Laut einer Umfrage der Universität Wien bewerten mehr als die Hälfte der österreichischen Kleinunternehmen die staatlichen Coronahilfen bisher mit Nicht genügend. Haben Sie dafür Verständnis?
JOSEF HERK: Abertausende Unternehmer sind unverschuldet in diese Situation geraten, wir sind ohne Bremse gegen die Wand gefahren. Unternehmer sind keine Bittsteller, das möchte ich einmal klar sagen. Der Corona-Hilfsfonds ist wichtig und gut. Aber das größte Problem ist der Faktor Zeit. Der Patient Wirtschaft braucht Frischblut, also Liquidität, und das schnell. Da hilft es nix, wenn die Konserve irgendwann im Anmarsch ist, wir brauchen das sofort, um das Überleben vieler, vieler Unternehmen zu sichern. Für manche Unternehmen steht da ein Lebenswerk, Jahrzehnte an Aufbauarbeit, auf dem Spiel.

Es geht nicht schnell genug?
Staatliche Garantien und Sicherheiten sind gute Instrumente, aber bei der Abwicklung sind zu viele Regulative und zu viel Bürokratie im Spiel. Viele Unternehmen haben ganz einfach das Gefühl, dass sich jeder darauf hinausredet und die Hilfen damit letztlich zu spät bei den Betroffenen ankommen, in vielen Fällen läuft es zu komplex, zu bürokratisch und zu langwierig ab. Aber es muss rascher gehen, die Betriebe brauchen Liquidität, Liquidität und nochmals Liquidität, um in dieser Intensivstation zu überleben.

Aber wie soll die Gratwanderung zwischen rascher Hilfe und nötiger Kontrolle gelingen?
Es braucht gewisse Rahmen und Regulative, es braucht eine Anamnese, um den Patienten bewerten zu können, Zahlen, Daten und Fakten sind notwendig. Aber die Katze beißt sich da mitunter in den Schwanz. Der Staat sagt, ich hafte für die Finanzierung, die, die für die Finanzierung zuständig sind, sagen, ich brauche noch Sicherheiten, weil die Aufsicht das verlangt, da wird der Schwarze Peter manchmal herumgereicht und der Patient, sprich Unternehmer, sitzt daneben und erhält seine Liquidität dann in vielen Bereichen viel zu spät.

Die Wirtschaftskammer wickelt den Härtefallfonds im Auftrag der Regierung ab, auch da gab es zu Beginn teils harsche Kritik.
Die Wirtschaftskammer fungiert hier als Dienstleister für die Republik. Zu Beginn war das eine Operation am offenen Herzen, Unschärfen wurden nach und nach beseitigt. Es gab keine Blaupause dafür und de facto keine Vorlaufzeit. Ich bin daher stolz auf die Mitarbeiter der WKO, die auch an den Wochenenden im Dauereinsatz waren. Innerhalb der ersten zwei Phasen wurden mehr als 37.000 Anträge allein in der Steiermark abgewickelt und mehr als 24 Millionen Euro ausbezahlt – für den persönlichen Notbedarf von Betroffenen. Ich wüsste nicht, welche andere Organisation das so schnell hätte bearbeiten können.

Der steirische Wirtschaftskammer-Präsident Josef HerkJosef Herk
Der steirische Wirtschaftskammer-Präsident Josef HerkJosef Herk © (c) Juergen Fuchs (FUCHS Juergen)

Hat es Sie überrascht, wie dünn die Kapitaldecken und Reserven einiger Betriebe teilweise sind?
Das muss auch Auftrag für die Phase des Re-Starts sein, in die wir jetzt kommen. Es muss möglich sein, dass Unternehmer auch Reserven aufbauen können, die Ertragssituation in vielen Branchen ist katastrophal.

Woran liegt das?
Das hat auch mit der hohen Steuer- und Abgabenbelastung zu tun. Es braucht ein Nachdenken darüber, denn die steuerliche Belastung ist hier ein riesiger Faktor – ebenso wie die Bürokratie. Ich habe noch immer den Satz eines Gastronomen im Ohr, der mir in Bezug auf die bürokratischen Auflagen gesagt hat: Mein Büro ist schon größer als meine Küche. Da ein Beauftragter, da ein Audit, da eine Zertifizierung, da wieder eine Genehmigung – das sind alles Kostenfaktoren und am Ende bleibt nichts übrig und wenn nichts übrig bleibt, dann kann ich nichts in die Scheune bringen, nicht investieren und eben auch keine Reserven bilden.

Wie ist es Ihnen und Ihrem Unternehmen in den ersten Wochen ergangen?
Unsere Firma ist 1957 gegründet worden, ich habe erlebt, dass erstmals in der Geschichte unser Auftragsbuch völlig leer war, nichts, du sitzt im Büro, es ruft kein Kunde an, es kommt keiner. Dieses Gefühl ist nicht zu beschreiben. Gleichzeitig sieht man, welche Kosten sich trotzdem ansammeln, was trotzdem laufend zu bezahlen ist.

Wie kann der genannte Re-Start der Wirtschaft gelingen?
Steirische Unternehmer haben diesen Lockdown ja mit großer Verantwortung mitgetragen – die Gesundheit stand im Vordergrund, aber irgendwann braucht es die Perspektive, wann und wie es weitergehen kann. Jetzt ist es also zentral, Vertrauen und Perspektive zu schaffen, indem es zur raschen weiteren Öffnung aller Wirtschaftsbereiche auf Basis klarer und nachvollziehbarer Regelungen kommt. Es geht darum, Liquidität zu sichern, Investitionen und den Konsum anzukurbeln. Für den Arbeitsmarkt ist es wichtig, das Kurzarbeitsmodell zu verlängern.

An welche Impulse denken Sie?
Steuerlich sollte man über die Wiedereinführung des Investitionsfreibetrags nachdenken, die Modalitäten für Abschreibungen, etwa bei Gebäudesanierungen, müssen weiter attraktiviert werden, auch den Vorsteuerabzug für Fahrzeuge sollte man vorübergehend ausweiten.

Befürchten Sie, dass die öffentliche Hand, etwa die Gemeinden, mittelfristig als Großinvestoren kürzertreten müssen?
Öffentliche Investitionsvorhaben sind jetzt überlebenswichtig, sie sollten vorgezogen werden, sowohl auf Bundes-, Landes- als auch auf kommunaler Ebene. Laufende Verfahren müssen ebenso beschleunigt werden wie Genehmigungsverfahren.