Die Einigung der EU-Staaten auf eine Reform der gemeinsamen Agrarpolitik stößt bei Umweltschützern auf scharfe Kritik. Die deutsche Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner und viele ihrer europäischen Kollegen hätten sich für eine klassische Klientelpolitik für Großbetriebe und Agrarwirtschaft zulasten bäuerlicher Familienbetriebe und der Umwelt entschieden, hieß es in einer am Mittwoch veröffentlichten Erklärung von Greenpeace.

"390 Milliarden Euro Agrarsubventionen sollen weiterhin weitgehend bedingungslos verteilt werden, statt damit gezielt Umwelt- und Klimaschutz in der Landwirtschaft zu fördern", sagte Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Lasse van Aken.

Das Budget für die Öko-Regelungen sei um ein Fünftel niedriger als vom EU-Parlament beschlossen und greife erst mit zwei Jahren Verzögerung. "Setzt sich der Rat bei der Reform der EU-Agrarpolitik durch, drohen sieben verlorene Jahre, die wir dringend bräuchten, um den dramatischen Verlust der Artenvielfalt auf dem Land zu stoppen und eine zukunftsfähige bäuerliche Landwirtschaft aufzubauen", sagte der Experte.

Drastische Worte vom WWF

Die Reform werde zur "Katastrophe für Natur- und Klimaschutz", teilte der WWF mit. "Der EU-Agrarrat setzt seine zerstörerische Subventionspolitik zugunsten großer Agrarkonzerne fort", die Positionierung der Staaten sei "desaströs", sagte der Naturschutzvorstand der Umweltorganisation, Christoph Heinrich.

Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) kann dem am Mittwoch in der Früh ausgehandelten Kompromiss wenig abgewinnen. "Wie so die Biodiversität geschützt und der Beitrag der Landwirtschaft zum Klimaschutz deutlich erhöht werden kann, bleibt ein Rätsel", sagte der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt. "Noch immer wird der größte Teil der Agrar-Milliarden aus Brüssel weitgehend wirkungslos mit der Gießkanne über Europas Äckern und Wiesen verteilt."

Grünen reichen Beschlüsse "vorne und hinten nicht"

Unter Klöckners Vorsitz einigten sich die 27 Mitgliedsstaaten beim EU-Agrarrat in Luxemburg auf die Reform der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP). Die deutsche Ministerin sprach von einem "Meilenstein" und "Systemwechsel". "Erstmals führen wir für alle Staaten gleichermaßen einen verpflichtenden Standard für den Umwelt- und Klimaschutz ein", sagte die CDU-Politikerin. "Das ist ein fundamentaler Schritt hin zu mehr Nachhaltigkeit, Fairness und Wettbewerbsgerechtigkeit innerhalb der EU."

Scharfe Kritik kam auch von den deutschen Grünen. Die Beschlüsse "reichen hinten und vorne nicht, um die selbstgesteckten Ziele der EU zu erreichen und den Bäuerinnen und Bauern Sicherheit zu geben", sagte Grünen-Chef Robert Habeck am Mittwoch. "Das klare Ziel sollte sein: Direkte Zuschüsse für die Fläche, egal was auf dem Acker passiert, werden abgeschafft." Stattdessen müssten Bauern Geld bekommen, die gesellschaftliche Leistungen erbringen. Eine solche "Gemeinwohlprämie" müsse jetzt schrittweise und mit klaren Etappenzielen eingeführt werden. Diese "Weitsicht und Konsequenz" fehle, sagte Habeck. "Es ist absolut enttäuschend, wie wenig politische Konsequenzen die gesellschaftliche und wissenschaftliche Debatte hat."

Die Landwirtschaftssprecherin der österreichischen Grünen, Olga Voglauer, dazu: "Wir bräuchten einen deutlich ambitionierteren Zugang, der insbesondere kleinen Familienbetrieben das Überleben ermöglicht und einen deutlichen Fokus auf klimarelevante Maßnahmen setzt."

Bauernbund: "Hohe und machbare Ziele"

Völlig anders liest sich etwa die Reaktion des ÖVP-Bauernbunds. "Österreich war ein bedeutender Wegbereiter für einen Deal mit hohen und machbaren Umwelt- und Klimazielen, der nun Hand in Hand mit der Versorgungssicherheit und der erforderlichen Einkommenssicherung unserer bäuerlichen Familienbetriebe einhergeht", stellte dazu Bauernbund-Präsident Georg Strasser fest. 

Und weiter: "Das Motto lautet belohnen statt bestrafen. Über bewährte Programme, wie das Österreichische Agrarumweltprogramm oder die Bergbauernförderung, werden den Bäuerinnen und Bauern ihre Mehrleistungen abgegolten." Mit dieser Reform könne die österreichische Land- und Forstwirtschaft zukunftsorientiert und nachhaltig weiterentwickelt werden. "Eine Reform mit ökosozialer Handschrift", wie Strasser befindet.

"Starkes Signal für gemeinsame EU-Agrarpolitik"

Landwirtschaftskammer-Präsident Josef Moosbrugger meinte, die EU-Einigung sichere die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) und die österreichische Umweltorientierung ab. "Das ist ein starkes Signal für eine Gemeinsame EU-Agrarpolitik", so Simone Schmiedtbauer, ÖVP-Agrarsprecherin im Europaparlament.  

Der 387 Milliarden Euro große Agrarhaushalt macht etwa ein Drittel des gesamten EU-Budgets aus. Im Sommer 2018 hatte die EU-Kommission ihre Verordnungsentwürfe für die nächste Förderperiode der EU-Agrarpolitik von 2021 bis 2027 vorgestellt. Seitdem wird darüber im EU-Parlament und im Agrarrat diskutiert. Das Parlament hatte sich dafür ausgesprochen, 30 Prozent der Direktzahlungen für Öko-Regelungen auszugeben. Der Agrarrat sieht aber nur 20 Prozent vor. Im sogenannten Trilog-Verfahren müssen die Positionen verhandelt werden. Eine Einigung wird im Frühjahr 2021 erwartet.