Nach Monaten im Ausnahmezustand findet die Welt langsam in ihren normalen Rhythmus. Die Grenzen öffnen sich, der internationale Handel nimmt wieder Fahrt auf. Für zusätzlichen Schub können neue digitale Innovationen sorgen, wie bei dem Beispiel der Handelsfinanzierung mit Bank-Akkreditiven.

Worum geht es? Vor allem am Beginn einer Geschäftsbeziehung kennen die Handelspartner einander nicht. Der eine weiß nicht, ob er die Ware wirklich bekommt, der andere nicht, ob der Käufer überhaupt zahlen kann. Bonitätsauskünfte oder Kreditversicherungen reduzieren das Risiko für den Lieferanten, können es jedoch nicht gänzlich eliminieren.

Mehrere europäische Großbanken haben mit we.trade nun eine Plattform geschaffen, die dieses Problem aus der Welt schafft. Eingebunden sind alle Parteien eines Handels, von Käufer und Verkäufer bis Banken und Logistiker. Bei einem Warengeschäft sichert we.trade die Zahlung der Lieferung zu. Dank Bankgarantie bekommt der Verkäufer sein Geld, sobald der Käufer die Ware annimmt, ohne wochenlanges Warten auf die Überweisung.

Ursprung in der Bitcoin

Die Technologie hinter diesem Angebot ist die Blockchain (siehe Infobox). Entwickelt wurde dieses System von selbst ernannten Wirtschaftsrevoluzzern, die sich hinter dem Synomym „Satoshi Nakamoto“ versteckten. Gemeint sind die Erfinder der Bitcoin. Ihr Ziel war eigentlich das Ende der Zentralbanken. Ihre Alternative war eine „Währung“, die nicht manipuliert werden kann. Doch statt Alternativ-Geld sind Kryptowährungen heute eher etwas für Fantasten, Finanzjongleure oder Gauner.

Die technische Lösung allerdings emanzipiert sich nun von der wankelmütigen Kryptowelt. Zahlreiche IT-Konzerne wie Intel, IBM oder Accenture arbeiten inzwischen an Blockchain-Projekten in unterschiedlichen Industriezweigen.

Plattform für Banken

Ein solches ist eben we.trade. Seit Mai können Kunden der Erste Group darauf zugreifen. Das Geldinstitut ist zusammen mit anderen Partnerbanken wie UBS UniCredit oder HSBC ist Gesellschafter bei dem in Dublin beheimateten Start-up we.trade, das dieses sichere Handelssystem auf Blockchain-Basis umgesetzt hat.

Am Beginn der Entwicklung stand das Batavia-Projekt erinnert sich Patrick Götz, verantwortlich für Supply-Chain-Finance. Zusammen mit der UBS und IBM suchte man nach einer Anwendung für Blockchain bei Banken. Zeitgleich arbeiten andere Banken bereits an we.trade. „Uns war schnell klar, dass eine Plattform davon lebt, dass viele Banken teilnehmen. So kam es zum Zusammenschluss“, sagt Götz.

Größte Hürde: Regulierung

Die größte Herausforderung für die Entwickler sei die Regulierung gewesen, erklärt Ciaran McGowan, Geschäftsführer von we.trade. „Es hat 18 Monate gedauert, das genaue Regelwerk festzuschreiben.“ Sogar die EZB musste schließlich ihr OK zu der Software geben. „Seit 2019 sind wir live und inzwischen sind alle Partnerbanken angebunden“, sagt McGowan.

Die technische Seite übernimmt dabei IBM mit Hyperledger. Der IT-Konzern entwickelt seit sechs Jahren Blockchain-Systeme. „Am Anfang musste man noch erklären, was Blockchain ist“, erinnert sich Parm Sangha, IBM-Blockchain-Experte im Bereich Finanzen. „Heute geht es vor allem darum, wie nutzt man Blockchain für das Geschäft.“ Bei we.trade liege der Fokus in der Reduzierung von Risiko. „Wenn Firmen rechtzeitig bezahlt werden, verbessert das die Liquidität“, erklärt der IBM-Manager. Eingesetzt wird das System daher vor allem bei grenzübergreifenden Handelsgeschäften.

In Tschechien sind demnächst sogar drei große Banken Teil des Netzwerks, womit es für inländische Handelsgeschäfte besonders attraktiv sein könnte, sagt Erste-Experte Götz. Die Möglichkeit, dass we.trade mit anderen Plattformen verbunden werden könne – wie die Verfolgung von Paketen bis hin zu ganzen Paletten – sei ein entscheidendes Kriterium, erklärt Clemens Müller, Innovationsexperte der Erste Group. Und: „Da we.trade die Infrastruktur für die Abwicklung von Handelsgeschäften zur Verfügung stellt, spielt es auch keine Rolle, welche Währung hinterlegt ist.“ Heute ist es der Euro, theoretisch wäre irgendwann auch eine rein digitales Zahlungsmittel möglich, doch das liegt noch sehr weit in der Zukunft.