Noch haben wir diese Gesundheitskrise nicht überwunden. Noch kämpfen wir alle gegen einen unsichtbaren Gegner, über den selbst Experten viel zu wenig wissen. Noch weiß niemand, was die nächsten Wochen und Monate bringen werden, noch sind wir alle in einer dichten Nebelbank unterwegs. Unsere Augen gewöhnen sich schön langsam an die geänderten Sichtverhältnisse, sie nehmen die ersten Schattierungen wahr. Klar ist mittlerweile aber nur, dass sich der Nebel nicht plötzlich auflösen, sondern nur zaghaft lichten wird.

Während wir alle noch rätseln, wie wir unser altes Leben zurückbekommen, propagieren andere den radikalen Systemwechsel. Die Philosophin Isolde Charim zum Beispiel, die am Dienstag dieser Woche an derselben Stelle meinte: „Die Epidemie hat den Glauben an den Markt erschüttert. Deshalb braucht es eine Renaissance von Konzepten des öffentlichen Guts, des Gemeinwohls. Und der Existenzsicherung für Systemrelevante.“ Spätestens jetzt müsse allen klar sein, dass das „Dogma des Nulldefizits“ ausgedient und das „Credo von Privatisieren, Deregulieren und Sparen“ uns alle in die Irre geführt habe. Retten würden uns jetzt nicht „die Märkte“, sondern die Restposten des alten Sozialstaats, so Charim weiter. Überhaupt habe der öffentliche Sektor gezeigt, besser mit Epidemien umgehen zu können als der private.

Das sind ziemlich steile Thesen, die in Zeiten der kollektiven Angst auf fruchtbaren Boden fallen dürften. Immerhin sind derzeit 1,8 Millionen Menschen arbeitslos oder in Kurzarbeit. Aber das sind sie nicht, weil sie vom „Glauben an die Märkte“ abgefallen wären. Sondern weil die obersten Vertreter des Staates die Marktwirtschaft vorübergehend geschlossen und der Wirtschaft den Saft abgedreht haben. Mit triftigen Gründen: Nachdem das kommunistische Regime in China den Ausbruch des Virus wochenlang vertuschte und infizierte Wanderarbeiter zu Tausenden vom chinesischen Neujahrsfest nach Norditalien reisen ließ, war die Sache für die unmittelbaren Nachbarländer gelaufen. Jedem musste klar sein: Wenn das Virus in Mailand ist, ist es auch in Tirol und im Tessin und bald darauf in ganz Europa. Die Berichte aus italienischen Spitälern führten in Österreich zu einem „Shutdown“, dessen Ausmaß vor wenigen Monaten noch völlig undenkbar gewesen wäre.

Nun mag Frau Charim an einer staatlichen Kommandowirtschaft Gefallen finden. Das ist ihr gutes Recht, ändert aber nichts daran, dass Tausende kerngesunde Unternehmen allein deshalb vor der Pleite stehen, weil ihnen der Staat das Wirtschaften untersagte. Es war derselbe Staat, der die Bevölkerung völlig unvorbereitet der hereinbrechenden Pandemie aussetzte.

Niemand fragt die Gesundheitsminister der vergangenen zehn Jahre, was denn aus ihren Pandemieplänen geworden ist, so sie überhaupt vorhanden waren. Niemand scheint sich für die Frage zu interessieren, warum die Beschäftigten in den staatlichen Spitälern, Alten- und Pflegeheimen so lange ohne jeglichen Schutz arbeiten mussten. Derselbe Staat, der es nicht schaffte, rechtzeitig Schutzbekleidung für seine Beschäftigten zu besorgen, soll nun die Kontrolle über die gesamte Wirtschaft übernehmen?

Staat und Markt treten nicht als Gegner an

Nun ist es nicht überraschend, dass die heimische Linke dem Staatssozialismus eine weitere Chance geben will (die wievielte eigentlich?). Wir alle sollten nicht vergessen, dass es nicht lange her ist, dass wir über die skandalöse Parteibuchwirtschaft in den Casinos Austria den Kopf schüttelten. Dass der Staat die von der Politik heruntergewirtschaftete AUA vor elf Jahren mit 500 Millionen Euro im Gepäck an die Lufthansa verschenken musste und dass der Zusammenbruch der Verstaatlichten Industrie nicht von außen ausgelöst wurde, sondern von innen. Weil „die Partei“ ihren Günstlingen das Management der Betriebe anvertraute. In diese Welt der Miss- und Parteibuchwirtschaft kann niemand zurückwollen.

Das Ziel kann nur sein, dass wir Österreicher möglichst rasch zu unserem bewährten Pragmatismus zurückfinden. Staat und Markt sind nämlich keine Gegensätze, so wie uns das dieser Tage gerne verklickert wird. Staat und Markt treten nicht als Gegner in einem Rennen an, das am Ende einer der beiden für sich entscheidet. Staat und Markt bilden vielmehr eine höchst erfolgreiche Symbiose. Ohne Markt, ohne unternehmerisches Risiko und ohne grenzüberschreitenden Handel gibt es keine Arbeitsplätze, keine Steuereinnahmen, keine Sozialabgaben und kein Leben in Wohlstand und Sicherheit. Die Marktwirtschaft finanziert den Sozialstaat und der Sozialstaat sorgt dafür, dass alle Menschen versorgt werden, die das aus eigener Kraft nicht können. Dieses Modell der sozialen Marktwirtschaft hat die heimische Bevölkerung zu einem für niemals möglich gehaltenen Massenwohlstand geführt.

Die Realität ist eine andere

Nun kann man trefflich darüber streiten, ob wir nicht hin und wieder das Gleichgewicht zwischen Staat und Markt aus den Augen verloren haben. Aber das reicht den linken Ideologen nicht. Sie wittern Morgenluft, sie wollen mehr. Während kein Liberaler in diesem Land den Staat abschaffen will, versuchen sie den allumfassenden Staat durchzusetzen, gesäubert von „egoistischen“ und „profitgierigen“ Märkten. Kein Weg ist ihnen zu steil, kein propagandistischer Trick zu billig. So wird den Menschen mit voller Überzeugung eingeredet, sie würden im Zeitalter des Turbokapitalismus leben. In einer Welt, in der für den Staat kaum noch Platz bleibt, in der sich nur die Starken mit ihrer „gnadenlosen Profitgier“ durchsetzen, während öffentliche Haushalte kaputtgespart und die Armen im Regen stehen gelassen werden.

Die Realität ist eine andere. Wir leben in einem Land mit einem staatlichen Gesundheitswesen, einem staatlichen Bildungs- und einem staatlichen Pensionssystem. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs war der Bundeshaushalt gezählte drei Mal im Plus, 71 Mal im Minus. Unser Dogma heißt nicht Nulldefizit, sondern „Staatsschulden in jeder Wirtschaftslage“. Die Ausgaben des Staates liegen bei über 50 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung, die Steuer- und Abgabenlast ist auf internationalem Rekordniveau, dasselbe trifft auf die Sozialausgaben zu.

Aus dem Schlamasselwird uns kein Staat herausholen

Wer hier also von „Restposten des Sozialstaates“ schreibt, macht sich der billigen Polemik schuldig. Nun kann man der Meinung sein, dass die Nettozahler noch mehr für die Hilfsbedürftigen tun müssten. Genauso gut kann man es für frivol halten, wenn Arbeitslose mitten in der größten Wirtschaftskrise der Geschichte offene Stellen mit dem Hinweis auf Corona einfach ablehnen können und trotzdem mit voller Unterstützung der Steuerzahler rechnen dürfen. Auf welcher Seite man sich auch finden mag, um ein Faktum kommt niemand herum: Es gibt weltweit keinen besser ausgestatteten Sozialstaat als den österreichischen.

Und damit das so bleibt, sollten wir auf planwirtschaftliche Abenteuer tunlichst verzichten und uns ausschließlich darum kümmern, die Finanzierungsquelle des solidarischen Miteinanders wieder instand zu setzen. Aus dem Schlamassel wird uns nämlich kein Politiker und auch kein Staat herausholen. Sondern ausschließlich risikofreudige Unternehmen mit tüchtigen und innovativen Beschäftigten.