Im Kampf gegen die wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Krise will die EU-Kommission betroffenen Mitgliedstaaten weit entgegenkommen. Ihre Behörde werde "maximale Flexibilität" zeigen, damit Regierungen ihre Ausgaben erhöhen und Staatsbeihilfen zur Verfügung stellen könnten, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Freitag in Brüssel.

Vize-Präsident Valdis Dombrovskis stellte aber klar: "Wir setzen den Stabilitäts- und Wachstumspakt nicht aus. Wir nutzen die Flexibilität innerhalb des Stabilitäts- und Wachstumspaktes."

Von der Leyen bekräftigte, die Kommission wolle eine milliardenschwere Coronavirus-Investitionsinitiative auflegen. Nachdem sie am Dienstag noch von einem Volumen von 25 Milliarden Euro gesprochen hatte, nannte sie nun 37 Milliarden Euro. Die Kommission hat bereits klar gemacht, dass es sich nicht um neue Gelder handelt, sondern um bisher nicht genutzte Mittel aus EU-Strukturfonds.

Positive Reaktionen

Der EU-ÖVP-Abgeordnete und Vizepräsident des Europaparlaments, Othmar Karas, begrüßte in einer Aussendung die Vorschläge der EU-Kommission. "Ich begrüße das Wirtschaftshilfepaket für die Mitgliedstaaten, Regionen und Unternehmen, das die Europäische Kommission soeben vorgelegt hat. Darunter vor allem den Spielraum für staatliche Beihilfen, die Nutzung der Flexibilität im Stabilitäts- und Wachstumspakt sowie die Investitionsoffensive für Gesundheitssysteme, KMU und Arbeitsmärkte in der Höhe von 37 Milliarden Euro", so Karas.

Darüber hinaus will von der Leyen für 100.000 kleine und mittlere Unternehmen mit Liquiditätsproblemen Garantien für Kredite von acht Milliarden Euro bereitstellen. Dies soll über den EU-Investitionsfonds erfolgen.

"Der Schock ist vorübergehend, aber wir müssen zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass er so kurz und so begrenzt wie möglich ist", sagte von der Leyen. Die Kommission ermuntere deshalb die Mitgliedstaaten, "alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die am stärksten betroffenen Branchen zu unterstützen".

Programm für Italien

Das ohnehin hoch verschuldete Italien ist das von der Coronavirus-Pandemie derzeit am stärksten betroffene Land in der EU. Durch strikte Reise- und Versammlungsverbote der Regierung ist das Wirtschaftsleben dort praktisch zum Erliegen gekommen. Rom hat bereits ein 25 Milliarden Euro schweres Programm angekündigt, um die Folgen der Pandemie abzumildern, was seine Verschuldung weiter erhöhen würde. "Wir sind absolut bereit, Italien mit allem zu helfen, das nötig ist", sagte von der Leyen. "Das ist von höchster Wichtigkeit. Dieses Land ist durch das Coronavirus schwer getroffen."

Nach den Regeln des Stabilitätspaktes dürfen die EU-Staaten normalerweise keine Neuverschuldung von mehr als drei Prozent der Wirtschaftsleistungen zulassen. Ansonsten kann Brüssel ein Defizitverfahren einleiten und Strafen verhängen. Bei außergewöhnlichen Umständen wie der Flüchtlingskrise vor einigen Jahren oder Naturkatastrophen wie Erdbeben sind innerhalb des Pakts aber Ausnahmen möglich.

Ähnliches gilt für Staatsbeihilfen. Sie sind normalerweise verboten, wenn sie ein Unternehmen gegenüber seinen Konkurrenten besserstellen und damit den Wettbewerb verzerren würden. Aber auch hier gibt es Ausnahmen für außergewöhnliche Umstände. Von der Leyen verwies darauf, dass die Kommission am Donnerstag bereits die Bitte Dänemarks genehmigt habe, Organisatoren großer Veranstaltungen, die wegen der Epidemie abgesagt wurden, zu entschädigen.

EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager verwies auf ein ähnliches Vorgehen in der Finanzkrise von 2008. Damals habe die Kommission "einen vorübergehenden Rahmen" für Staatshilfen verabschiedet, "um die europäische Wirtschaft zu stabilisieren". Die Behörde arbeite nun an einem neuen solchen Rahmen.

Des Weiteren lehnte von der Leyen am Freitag die einseitige Einführung von Einreisestopps oder Grenzkontrollen in der EU ab. "Allgemeine Einreisestopps werden von der Weltgesundheitsorganisation nicht als am effektivsten betrachtet." Vielmehr hätten sie starke soziale und wirtschaftliche Auswirkungen. Jede Maßnahme müsse angemessen sein. Bestimmte Kontrollen könnten jedoch gerechtfertigt sein. "Was wir tun können und sollten, ist, Gesundheitschecks durchzuführen."

Von der Leyen kündigte Leitlinien für solche Gesundheitschecks an. Diese könnten an den EU-Außengrenzen, an den Binnengrenzen der EU sowie innerhalb einzelner EU-Staaten vorgenommen werden.

Im Kampf gegen die Virus-Ausbreitung hatten zuletzt mehrere EU-Staaten Grenzkontrollen im Schengenraum eingeführt. Die USA hatten zudem - ohne dies mit der EU abzusprechen - einen Einreisestopp für Ausländer aus Europa angekündigt.