Auch wenn Konjunkturprognosen derzeit – noch stärker als sonst – nur mit viel „Wenn“ und „Dann“ sowie einem hohen Konjunktiv-Anteil zu haben sind, zeigt sich derzeit ganz klar: Der Wirtschaft geht es schlecht und eine schnelle Erholung ist nicht in Sicht. Die ersten Lockerungen der umfassenden Corona-Beschränkungen in Österreich, die Ende kommender Woche ihre Fortsetzung finden, haben die Stimmung in einzelnen Wirtschaftszweigen dennoch wieder etwas angehoben. Der Begriff „Neustart“ hat trotz aller Unwägbarkeiten und anhaltenden Einschränkungen Hochkonjunktur. Lesen Sie hier, wie die Lenkerinnen und Lenker namhafter Unternehmen die Lage einschätzen.

Sabine Herlitschka, Infineon Technologies Austria:

Die Pandemie hat unser gesellschaftliches und wirtschaftliches Miteinander erschüttert, die Auswirkungen werden noch lange spürbar sein. Das erleben wir nicht nur an unserem geänderten sozialen Verhalten und Arbeitsweisen angesichts der sehr rasch notwendigen Schutzmaßnahmen. Wir sehen es auch im täglichen Geschäft. Einem Angebotsschock zu Beginn der Krise folgt nun ein Nachfrageschock. Das zeigt sich im deutlichen Abschwächen der Nachfrage und den dramatischen Entwicklungen am Arbeitsmarkt.

Unsere Fertigung in Villach läuft nach wie vor weiter, ebenso die Bautätigkeiten. Wir spüren aber die sinkende Nachfrage in wichtigen Branchen bereits in der Auslastung unserer Fertigung. Das betrifft vor allem den Automotive-Bereich. Daher setzen wir aktuell Maßnahmen, wie zum Beispiel ab Mai Kurzarbeit für vorerst zwei Monate, um langfristig Arbeitsplätze zu sichern und wirtschaftliche Auswirkungen zu minimieren.

Sabine Herlitschka
Sabine Herlitschka © Infineon

Corona „bestehen“ heißt, sich auf die Zeit danach vorzubereiten, erste Lehren aus der Krise mitzunehmen und Weichen für die Zukunft zu stellen. Die Digitalisierung ist eine davon. Sie hat als eine der wenigen positiven „Nebenwirkungen“ der Coronakrise einen enormen Schub erfahren. Corona zwingt viele Unternehmen und Institutionen, Innovationen voranzutreiben, viele erleben einen Sprung in die digitale Zukunft. Als Anbieter von Produkten für die Digitalisierung haben wir gesehen, dass unsere Technologien den Alltag in vielen Bereichen sichern können: etwa bei medizintechnischen Produkten, in Datenservern oder bei der Energieversorgung.

Andrea Springer, Springer Reisen:

Wir haben zum Ausbruch der Coronakrise Tag und Nacht gearbeitet, um unsere Kunden nach Hause zu bekommen. Das haben die Kunden sehr zu schätzen gewusst. Jetzt sind wir mit 109 Mitarbeitern in Kurzarbeit und müssen täglich die Arbeit des Vorjahres stornieren, also Reisen stornieren, die wir vor einem Jahr als Reisebüro gebucht haben.

Das bedeutet, dass wir Minusumsatz machen, bis man erst wieder reisen darf, was die Situation noch verschärft. Aber zugleich sind wir für Buchungen für Inlandsurlaub immer für unsere Kunden da. Wir freuen uns, wenn die Österreicher bei lokalen Reisebüros buchen und auch Gutscheine akzeptieren. Über Grenzöffnung wird immerhin schon geredet. Ich hoffe sehr, dass die EU Lösungen für beginnende Reisefreiheit schafft. Denn die Reiselust gibt es noch immer, das spüren wir.

Andrea Springer
Andrea Springer © Springer

Karoline Scheucher, Steirerfleisch:

Wir brauchen keinen Neustart, da wir immer, noch dazu mit unserem Stammpersonal, weitergearbeitet haben, darauf sind wir stolz. Aber wir hoffen, dass unseren Kunden der Neustart gelingt, dass ein Vertrauen entsteht, wieder ein normales Sozialleben führen zu können.

Wir stehen in der Lebensmittelproduktion vor großen Herausforderungen. Die Lager sind voll, aber die Nachfrage stagniert. Die Gastronomie als wichtiger Abnehmer ist weggebrochen, auch der Tourismus fällt aus. Die Nachfrage aus China, 2019 für uns ein guter Absatzmarkt, ist verhalten, da die USA ihr Fleisch zu Dumpingpreisen anbieten. Rindfleisch wird zum Großteil über die Gastronomie verkauft, daher ist die Lage auch hier dramatisch. Das alles wirkt sich negativ auf die Erzeugerpreise aus. Vor wenigen Wochen wurde uns bewusst, wie wichtig eine heimische Lebensmittelproduktion ist. Jetzt ist der Zeitpunkt, der österreichischen Landwirtschaft den Rücken zu stärken.

Karoline und Alois Scheucher
Karoline und Alois Scheucher © Werner Krug

Hans Peter Haselsteiner, Bauindustrieller:

Die Bauindustrie war zum Glück nur sehr kurz geschlossen. Wir arbeiten wieder und haben Vollbetrieb. Das wird auch das ganze Jahr über so sein. 2021 werden verschiedene Aufträge wegbrechen, wer braucht und baut beispielsweise gerade neue Hotels? Der Wohnbau wird aber stark bleiben. Sicher ist es gut, wenn die öffentliche Hand demnächst gezielt, Betonung auf gezielt, mehr Geld in unsere Infrastruktur investiert. Das ist ein sehr wichtiger Teil einer Konjunkturbelebung mit dem Ziel der Kaufkraftstärkung.

Den Begriff Konjunkturpaket möchte ich nicht strapazieren, den lehne ich aus meiner inneren Überzeugung heraus ab. Auch von Investitionsfreibeträgen halte ich nichts. Die sind nur ein Zuckerl für jene, die sowieso investieren. Und wer nur wegen dieses kleinen Steuervorteils investiert, wer sagt, er braucht das, den sollte man vielleicht ohnedies besser zwei Mal anschauen.

Hans Peter Haselsteiner
Hans Peter Haselsteiner © APA/HANS KLAUS TECHT

Arno Pichler, Northland:

Für den Textilhandel zeichnet Arno Pichler, Chef des Grazer Sportmode- und Outdoorausrüstungslabels Northland, ein düsteres Zukunftsbild. Aus mehreren Gründen: Zum einen, weil nach einem ohnehin zu warmen Winter und entsprechend verhaltenem Absatz durch Corona auch das Frühjahr- und Ostergeschäft weggebrochen ist. Zum anderen, weil die Nachfrage nach Modeartikeln überschaubar bleiben wird. Sind die Auswirkungen am Arbeitsmarkt (Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit) erst einmal im Geldbörserl der Konsumenten angekommen und beginnt ein tatsächliches Um- und Nachdenken, werde es „den viel beschworenen Neustart mittelfristig nicht geben“, glaubt Pichler: „Wer geht da noch gerne einkaufen?“

Arno Pichler
Arno Pichler © Elmar Gubisch

Parallel sind derzeit aber sämtliche Lager der Branche übervoll, weshalb er eine Art „Selbstzerfleischung“ des Handels prognostiziert: „Es wird eine Rabattschlacht kommen, bei der minus 50 Prozent die Unterkante bleiben“, befürchtet Pichler, der vor 26 Jahren in das von seinem Vater gegründete Unternehmen einstieg und es seit 1999 führt.

Für Northland selbst, das mit rund 200 Mitarbeitern in Österreich 30 Filialen betreibt und große Sporthandelsketten als Vertriebspartner hat, bleibt er zuversichtlich. Man spürt bei der Outdoor-Mode ein zartes Plus im Onlinegeschäft um 15 Prozent. Die Ausfälle sind aber damit nicht ausgeglichen.