1,5 Millionen Elektroautos müssten in Österreich in den kommenden zehn Jahren ans Netz gehen, um die EU-Ziele zu erfüllen. Um sie alle aufzuladen, braucht es eine entsprechend leistungsfähige Netz-Infrastruktur. Ein Rezept gegen explodierende Kosten könnte "gesteuertes Laden" heißen. Wie das aussieht, haben Netzbetreiber anhand des Pilotprojekts "Urcharge" in Linz durchgespielt. Details wurden am Donnerstag in einem Hintergrundgespräch des Forums Versorgungssicherheit präsentiert.

Derzeit sind von den fünf Millionen Pkw, die es in Österreich gibt, nur 0,9 Prozent elektrisch, zählt man die hybridbetriebenen dazu, kommt man auf 2,6 Prozent. Ziel der EU ist es, dass bis 2030 rund 30 Prozent der Autos elektrisch unterwegs sind. Wenn man das umsetzt, müssten allein in Österreich in den kommenden zehn Jahren 1,5 Millionen E-Autos dazukommen. Diese müssen aber auch aufgeladen werden, was eine zusätzliche Belastung von 3,3 Gigawatt (GW) für die - ohnehin schon durch den Fotovoltaikausbau geforderten - Netze bedeuten würde, wie Johannes Zimmerberger, Geschäftsführer der Linz Strom Netz, ausführte. "Die Netzbetreiber werden den Strom nicht mit Schaffeln zu den Kunden tragen können", es stelle sich daher die Frage ob bzw. in welchem Ausmaß die Stromnetze ausgebaut werden müssen. Großen Einfluss auf die Beanspruchung der Stromnetze hat die Frage, wie die Autos geladen werden: im Schnellverfahren oder langsam und zu welcher Tageszeit.

Klare Regeln

Zwar würde der Stromverbrauch durch die E-Autos nur um rund 4 Prozent steigen, ungesteuertes Laden würde aber um 30 Prozent mehr Leistung im Netz benötigen und damit Milliardenkosten verursachen: Während sich der Regelausbau des Stromnetzes bis 2030 mit rund 10,6 Milliarden Euro zu Buche schlagen dürfte, würden für ungeregeltes Laden noch weitere 40 Prozent an Kosten oben drauf kommen, schätzt Zimmerberger. "Wir wollen das vermeiden", auch um "einen möglichst günstigen Netzausbau für unsere Kunden gewährleisten" zu können. Das Rezept lautet daher, die Last möglichst gut zu verteilen, um die Belastung der Netze zu reduzieren.

Im Projekt Urcharge (Urban Charging) in Zusammenarbeit mit der TU Wien hat man eine E-mobile Zukunft simuliert und sich damit befasst, wie das Ladeverhalten in der Praxis aussieht: In eine Wohnhausanlage in Linz-Auwiesen wurden 50 Haushalte für ein halbes Jahr mit E-Autos ausgestattet. Hier zeigte sich etwa, dass zu Beginn die meisten ihr Auto sofort nach dem Heimkommen wieder aufgeladen haben. Später gingen sie dazu über, das erst bei einem Akkustand von 30 Prozent zu tun. Das Vertrauen wuchs offenbar, dass man ja noch genug Energie für den nächsten Tag habe.

Mobiler Stromspeicher

In Simulationen wurde zudem verglichen, wie sich kontrolliertes und unkontrolliertes Laden auf die Verbrauchsspitzen auswirkt. Fazit: Beim unkontrollierten Laden verdoppelte sich die Spitze zu gewissen Zeiten, mit einem entsprechenden Management verteilte sich die Last gleichmäßig über den Tag. Eine Möglichkeit, die Netzbelastung besser zu steuern, liegt daher auch in der Idee, Fahrzeuge als mobile Stromspeicher zu nutzen. "Fahrzeugbesitzer ermöglichen es den Stromanbietern aktiv in ihren Fahrzeugen Strom zu speichern und bei Bedarf wieder abzurufen", erklärte Christoph Knogler, CEO der Keba Energy Automation GmbH, den Zukunftsansatz in einem Video der Linz AG zum Urcharge-Projekt.

Zimmerberger erwartet, dass man mit leistungsabhängigen Tarifen netzschonendes Laden (bei ca 3,6 KW) forcieren kann - das heißt: Wer schnell laden will, muss mehr zahlen. Denn ein durchschnittlicher Pkw in Österreich lege am Tag nur 38 Kilometer zurück, so Zimmerberger, die meisten Pendler haben daher nach der Arbeit noch genug Saft, um am Abend noch Erledigungen zu machen. Völlig entleerte Batterien lassen sich mit normaler Haushaltsleistung über Nacht aufladen, schnellladen sei nur in Ausnahmefällen oder bei atypischer Nutzung - etwa wenn am nächsten Tag eine Langstreckenfahrt geplant ist - nötig. Beschleunigtes Laden (ab 11 KW) solle im öffentlichen Raum möglich sein, Schnellladen (ab 22 KW) an Autobahnen. Hier stelle sich die Frage, ob man im Voraus Time-Slots buchen kann, um etwa auf der Fahrt in den Urlaub zeitsparend Strom tanken zu können, so Zimmerberger.