahnsinnig viele Bälle in der Luft, die wir in die richtige Richtung lenken könnten. Aber ich sehe noch Chancen, die Argumente sind auf unserer Seite.

Österreich ist bei der Glasfaserabdeckung ein internationaler Nachzügler. Woran liegt das?
Wir sehen im Glasfaserausbau für Österreich eine enorme Investitionslücke am Gesamtmarkt von rund fünf Milliarden Euro, von der aus heutiger Sicht nicht absehbar ist, wie die unter den bestehenden Rahmenbedingungen gefüllt werden kann. Ich bezweifle, dass die öffentliche Hand in Anbetracht der Krisen-Belastungen für das Budget bereit ist, diese Lücke zu füllen, ich glaube auch nicht, dass das ökonomisch sinnvoll ist. Es sind allerdings auch die Rahmenbedingungen für Privatinvestitionen nicht besonders förderlich.

Warum?
Es ist für uns kein Problem, Kapital aufzustellen. Wir haben unser Unternehmen in den vergangenen Jahren massiv entschuldet. Es ist keine Frage der Finanzierung, sondern eine Frage, wie sich diese Investitionen auch wieder erwirtschaften lassen. Wenn man vor einer toxischen Kombination steht von hohen Ausbaukosten, niedrigem Preisniveau und hohem Wettbewerb im Mobilfunk und einem enorm starren regulatorischen Korsett, dann ist das nicht die perfekte Kombination, um die Investitionen dort hinzuleiten.

Stichwort niedrige Preise. Die Wettbewerbsbehörde BWB und der Regulator, die RTR, sorgen sich, dass die Tarife steigen und die Netzbetreiber die virtuellen Mobilfunker aus dem Markt drängen könnten. Das soll jetzt genau unter die Lupe genommen werden. Wie gehen Sie mit diesen Vorwürfen um?
BWB und RTR haben einen runden Tisch vorgeschlagen, um das Thema mit den Betreibern zu besprechen – daran werden wir gerne teilnehmen. Fest steht aber, dass Österreich einer der wettbewerbsintensivsten Märkte im Mobilfunk ist mit niedrigen Preisen bei gleichzeitig sehr hoher Qualität.

Kann Österreichs Wirtschaft heuer ein Comeback gelingen?
Das hängt natürlich ganz stark von der weiteren Entwicklung der pandemischen Situation ab. Ich rechne gesamtwirtschaftlich schon noch mit einem sehr schwierigen ersten Halbjahr. Die Infektionszahlen bremsen sich trotz teils sehr drastischer Maßnahmen nicht so ein wie erhofft. Wir sehen auch, dass der große Hoffnungsträger Impfstoff ein logistisches Großprojekt ist, das Wochen und Monate dauern wird, bis das entsprechende Wirkung zeitigt. Ich hoffe dann aber, dass wir im zweiten Halbjahr einen doch recht starken Rebound der Wirtschaft sehen werden.

Spielt Telekom-Infrastruktur neben den Massentests auch bei den Impfungen eine Rolle?
Wir implementieren den e-Impfpass, auch Plattformen, auf denen Impfungen getrackt werden, sind teilweise von uns.

Die Telekom ist Teil der kritischen Infrastruktur, wissen Sie schon, wann im Unternehmen geimpft wird?
Nein, wir warten da auch auf die Auskunft des Krisenstabs und der Behörden – logistisch sind wir bereit, wir haben auch eine Infrastruktur mit Betriebsärzten im Unternehmen. Die Zuteilung der Impfstoffe ist aber Sache der Behörden.