Um knapp vor 13 Uhr ging es am Montag plötzlich fast senkrecht nach oben. Gerade hatten die Pharmaunternehmen Biontech und Pfizer vielversprechende Testergebnisse rund um ihren Corona-Impfstoffkandidaten veröffentlicht. Die Reaktion an den Aktienmärkten fiel euphorisch aus. Innerhalb weniger Minuten legten die Leitindizes europaweit stark zu. Ein regelrechtes Kursfeuerwerk war die Folge, das auch Wien erfasste. Der ATX kletterte bis zum Börsenschluss um 7,6 Prozent nach oben. In Deutschland legte der DAX um 4,9 Prozent zu, der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 stieg um 6,4 Prozent. Eine Momentaufnahme, die auch durch die Entscheidung bei den US-Präsidentschaftswahlen begünstigt wurde – oder doch mehr?

In einer Blitzeinschätzung betont der Analyst Timo Emden von Emden Research: „Für die Börsen kommt dies einem Paukenschlag gleich. Dies ist die Erfolgsmeldung, auf die die Börsen sehnsüchtig gewartet haben. Während das Coronavirus in der Eurozone sein Unwesen treibt, preisen die Börsen bereits die Zeit nach Corona wieder ein.“ Gleichzeitig warnt er aber auch: „Die Erwartungshaltung dürfte nun jedoch auch stark ansteigen. Die heute geernteten Vorschusslorbeeren müssen sich am Ende des Tages aber auch bewahrheiten.“

Hier schließt auch die Einschätzung des Finanzmarktexperten Josef Obergantschnig an. „Die Wochen und Monate der Wahrheit folgen erst jetzt.“ Dass positive Meldungen zur Impfstoffsuche auch an den Börsen wohlwollend aufgenommen werden, sei klar gewesen, „dieses Ausmaß überrascht mich dennoch“, so Obergantschnig. Er mahnt aber: „Bei Phasen von derartigen Übertreibungen, egal ob nach oben oder nach unten, ist immer Vorsicht geboten.“

Bei aller Euphorie rund um die nun herrschende Klarheit hinsichtlich der US-Wahlen sowie der vermeldeten Fortschritte beim Corona-Impfstoff dürfe man nicht vergessen, „dass dadurch auch nicht alle gesamtwirtschaftlichen Probleme auf einen Schlag gelöst sind“. Denn die seien beträchtlich, „wir dürfen nicht vergessen, dass heuer 93 Prozent der globalen Volkswirtschaften in einer heftigen Rezession stecken, diese Dramatik bildet sich an den Aktienmärkten kaum ab, fundamentale wirtschaftliche Probleme werden eher ausgeblendet“, sagt Obergantschnig. Anleger sollten also die „Rückschlagsgefahr“ nicht unterschätzen.

Einen derartigen Rückschlag musste am Montag sogar ein Edelmetall hinnehmen, das gemeinhin als „sicherer Hafen“ gilt. Dabei hatte der Goldpreis parallel zur Gewissheit um den Wahlsieg Joe Bidens zuletzt noch zugelegt und gestern früh mit 1965 Dollar je Feinunze gar den höchsten Stand seit September erreicht. Selbst das Rekordhoch, Anfang Juli lag der Preis bei 2075 Dollar, schien für viele Beobachter greifbar.

Doch dann kam die Jubelmeldung der Pharmakonzerne und der Goldpreis, tendenziell stark in Zeiten eines schwächelnden US-Dollars, wurde von der Euphorie nach unten gedrückt. Am Ende des Tages stand ein Minus von fünf Prozent. Und damit eine den Ölpreisen genau entgegengesetzte Kursentwicklung. Diese zogen im Sog der Finanzmärkte nämlich kräftig an und legten etwa in der Nordseesorte Brent teils um fast neun Prozent zu.