Im Kampf gegen das Coronavirus forschen Mediziner nicht nur an Impfstoffen, auch Behandlungsmethoden werden untersucht. Und dabei stellt sich für die Forscher eine besondere Herausforderung: die unfassbare Menge an Daten.

„Wir analysieren gerade, welche Prozesse in einer Zelle ablaufen, wenn sie mit dem Virus infiziert ist“, erklärt Kurt Zatloukal, Leiter des des Diagnostik- und Forschungszentrums für Molekulare Biomedizin an der Medizinischen Universität Graz. „Dadurch wollen wir verstehen, wie die Zelle geschädigt wird und wie die Abwehr funktioniert.“ Denn schwere Verläufe von Covid-19 werden oft durch das eigene Immunsystem verursacht, das zu heftig reagiert.

Alleine die Analyse der Vorgänge in einer Zelle produzieren mehrere Terabyte an Daten. „Für wissenschaftliche Aussagen brauchen wir Hunderte derartige Analysen.“ Das geht nur mit einem regen Austausch mit anderen Forschern. Das derzeitige Vorgehen bei so großen Datenmengen: Alles wird auf Festplatten kopiert und mit der Post verschickt.

Datenschutz und Datenhoheit

Eine unzufriedenstellende Lösung. Deshalb hat Zatloukal zusammen mit dem Know-Center der TU Graz zusammengetan, um neue Zugänge für den Datenaustausch zu finden. „Das Thema betrifft nicht nur Universitäten“, erklärt Stefanie Lindstaedt, Geschäftsführerin des Know-Center und Direktorin des Institute of Interactive Systems and Data Science der TU Graz. „Auch innovative Unternehmen müssen teils große Datenmengen verarbeiten.“

Dabei seien die Themen Datenschutz und Datenhoheit sehr wichtig. „Bei Unternehmen geht es um Firmengeheimnisse, in der Forschung um hochsensible Patientendaten“, sagt Lindstaedt. Die Herausforderung der Wissenschaftler: Das Erforschen von umfangreichen Gesundheitsdaten, ohne Persönlichkeitsrechte zu verletzen. Bei Firmen geht es um Zusammenarbeit an innovativen Ideen, ohne dabei die Geheimhaltung zu verletzen.

„Unser Ziel ist, verschlüsselte Daten analysierbar zu machen, um vertrauliche und sensitive Daten wertschöpfend zu nutzen“, erklärt Lindstaedt. Es gehe ja um das Finden von Mustern in sehr vielen Datensätzen. „Die Krankengeschichte einer Einzelperson ist hier nur ein Datenpunkt von vielen.“ Diese Technologie könnte auch Unternehmen helfen, die so Zugang zu Daten bekommen könnten, die vorher nicht zur Verfügung standen. Diese könnten die Basis für neue Geschäftsmodelle sein.

Synergie zwischen Forschung und Wirtschaft

Bis Februar 2022 soll in einer Kollaboration von Medizinuniversität, TU, KF-Universität und der FH Joanneum ein Konzept für den Aufbau einer Infrastruktur für effizienten und sicheren Datenaustausch erstellt werden. „Wir wollen hier eine Organisation aufbauen, die zwar nicht profitorientiert, aber nachhaltig selbsttragend ist“, sagt Zatloukal. Am Anfang stünden nun unterschiedliche Machbarkeitsstudien und einzelne Prototypen. „Einen Mehrwert gibt es bereits jetzt. Schon der Start dieses Prozesses hat zu einem regen Austausch von Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft geführt“, erklärt der Mediziner.

Wichtig ist ihm, dass in dem Projekt nicht „das Rad neu erfunden wird.“ Man wolle sich an Modellen orientieren, die es in Europa gibt. Neu sei bei dieser Initiative die Suche nach Synergien zwischen Universitäten, Hochschulen und der Wirtschaft und auch der Fokus auf die regionalen Synergien. Wobei Zatloukal betont: „Unsere Ergebnisse werden natürlich in die europäische Forschungslandschaft eingebracht.“