Wie haben Sie die letzten Wochen verbracht? Können Sie angesichts der wirtschaftlichen Entwicklungen noch ruhig schlafen?
HANS PETER SCHÜTZINGER: Ich war die ersten Tage im Homeoffice, bin dann aber relativ schnell wieder in die Firma zurückgekehrt. Es gibt konträre Einflüsse: einerseits die Sorge um die aktuelle Situation des Unternehmens, die Sorge um die Mitarbeiter, die Vertriebsorganisation. Auf der anderen Seite die enorme Entschleunigung – keine Reisen, weniger Termine. Ich kann zwar noch gut schlafen – aber das ist die schwerste Krise seit Gründung der Porsche Holding vor über 70 Jahren.

In den letzten Wochen standen weltweit bei nahezu allen Herstellern die Bänder still. Wie groß ist der Schaden?
SCHÜTZINGER: Den Schaden können wir noch nicht beziffern, er wird entsprechend hoch sein. Es gibt aber verschiedene Niveaus: In China hat man schnell wieder aufgesperrt. Die Porsche International in China fährt aus heutiger Sicht wieder voll und wird die Jahresziele erreichen. In Singapur schaut es dafür wieder schlechter aus, da gibt es eine zweite Infektionswelle. In Europa haben wir als Ausreißer Schweden: Obwohl nie ganz geschlossen, sehen wir doch zunehmende Kaufenthaltung. Wir fahren mit zwei Drittel der Kapazitäten. Die restlichen Länder laufen ähnlich wie Österreich, fahren langsam hoch. Das wird aber Monate dauern. Wir sind ursprünglich von einer steileren Anlaufkurve ausgegangen. Es wird auch in Österreich keine schnellen Aufholeffekte geben.

Wie schätzen Sie das Kaufverhalten der nächsten Wochen und Monate ein? Ist eine Rabattschlacht zu befürchten?
SCHÜTZINGER: Wir glauben, dass der erste Weg der Kunden nicht unbedingt in den Schauraum führen wird. Bei den Neukunden wird es notwendig sein, dass wir entsprechende Kaufanreize zur Ankurbelung des Geschäfts erhalten. Was die Rabatte betrifft: Der Prozess ist ohnehin schon im Gange. Das Wort Rabattschlacht nehmen wir ungern in den Mund, aber auch wir gehen mit entsprechenden Preisen und Angeboten für Lagerfahrzeuge auf den Markt. Das ist nicht die Revolution. Aber helfen würde uns eben ein staatlich geförderter Kaufanreiz.

Wie könnte die sogenannte Ökoprämie aussehen?
SCHÜTZINGER: Was wir uns vorstellen könnten: eine an den CO2-Ausstoß gekoppelte und so gestaffelte Ökoprämie, aber für alle Antriebsformen. An der Prämie beteiligt sich der Handel ebenso. Entscheidend ist, dass man so mithilft, den Fahrzeugbestand zu verjüngen und die Umweltbelastungen zu verringern. Die ausschließliche Fokussierung auf E-Antriebe halten wir nicht für ausreichend effizient, weil es aktuell nur ein eingeschränktes Angebot von E-Autos gibt. Österreichs Politik will sich an europäischen Lösungen orientieren, letztendlich ist Europa vernetzt. Wenn die anderen Länder Maßnahmen ergreifen und wir nicht, werden wir von günstigeren Importen überschwemmt.

Ist der Handel ohne Ökoprämien überhaupt zu retten?
SCHÜTZINGER: Wir haben ein Förderungsprogramm für den Handel erstellt, das neben den staatlichen Unterstützungsmaßnahmen vor allem Liquidität sichern soll. Der Handel braucht jetzt Hilfe für einen raschen Neustart.

Man spricht auch von nachhaltigen gesellschaftlichen Konsequenzen. Könnte die Coronakrise zu Veränderungen im Mobilitätsverhalten der Menschen führen? Wird das Auto ein Verlierer sein?
SCHÜTZINGER: Das glauben wir nicht. Es ist ja so, dass die Bundesregierung zwischenzeitlich wegen der hohen Ansteckungsgefahr aufgefordert hat, nach Möglichkeit Öffis nicht zu benützen. Das Auto ist ein geschützter Bereich und so nachhaltig attraktiv. Mittelfristig sind wir trotzdem in einem Wandel, der nicht aufzuhalten ist. Derzeit sind neue Ideen wie Auto-Abos oder Carsharing wirtschaftlich jedoch schwer darstellbar.

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In diesem Jahr wollte Volkswagen seine Elektro-Offensive so richtig hochfahren. Ist damit zu rechnen, dass sich die ambitionierten Pläne verzögern? Und damit auch das Erreichen der CO2-Ziele nicht möglich ist?
SCHÜTZINGER: Volkswagen hält an seiner Strategie fest und wird das E-Auto ID.3 im Spätsommer auf den Markt bringen. Die Gesetzgebung für die CO2-Flottenziele ist in der EU beschlossen – die Ziele sind anspruchsvoller geworden, aber der Klimawandel bleibt auf der Tagesordnung.

Die Porsche Holding hat 2019 auf drei Kontinenten 763.000 Fahrzeuge der Marken des VW-Konzerns verkauft. Mit welchem Ergebnis ist heuer zu rechnen?
SCHÜTZINGER: Beim Umsatz international rechnen wir mit 20 Prozent Minus, aber trotzdem mit einem positiven Jahresergebnis. Was Österreich betrifft: Wir sind heuer von einem Pkw-Gesamtmarkt mit rund 330.000 Fahrzeugen ausgegangen, rechnen nun aber auch hier mit einem Rückgang von rund 20 Prozent, also mit 265.000 Autos.

Wird das Ihre Expansionsstrategie beeinflussen? Wo sehen Sie Ihr Unternehmen in fünf Jahren?
SCHÜTZINGER: Wir werden umsatzmäßig zulegen. Auf der qualitativen Seite werden wir mit dazu beitragen, der E-Mobilität zum Durchbruch zu verhelfen. In fünf Jahren wird der Volkswagen-Konzern die Nummer eins weltweit in der E-Mobilität sein. Dazu verändern wir auch unsere Expansionsstrategie nicht. Wir wollen in europäischen Ballungszentren und auch in China im Einzelhandel wachsen und wenn möglich auch weitere mittlere Großhandelsmärkte übernehmen.

Werden Sie angesichts der Einbrüche Personal abbauen?
SCHÜTZINGER: Der Personalstand in Österreich wird sich nicht dramatisch verändern, es wird zu Verschiebungen kommen. Wir bauen ja neue Felder auf, etwa die Elektro-Service-Marke Moon.

Wann wird die Automobilwirtschaft Corona verdaut haben?
SCHÜTZINGER: Heuer wird die Anlaufkurve sehr flach sein, ohne schnelle Erholung. 2021 geht man noch von einem Rückgang von etwa zehn Prozent aus, 2022 könnte man – wenn alles gut geht – wieder auf dem alten Niveau sein. Wir werden aber unterschiedliche Szenarien auf den einzelnen Kontinenten sehen. Europa beispielsweise könnte aus heutiger Sicht nicht so schwer betroffen sein wie Amerika.